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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 874

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 232/04, Beschluss v. 15.09.2004, HRRS 2004 Nr. 874


BGH 2 StR 232/04 - Beschluss vom 15. September 2004 (LG Darmstadt)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nachholung von Verfahrensrügen, rechtliches Gehör).

Art. 103 Abs. 1 GG; § 44 StPO; § 344 Abs. 2 StPO; § 345 Abs. 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von (weiteren) Verfahrensrügen kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, etwa wenn der Beschwerdeführer durch äußere Umstände oder Maßnahmen des Gerichts gehindert worden ist, Verfahrensrügen innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend zu machen.

Entscheidungstenor

1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. Januar 2004 zu gewähren, soweit sie von Rechtsanwalt K. mit Schriftsätzen vom 9. April 2004 und vom 10. April 2004 begründet wurde, wird zurückgewiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die Urteilsformel dahin präzisiert wird, daß die sichergestellten 517 g "Speed" mit einem Anteil an Amphetaminbase von 19,8 % eingezogen werden.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen versuchten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und eines Handys Nokia angeordnet.

Der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt M. legte gegen das Urteil rechtzeitig Revision ein. Ihm wurde das Urteil am 25. Februar 2004 zugestellt; der Angeklagte erhielt eine Abschrift des Urteils mit dem Hinweis übersandt, daß die Zustellung an seinen Verteidiger erfolgt sei. Der Angeklagte beauftragte anschließend zusätzlich Rechtsanwalt K. mit der Revisionsbegründung.

Während der Pflichtverteidiger die Revision rechtzeitig mit der Sachrüge und zwei Verfahrensrügen begründete, ging der Wahlverteidiger irrtümlich davon aus, daß die Urteilszustellung am 10. März 2004 an den Angeklagten erfolgt sei; seine Revisionsbegründung ging am 9. und 13. April 2004 bei Gericht ein.

Der Generalbundesanwalt wies in seinem Antrag, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, darauf hin, daß die Revisionsbegründung von Rechtsanwalt K. erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen sei und die Verfahrensrügen deshalb nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Daraufhin hat Rechtsanwalt K. binnen Wochenfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu verwerfen.

Die Revision des Angeklagten ist vom Pflichtverteidiger form- und fristgerecht mit der Sachrüge und mit Verfahrensrügen begründet worden, die Revisionsbegründungsfrist ist nicht versäumt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von (weiteren) Verfahrensrügen kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerläßlich erscheint, etwa wenn der Beschwerdeführer durch äußere Umstände oder Maßnahmen des Gerichts gehindert worden ist, Verfahrensrügen innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend zu machen. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 7. März 2003 - 2 StR 475/02 und vom 7. Mai 2004 - 2 StR 458/03). Die Verfahrensrügen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt K. sind danach unzulässig erhoben.

III.

Die Revision des Angeklagten war als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Allerdings war die Urteilsformel um Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Februar 2004 - 3 StR 501/03). Der Senat hat die Bezeichnung nachgeholt, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergibt (vgl. BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand 2).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 874

Bearbeiter: Ulf Buermeyer