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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 84

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 531/07, Beschluss v. 09.01.2008, HRRS 2008 Nr. 84


BGH 2 StR 531/07 - Beschluss vom 9. Januar 2008 (LG Mühlhausen)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Rauschmittelkauf teils zum Weiterverkauf und teils zum Eigenverbrauch); Zweifelssatz; in dubio pro reo.

§ 29 BtMG; § 29a BtMG; § 261 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Hat ein Täter Rauschmittel in einem Vorgang teils zum Weiterverkauf und teils zum Eigenverbrauch erworben, darf der Tatrichter ebenso wie bei der Einfuhr von nur teilweise zum Handeltreiben bestimmten Drogen wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei der rechtlichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen lassen, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war. Er muss dies feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen. Die rechtliche Einordnung solcher Erwerbsvorgänge richtet sich dann nach den jeweiligen Einzelmengen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 30. Juli 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten "des gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen, davon in 27 Fällen mit einer nicht geringen Menge und davon in 13 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" schuldig gesprochen. Unter Einbeziehung der Strafe aus einem amtsgerichtlichen Urteil hat es ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten sowie einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und hat darüber hinaus den Verfall eines Betrages von 3.637,34 € angeordnet. Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Urteils.

1. Die getroffenen Feststellungen lassen in keinem Fall erkennen, welchen Schuldumfang das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat und in welchen Fällen überhaupt eine nicht geringe Menge Gegenstand des Handeltreibens bzw. der Einfuhr war. Die Strafkammer teilt mit, dass der Angeklagte sowohl Heroin als auch Kokain gleichzeitig sowohl zum Eigenkonsum (und zwar in erster Linie - UA 10) als auch zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hat. Nicht nachvollziehbar sind die Feststellungen, wonach der Angeklagte in den Fällen 1-4 wöchentlich zwischen 7 und 20 g Heroin erworben, davon aber bis zu 5 g täglich verbraucht und den Rest gewinnbringend veräußert haben soll. Auch in den sonstigen Fällen, die den Erwerb bzw. die Einfuhr von durchschnittlich 30 g Heroin wöchentlich zum Gegenstand haben, wird nicht deutlich, welche Menge zum Handeltreiben und welche zum Eigenkonsum bestimmt war, zumal die Kammer mitteilt, der Drogenkonsum des Angeklagten habe in diesem Zeitraum noch zugenommen. Hat jedoch ein Täter Rauschmittel in einem Vorgang teils zum Weiterverkauf und teils zum Eigenverbrauch erworben, darf der Tatrichter ebenso wie bei der Einfuhr von nur teilweise zum Handeltreiben bestimmten Drogen wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei der rechtlichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen lassen, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war. Er muss dies feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen (Winkler NStZ 2001, 303). Die rechtliche Einordnung solcher Erwerbsvorgänge richtet sich sodann nach den jeweiligen Einzelmengen (vgl. dazu BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5).

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Aufgrund des festgestellten starken Drogenkonsums des Angeklagten und seiner einschlägigen Vorverurteilung besteht Anlass, unter Beiziehung eines Sachverständigen das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten und gegebenenfalls die Verhängung einer Maßregel nach § 64 StGB zu prüfen.

b) Bei der Bildung mehrerer Gesamtstrafen muss aus der Urteilsformel erkennbar sein, für welche der Taten die einzelnen Rechtsfolgen festgesetzt sind (Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen 27. Aufl. Rdn. 83).

c) Sollte das Landgericht erneut besonders schwere Fälle des Handeltreibens nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG annehmen, ist das Regelbeispiel gewerbsmäßiger Tatbegehung nicht in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, kommt der Strafzumessungsregel des § 29 Abs. 3 BtMG und dem in ihr genannten Regelbeispiel "gewerbsmäßigen" Handels keine Bedeutung zu.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 84

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 153; StV 2008, 581

Bearbeiter: Ulf Buermeyer