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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 410

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 107/07, Beschluss v. 21.03.2007, HRRS 2007 Nr. 410


BGH 2 ARs 107/07 / 2 AR 51/07 - Beschluss vom 21. März 2007

Übertragung einer Sache an ein anderes Gericht (rechtliche Verhinderung; Besorgnis der Befangenheit aller Richter eines Gerichts); Beleidigung eines Richters.

§ 15 StPO; § 185 StGB

Entscheidungstenor

Die Übertragung der Sache an ein Landgericht außerhalb Hamburgs wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antragsteller, ein Hamburger Rechtsanwalt, ist vom Amtsgericht Hamburg wegen Beleidigung eines Vorsitzenden Richters am Landgericht Hamburg zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Grund für diese Verurteilung ist, dass der Antragsteller dem Vorsitzenden Richter am Landgericht in einer beim Präsidenten des Landgerichts erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde vorgeworfen hatte, "deutsche Volksgenossengerichtsbarkeit" zu betreiben. Dies war für den Präsidenten des Landgerichts Anlass, einen Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen.

Mit Einlegung der Berufung hat der angeklagte Rechtsanwalt alle Richter des Landgerichts Hamburg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und beantragt, die Durchführung der Berufung gemäß § 15 StPO einem Gericht außerhalb von Hamburg zu übertragen, weil ihn in Hamburg kein faires Verfahren erwarte.

2. a) Der Bundesgerichtshof ist für die beantragte Entscheidung zuständig. Das gemäß § 15 StPO "zunächst obere" Gericht kann die Sache nur einem Gericht übertragen, das seinem Bezirk angehört. Soll - wie hier - ein Landgericht außerhalb des Bezirks des übergeordneten Oberlandesgerichts gewählt werden, so muss das Gericht entscheiden, das sowohl dem verhinderten wie auch dem zu beauftragenden Gericht übergeordnet ist, mithin der Bundesgerichtshof (BGHSt 16, 84).

b) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 5. März 2007 u. a. ausgeführt:

"Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Strafsache an ein Landgericht außerhalb Hamburgs gemäß § 15 StPO liegen nicht vor. Das Landgericht Hamburg ist rechtlich nicht verhindert, die Berufung durchzuführen. Ein Fall der rechtlichen Verhinderung liegt nur vor, wenn so viele Richter - einschließlich ihrer Vertreter - ausgeschlossen (§ 22 StPO) oder abgelehnt (§ 24 StPO) und die Ablehnungen für begründet erklärt worden sind (§ 28 Abs. 1 StPO), dass das Gericht nicht mehr ordnungsgemäß besetzt (§ 27 Abs. 4 StPO) werden kann. Die Gefahr allein, dass das gesamte Gericht voreingenommen sei, genügt nicht (Löwe-Rosenberg StPO 11. Auflage § 15 Rdn. 5; Pfeiffer in KK StPO 5. Auflage § 15 Rdn. 3). Die Richter der zuständigen kleinen Strafkammer des Landgerichts Hamburg und ihre Vertreter sowie sämtliche weiteren Richter beim Landgericht Hamburg sind bislang nicht erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Abgesehen davon, dass nur einzelne Richter oder einzelne Mitglieder eines Gerichts, nicht ein Kollegialgericht als Ganzes oder sämtliche Richter eines Gerichts abgelehnt werden können (Meyer-Goßner StPO 49. Auflage § 24 Rdn. 3) ist ein Ablehnungsgrund für die Richter des Landgerichts Hamburg aber auch nicht ersichtlich. Allein dienstliche Beziehungen der Richter zu dem Verletzten lassen keine Voreingenommenheit besorgen (Meyer-Goßner StPO 49. Auflage § 24 Rdn. 10).

Für eine tatsächliche Verhinderung der zuständigen kleinen Strafkammer des Landgerichts Hamburg liegen keine Anhaltspunkte vor. Schließlich ist von der Durchführung der Verhandlung vor dem zuständigen Gericht in Hamburg eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht zu besorgen (§ 15 Hs. 2 StPO)."

Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 410

Externe Fundstellen: NStZ 2007, 475

Bearbeiter: Ulf Buermeyer