hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 78

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 387/03, Urteil v. 10.12.2003, HRRS 2004 Nr. 78


BGH 2 StR 387/03 - Urteil vom 10. Dezember 2003 (LG Koblenz)

Nichtvereidigung (Beruhen); Beweiswürdigung (Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage; Darstellung im Urteil).

§ 59 StPO; § 337 StPO; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Das Urteil beruht nicht auf einer fehlerhaft unterbliebenen Vereidigung, wenn der unvereidigt gebliebene Zeuge in den Urteilsgründen als glaubhaft bezeichnet wird.

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 3. April 2003 werden verworfen.

2. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer Rechtsmittel sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in vier Fällen, des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchter Nötigung freigesprochen. Die hiergegen gerichteten, auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revisionen der Nebenkläger sind unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 59 StPO durch Nichtvereidigung des Zeugen B. ist unbegründet. Das Urteil kann auf dem Unterlassen der Vereidigung nicht beruhen, denn das Landgericht hat die Aussage des Zeugen B. als glaubhaft angesehen (UA S. 15).

2. Auch die Sachrüge, die sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet, ist im Ergebnis unbegründet.

a) Die - allerdings sehr knappe - Darstellung der Anklagevorwürfe (UA S. 2) genügt im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Aussagen der beiden Nebenkläger (UA S. 11 bis 14) noch den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil. Feststellungen zum angeklagten Tatgeschehen konnte der Tatrichter ersichtlich nicht treffen.

b) Auch die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat die im einzelnen dargestellten Aussagen der beiden Kinder vor dem Hintergrund des Sorgerechtsstreits zwischen den Eltern und ihrer derzeitigen Lebenssituation für nicht glaubhaft gehalten; diese Bewertung hat es auf eine Vielzahl von Indizien gestützt, namentlich auf innere Widersprüchlichkeiten und die hohen Belastungstendenzen in beiden Aussagen, auf das Aussageverhalten beider Zeugen sowie auch darauf, daß den Angeklagten belastende Bekundungen der Nebenkläger durch Dritte nicht bestätigt worden sind (UA S. 11, 16). Diese Erwägungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

Soweit die Revision rügt, das Gutachten der Sachverständigen Dr. U. zur Glaubwürdigkeit der beiden Kinder sei in den Urteilsgründen nicht entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dargestellt, so greift dieser Einwand hier nicht durch. Das Landgericht hat in der Tat nur knapp zusammenfassend ausgeführt, nach dem Ergebnis des Gutachtens könne die Annahme, daß die Aussagen der Kinder nicht auf einem realen Erlebnishintergrund basierten, nicht ausgeschlossen werden. Dieses Ergebnis stimme mit der Beurteilung der Kammer überein; letztlich sei es auf die Bewertung durch die Sachverständige aber nicht angekommen, weil das Landgericht schon aufgrund eigener Bewertung der sonstigen Beweisergebnisse die Aussagen nicht für glaubhaft gehalten habe (UA S. 16). Da das Ergebnis des Gutachtens die Beurteilung des Landgerichts stützte, könnte auf seiner nicht hinreichenden Berücksichtigung das Ergebnis der Beweiswürdigung nicht beruhen.

Soweit die Revision rügt, es fehle eine hinreichende Darstellung der Aussagegenese, eine Konstanzanalyse sowie eine inhaltliche Qualitätsanalyse der Aussagen, findet dies in den Urteilsgründen keine Bestätigung. Das Landgericht hat sich mit der - von den Zeugen widersprüchlich geschilderten - Entstehung der Aussagen (UA S. 12, 14, 15), mit der Ausdehnung der Belastungen des Angeklagten (UA S. 15) sowie inhaltlichen Widersprüchen in hinreichender Weise auseinandergesetzt. Daß es bei der Bewertung des Aussageverhaltens der Nebenkläger übersehen haben könnte, daß es sich um entwicklungsgestörte Kinder handelte, deren Auftreten und Reaktionen in der Hauptverhandlung vor diesem Hintergrund zu beurteilen waren, kann ausgeschlossen werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 78

Bearbeiter: Ulf Buermeyer