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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 870

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 173/04, Urteil v. 15.09.2004, HRRS 2004 Nr. 870


BGH 2 StR 173/04 - Urteil vom 15. September 2004 (LG Koblenz)

Zurückweisung eines Beweisantrages auf Hinzuziehung eines Sachverständigen (eigene Sachkunde); Aufklärungspflicht; Überzeugungsbildung; Beweiswürdigung; Urteilsgründe.

§ 244 Abs. 4 StPO; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Das Tatgericht hat nur dann Anlass, die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu prüfen, wenn Eigenart und besondere Gestaltung des Einzelfalles diese Beurteilung so erschweren, dass sie lediglich mit Hilfe einer Sachkunde vollzogen werden kann, die ein Richter normalerweise selbst dann nicht hat, wenn er über spezifische forensische Erfahrungen verfügt. Im Übrigen kann er darauf gerichtete Beweisanträge unter Hinweis auf eigene Sachkunde zurückweisen (§ 244 Abs. 4 StPO).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 3. Dezember 2003 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 22 Fällen, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 14 Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 202 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel ist unbegründet. Es bedarf lediglich folgender Ausführungen:

1. Der Tatrichter hat die Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers rechtsfehlerfrei unter Berufung auf seine eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) zurückgewiesen. Er durfte sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der in der Hauptverhandlung 19jährigen Belastungszeugin eigene Sachkunde zutrauen.

Das Tatgericht hat nur dann Anlaß zur Prüfung der Zuziehung eines Sachverständigen, wenn Eigenart und besondere Gestaltung des Einzelfalles die Beurteilung so erschweren, daß sie lediglich mit Hilfe einer Sachkunde vollzogen werden kann, die ein Richter normalerweise selbst dann nicht hat, wenn er über spezifische forensische Erfahrungen verfügt. Derartige Umstände werden vom Revisionsführer nicht vorgetragen und sind hier auch nicht ersichtlich.

2. Die Beweiswürdigung der Strafkammer ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat keine eigene Würdigung vorzunehmen, sondern seine Prüfung darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.). Derartige Rechtsfehler sind hier nicht gegeben.

Insbesondere drängte es sich nicht auf, den beherrschenden Umgang des Angeklagten mit der Nebenklägerin als mögliches Motiv einer Falschbelastung zu erörtern. Die Anzeigeerstattung erfolgte erst, als die Nebenklägerin bereits volljährig und beim Angeklagten, der ohnehin ein anderes - fernliegendes - Motiv für eine Falschbelastung durch das Tatopfer behauptete (UA S. 9), ausgezogen war (UA S. 8).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 870

Bearbeiter: Ulf Buermeyer