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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 355

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 416/10, Beschluss v. 22.12.2010, HRRS 2011 Nr. 355


BGH 2 StR 416/10 - Beschluss vom 22. Dezember 2010 (LG Darmstadt)

Anordnung des Verfalls von Wertersatz (Ermessensmangel; Härtefallregelung); rechtsfehlerhafte Einziehung eines türkischen Führerscheins (Entzug der Fahrerlaubnis und Vermerk über die Entziehung der Fahrerlaubnis); keine Urkundenfälschung bei Kopien und Computerausdrucken.

§ 73c Satz 2 StGB; § 69 StGB; § 69a StGB; § 69b StGB; § 267 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Einem bloßen Computerausdruck kommt ebenso wie der Kopie oder der Abschrift keine Urkundsqualität zu.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 27. April 2010, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch

a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Verfall von Wertersatz in Höhe von 18.220 Euro angeordnet worden ist,

b) dahin geändert, dass die angeordnete Einziehung des Führerscheins entfällt.

2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil

a) soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Bestechung in 62 Fällen schuldig ist, und im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 3, 5, 7, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 59, 61, 65, 67, 69, 71, 75, 77, 79 und 83 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben;

b) soweit es den Mitangeklagten G. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Bestechlichkeit in 62 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 16 Fällen in Tateinheit mit Falschbeurkundung im Amt, sowie der Falschbeurkundung im Amt schuldig ist, und im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 4, 6, 8, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 62, 66, 68, 70, 72, 76, 78, 80 und 84 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen Bestechung in 12 Fällen zu einer Gesamtsfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten K. hat es wegen Bestechung in 62 Fällen, davon in 36 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat den Verfall von Wertersatz angeordnet, und zwar gegen den Angeklagten Y. in Höhe eines Betrages von 18.220 Euro und gegen den Angeklagten K. in Höhe eines Betrages von 110.700 Euro. Darüber hinaus hat es dem Angeklagten Y. die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der An 4 - geklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Die Schuldspruchänderung und Aufhebung zugunsten des Angeklagten K. erstreckt sich auf den nicht revidierenden Mitangeklagten G. (§ 357 StPO).

Im Übrigen sind die Revisionen als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. a) Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hinsichtlich des Angeklagten Y. hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Kammer hat sich bei Ausübung ihres Ermessens nach § 73c Satz 2 StGB nicht damit auseinandergesetzt, ob der Umstand, dass der Angeklagte den ganz überwiegenden Teil der erhaltenen Geldbeträge weitergeleitet hat, eine Herabsetzung des Verfallsbetrages gerechtfertigt hätte. Im Übrigen sind die Feststellungen zum tatsächlichen Erlös des Angeklagten insoweit widersprüchlich, als die Summe der Einzelerlöse einen Betrag von 1.620 Euro ergibt, während der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer glaubhaft angegeben hat, durch die Taten 4.200 Euro verdient zu haben (UA S. 67). Der Senat hat daher die Verfallsanordnung insgesamt aufgehoben.

b) Die angeordnete Einziehung des Führerscheins des Angeklagten Y. ist rechtsfehlerhaft. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 StGB vor, weshalb die Kammer dem Angeklagten die (türkische) Fahrerlaubnis entziehen und verbunden damit eine Sperrfrist bestimmen durfte (§§ 69, 69a StGB); dies auch vor dem Hintergrund, dass eine türkische Fahrerlaubnis nicht zum Führen eines Fahrzeugs im Inland berechtigt (vgl. BGHSt 44, 194, 195 f.).

Demgegenüber durfte der türkische Führerschein selbst nicht eingezogen werden (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB). An die Stelle der Einziehung tritt gemäß § 69b Abs. 2 Satz 2 StGB ein Vermerk über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Dauer der Sperre in dem ausländischen Führerschein.

Der Urteilstenor kann auch nicht im Zusammenhang mit den Urteilsgründen dahingehend verstanden werden, dass die Kammer nicht den türkischen Führerschein, sondern den im Rahmen der Fälle II. 104 und 105 der Urteilsgründe erlangten, rechtsungültigen deutschen Führerschein des Angeklagten einziehen wollte. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen nur ausgeführt, dass es "die türkische Fahrerlaubnis" entzieht und "den Führerschein" einzieht. Den rechtsungültigen deutschen Führerschein hat es nicht erwähnt. Auch hat die Kammer im Hinblick auf die Einziehung des Führerscheins auf die §§ 69, 69a StGB und nicht etwa auf § 74 StGB abgestellt. Im Übrigen hätte es der Einziehung des deutschen Führerscheines nicht bedurft, weil der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung auf die Herausgabe verzichtet hatte.

Der Senat hat den Maßregelausspruch entsprechend geändert.

2. Die tateinheitlich in 36 Fällen erfolgte Verurteilung des Angeklagten K. wegen Urkundenfälschung wird von den Feststellungen der Kammer nicht getragen. Danach hat der Angeklagte auf seinem heimischen Computer "gefälschte" ausländische EU-Führerscheine erstellt, indem er in eine vom Mitangeklagten G. überlassene Vorlage das Passbild und die Personaldaten des jeweiligen Interessenten eingetragen hat. Da der Angeklagte indes nur einen als Kopie deklarierten Ausdruck an den Angeklagten G. weitergegeben hat, erfüllt sein Vorgehen nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 StGB, da dem bloßen Ausdruck wie auch der Kopie oder der Abschrift keine Urkundsqualität zukommt (vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 267 Rn. 22).

Der Senat hat den Schuldspruch selbst geändert (§ 354 Abs. 1 StPO).

Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung im Ausspruch über die erkannten Einzelstrafen und über die (an sich angemessene) Gesamtstrafe, da die Kammer die tateinheitliche Verwirklichung des Tatbestands der Urkundenfälschung insoweit ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt hat.

3. Nach § 357 StPO erstreckt sich die Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung im Strafausspruch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten G., soweit er in 33 Fällen wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschung durch Gebrauchen der von K. überlassenen Computerausdrucken verurteilt worden ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 355

Bearbeiter: Karsten Gaede