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HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 477

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 109/05, Beschluss v. 20.05.2005, HRRS 2005 Nr. 477


BGH 2 StR 109/05 - Beschluss vom 20. Mai 2005 (LG Fulda)

Tatmehrheit (unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs); räuberische Erpressung.

§ 53 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Fulda vom 12. November 2004 wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte P. wegen versuchter räuberischer Erpressung und der Angeklagte F. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub verurteilt wurden. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

2. Das genannte Urteil wird im Schuld- und Strafausspruch wie folgt neu gefaßt:

Die Angeklagten P. und F. sind der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Der Angeklagte P. wird zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, der Angeklagte F. zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Bei dem Angeklagten F. wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und den Mitangeklagten F. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub sowie wegen gefährlicher Körperverletzung jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Bei dem Angeklagten F. wurde die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte P. rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet insbesondere die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung. Der Mitangeklagte F. hat kein Rechtsmittel eingelegt.

Die Revision des Angeklagten P. führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen teilweisen Einstellung des Verfahrens und zur Änderung des Schuld- und Strafausspruchs für beide Angeklagte. Im übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Verurteilung des Angeklagten P. wegen versuchter räuberischer Erpressung zum Nachteil Marco R. und Anna E. hat keinen Bestand, weil diese Tat nicht angeklagt ist. Es fehlt daher an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung.

Die Staatsanwaltschaft Fu. legt den Angeklagten P. und F. in ihrer an das Amtsgericht B. gerichteten Anklage vom 19. Dezember 2003 eine am 15. August 2003 gegen 1.35 Uhr vor dem Anwesen U-straße 33 in B. begangene gemeinschaftlich und mit einem Gürtel mit Metallschnalle begangene gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Pascal R. zur Last. In ihrer Abschlußverfügung hat die Staatsanwaltschaft die Anklage gemäß § 154 Abs. 1 StPO auf diesen Tatvorwurf beschränkt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht B. stellte der Strafrichter fest, daß die Angeklagten vor der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil Pascal R. bereits vor dem Anwesen V-graben 2 versucht hatten, von dessen Bruder Marco R., der seine Freundin Anna E. nach Hause begleitete, die Herausgabe einer 50-Cent-Münze zu erreichen. Das Amtsgericht hat dies als versuchte räuberische Erpressung, bei dem Mitangeklagten F. in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub zum Nachteil Anna E., gewertet und die Sache deshalb gemäß § 270 StPO an das Landgericht Fulda verwiesen.

Dieser Verweisungsbeschluß hat zwar die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses (§ 270 Abs. 3 Satz 1 StPO), er kann jedoch die notwendige Anklage nicht ersetzen. Hieran fehlt es, weil der Anklagevorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil Pascal R. trotz der örtlichen und zeitlichen Nähe der beiden Vorfälle verfahrensrechtlich nicht dieselbe Tat ist wie die versuchte räuberische Erpressung und der erpresserische Menschenraub zum Nachteil Marco R. und Anna E. Sie bilden nach natürlicher Auffassung keinen einheitlichen Lebensvorgang. Die beiden Vorgänge sind innerlich nicht derart miteinander verknüpft, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der gefährlichen Körperverletzung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden kann, die zu den Handlungen geführt haben, die das Landgericht als versuchte räuberische Erpressung und erpresserischen Menschenraub gewertet hat. Ihre Aburteilung in verschiedenen Verfahren spaltet daher nicht einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich auf (st. Rspr. vgl. u.a. BGHSt 45, 211, 213; 47, 68, 82). Von dem tätlichen Angriff der beiden Angeklagten gegen Pascal R. waren die Tatopfer der versuchten räuberischen Erpressung bzw. des erpresserischen Menschenraubs nicht betroffen, auch haben die Angeklagten das anfangs verfolgte Ziel, eine 50-Cent-Münze zu erlangen, gegenüber Pascal R. nicht mehr weiterverfolgt.

Da es hinsichtlich des Schuldspruchs gegen den Angeklagten P. wegen versuchter räuberischer Erpressung an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklage fehlt, ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 206 a StPO). Bei dem Mitangeklagten F. fehlt diese Verfahrensvoraussetzung ebenfalls. Die Revision ist deshalb gemäß § 357 StPO auf diesen Angeklagten zu erstrecken (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 357 Rdn. 9 f. m.w.N.), soweit er wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub verurteilt wurde.

Die teilweise Einstellung des Verfahrens hat zur Folge, daß die Einzelfreiheitsstrafen für die hiervon erfaßten Taten von einem Jahr für den Angeklagten P. sowie einem Jahr und drei Monaten für den Angeklagten F. und die jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen entfallen. Es verbleibt deshalb bei den Einzelfreiheitsstrafen für die gefährliche Körperverletzung von einem Jahr und sechs Monaten für den Angeklagten P. sowie einem Jahr und drei Monaten für den Angeklagten F. Die Versagung von Strafaussetzung zur Bewährung für den Angeklagten P. hat ebenfalls Bestand, weil sich die Beschränkung des Schuldspruchs auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung auf die vom Landgericht rechtsfehlerfrei begründete ungünstige Sozialprognose nicht zugunsten des Angeklagten P. auswirkt. Die Freiheitsstrafe des Angeklagten F. bleibt zur Bewährung ausgesetzt, allerdings wird der Tatrichter zu prüfen haben, ob es bei dem bisherigen Bewährungsbeschluß sein Bewenden haben kann.

HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 477

Bearbeiter: Ulf Buermeyer