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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 124

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 532/09, Beschluss v. 16.12.2009, HRRS 2010 Nr. 124


BGH 2 StR 532/09 - Beschluss vom 16. Dezember 2009 (LG Aachen)

Unzureichende Darlegung der konkreten Erfolgsaussicht bei der Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt; Verschlechterungsverbot.

§ 64 Satz 2 StGB; § 358 Abs. 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Wird der Maßregelausspruch aufgehoben und zu erneuten Beurteilung zurückverwiesen, liegt darin auch nicht deshalb ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 StPO, weil eine andere Strafkammer des Landgerichts von einer Maßnahme nach § 64 StGB absehen könnte und dem Angeklagten damit die Möglichkeit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB genommen wäre.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. Juli 2009 im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung der Maßregelanordnung, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB hat das Landgericht auf die Erwägung gestützt: "Anhaltspunkte dafür, dass eine Entziehungskur aussichtslos erscheint ... sind nicht erkennbar geworden". Dies ist rechtsfehlerhaft.

Nach § 64 Satz 2 StGB kommt es darauf an, ob eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel besteht. Hierzu finden sich im Urteil keine Feststellungen. Die erforderliche Erfolgsaussicht lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht sicher entnehmen. Eine früher durchgeführte einjährige Therapie hatte nur bis zum Jahre 2000 Erfolg; außerdem hat der Angeklagte nach einer ambulanten Therapie im Jahre 2003 seinen Alkoholkonsum nicht aufgegeben, sondern lediglich zeitweise eingeschränkt und danach wieder erheblich gesteigert. Der Angeklagte hat zwar angegeben, er habe ein Alkoholproblem, meint aber insoweit schon "sehr viel daran getan" zu haben (UA 42), was - auch unter Berücksichtigung der gescheiterten Therapieversuche - gegen einen Therapiewillen sprechen könnte.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs und insoweit zur Zurückverweisung. Entgegen der Auffassung der Revision liegt hierin kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 StPO, weil eine andere Strafkammer des Landgerichts von einer Maßnahme nach § 64 StGB absehen könnte und dem Angeklagten damit die Möglichkeit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB genommen wäre. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist gemäß § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO vom Verbot der Schlechterstellung ausgenommen (vgl. KK-Kuckein StPO 2008 § 358 Rdn. 24). Die mögliche Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB stellt lediglich eine gesetzliche Folge der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB dar und setzt diese voraus.

Dem entsprechend kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte durch die denkbare Nichtanwendung der Vollstreckungsregeln des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB beschwert sein kann (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - 5 StR 624/07).

Der Senat kann im Übrigen ausschließen, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung der Freiheitsstrafe ausgewirkt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 124

Bearbeiter: Karsten Gaede