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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 146

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 388/06, Beschluss v. 17.11.2006, HRRS 2007 Nr. 146


BGH 2 StR 388/06 - Beschluss vom 17. November 2006 (LG Wiesbaden)

Betrug (Vermögensverlust großen Ausmaßes; besonders schwerer Fall); Strafzumessung (Doppelverwertungsverbot).

§ 263 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Regelbeispiel des "Vermögensverlustes großen Ausmaßes" beim Betrug in einem besonders schweren Fall ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Ein Vermögensverlust ist danach jedenfalls dann nicht von "großem Ausmaß", wenn er den Wert von 50.000 Euro nicht erreicht.

2. Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes liegt bei einer bloßen Vermögensgefährdung nicht vor. Ist es nicht zu einem endgültigen Schaden gekommen, so kann lediglich im Hinblick auf die übrigen Umstände der Tat die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles in Betracht kommen.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 4. April 2006, auch soweit es die Angeklagten K. und S. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten, auch die nicht revidierenden Angeklagten K. und S., wegen "gemeinschaftlichen" versuchten Betruges in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (Angeklagter M.), von zwei Jahren und acht Monaten (die Angeklagten W. und W.-M.) sowie von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung (die Angeklagten K. und S.) verurteilt.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Revisionen haben mit den Sachrügen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht ist bei allen Angeklagten, auch den beiden nicht revidierenden, vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB ausgegangen, da die Taten, wenn sie zur Vollendung gelangt wären, jeweils zu einem Vermögensverlust großen Ausmaßes geführt hätten (UA S. 50). Von der Milderungsmöglichkeit wegen Versuchs (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB) hat der Tatrichter Gebrauch gemacht (UA S. 51).

Zutreffend weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass die Annahme eines besonders schweren Falles des Betrugs ohne Vornahme einer umfassenden Gesamtwürdigung rechtlichen Bedenken begegnet.

Er führt hierzu aus:

"Das Regelbeispiel des 'Vermögensverlustes großen Ausmaßes' ist nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen (BGHSt 48, 360, 362), ist jedenfalls dann nicht von 'großem Ausmaß', wenn es den Wert von 50.000 Euro nicht erreicht und liegt bei einer bloßen Vermögensgefährdung nicht vor; ist es nicht zu einem endgültigen Schaden gekommen, kann lediglich im Hinblick auf die übrigen Umstände der Tat die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles in Betracht kommen (vgl. BGHSt 48, 354, 359). Mit diesen Grundsätzen verträgt sich nicht die vom Landgericht eingenommene Sicht eines 'Versuchs eines besonders schweren Falles', wie ihn der Bundesgerichtshof bei anderen Delikten für möglich erachtet hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 46, Rdn. 101 m.w.N.). Würde schon die beabsichtigte Zufügung eines großen Vermögensverlustes, zu der der Täter angesetzt hat, ohne dass das Betrugsdelikt vollendet wäre, zur Annahme des Regelbeispiels führen, müsste es auch im Falle einer Vermögensgefährdung, die zur Annahme eines vollendeten Betruges führt, aber nach den Vorstellungen des Täters noch in einen endgültigen Vermögensschaden umschlagen soll, ohne weiteres ebenfalls gegeben sein. Das aber hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHSt 48, 354 gerade ausgeschlossen.

Der Rechtsfehler wirkt sich auch auf die anderen Angeklagten aus, die keine Revision eingelegt haben. Es ist - wie bei den revidierenden Angeklagten auch - nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffendem rechtlichem Ausgangspunkt das Vorliegen eines besonders schweren Falles abgelehnt oder lediglich unter Berücksichtigung weiterer bestimmender (und insoweit dann verbrauchter) Strafzumessungsgesichtspunkte einen solchen angenommen hätte und deshalb zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. Auf die nicht revidierenden Mitangeklagten ist die notwendige Aufhebung des Strafausspruchs und die daraus folgende Zurückverweisung deshalb zu erstrecken (§ 357 StPO)."

Dem schließt sich der Senat an. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 146

Externe Fundstellen: StV 2007, 132

Bearbeiter: Ulf Buermeyer