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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 63

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 450/11, Beschluss v. 09.11.2011, HRRS 2012 Nr. 63


BGH 2 StR 450/11 - Beschluss vom 9. November 2011 (LG Aachen)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in sog. Kurierfällen); Aufklärungshilfe.

§ 29 BtMG, § 29a BtMG; § 25 StGB; § 27 StGB; § 31 BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. Mai 2011

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Schuldspruch wegen (mit-)täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach neuerer Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in sog. Kurierfällen maßgeblich auf die Einordnung des Tatbeitrages für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports an. Abzustellen ist deshalb darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGHSt 51, 219, 222 f.; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - 2 StR 267/07 mwN). Erschöpft sich der Tatbeitrag eines Kuriers wie hier im Wesentlichen darin, entgegengenommene Betäubungsmittel an andere Personen auszuliefern, ohne irgendeinen Einfluss auf das Umsatzgeschäft zu haben, kann dies regelmäßig eine mittäterschaftliche Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht begründen. Dass die Transportfahrten selbständig organisiert und ohne Kontrolle des (Haupt-)Täters durchgeführt wurden, reicht insoweit nicht aus.

Der Angeklagte hat sich insoweit nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen strafbar gemacht. Der Schuldspruch war entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der geständige Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.

2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu geringeren Einzelfreiheitsstrafen gekommen wäre. Zwar ist die Strafe auch weiterhin dem (nach § 31 Abs. 1 BtMG gemilderten) Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen, doch weist eine Straftat lediglich wegen Beihilfe gegenüber mittäterschaftlicher Begehung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (bei jeweils verwirklichtem mittäterschaftlichen Besitz) einen deutlich verringerten Unrechtsgehalt auf, der sich regelmäßig im Strafausspruch niederschlagen muss. Zwar hat das Landgericht die untergeordnete Rolle des Angeklagten bei dem Rauschgiftgeschäft ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt, ist dabei aber gerade nicht von einer lediglich unterstützenden Teilnahmehandlung des Angeklagten, sondern von einer täterschaftlichen Begehung ausgegangen. So kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht zu milderen Strafen gelangt wäre. Dies gilt im Übrigen umso mehr, als die Kammer zudem - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - seiner Strafbemessung infolge fehlerhafter Anwendung des § 31 BtMG einen falschen Strafrahmen zugrunde gelegt hat.

Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 63

Bearbeiter: Karsten Gaede