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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 76

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 293/03, Urteil v. 26.11.2003, HRRS 2004 Nr. 76


BGH 2 StR 293/03 - Urteil vom 26. November 2003 (LG Köln)

Vergewaltigung (Freispruch aus tatsächlichen Gründen: Beweiswürdigung, Darstellung).

§ 177 Abs. 2 StGB; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10).

2. Dem Revisionsgericht ist durch die Darstellung im Urteil eine umfassende Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen. Dazu wird regelmäßig die Darstellung der Aussage des Opfers unerlässlich sein.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im übrigen wurde der Angeklagte freigesprochen; ihm waren insoweit drei Vergewaltigungen zum Nachteil der Nebenklägerin, die Opfer auch der Körperverletzungen war, vorgeworfen worden.

Gegen den Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin, die beide die Verletzung materiellen Rechtes rügen.

Die Rechtsmittel haben in vollem Umfang Erfolg; das angefochtene Urteil war aufzuheben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Das Urteil des Landgerichts leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.

1. Es wird bereits den formellen Anforderungen, die an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, nicht gerecht.

Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muß der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr. vgl. u.a. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10 m.w.N.).

Diese gebotene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht. Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn Feststellungen zum Tatgeschehen nicht möglich waren (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12). Daß hier keinerlei Feststellungen zu den Vergewaltigungsvorwürfen möglich waren, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Den äußerst knapp wiedergegebenen Tatvorwürfen läßt sich vielmehr entnehmen, daß die Vergewaltigungsvorwürfe in unmittelbarem Zusammenhang mit den unter II 1 und II 4 als Körperverletzungen abgeurteilten Fällen standen. Danach liegt nahe, daß Feststellungen insoweit möglich waren. Die Urteilgründe lassen jedoch noch nicht einmal erkennen, ob es zu den vorgeworfenen Tatzeiten zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und dem Opfer gekommen ist und ob nur die Frage der Freiwilligkeit streitig ist. Hinzu kommt hier noch, daß auch die gebotene Mitteilung der Einlassung des Angeklagten zu den Tatvorwürfen fehlt (vgl. hierzu u.a. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5 und 8).

2. Unerläßlich war im vorliegenden Fall auch die Darstellung der Opferaussage, um dem Revisionsgericht eine umfassende Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen.

Die Mitteilung des Tatrichters, die Schilderung der Zeugin sei, bis auf einige Widersprüche, jedenfalls im Kerngeschehen in sich schlüssig gewesen, so daß sich die von ihr geschilderten Taten tatsächlich so wie von ihr bekundet ereignet haben könnten, reicht hier nicht aus, zumal die Kammer der Zeugin insoweit - anders als bei den Körperverletzungsdelikten - gerade nicht geglaubt hat. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin war eine konkrete Darlegung der Aussage in ihrer Entstehung und ihrem wesentlichen Inhalt nach erforderlich. Dieser Pflicht konnte sich der Tatrichter nicht dadurch entziehen, daß er einige Argumente gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage im Hinblick auf die Vergewaltigungsvorwürfe angeführt hat. Denn diese stellen nur einen Ausschnitt aus der gebotenen Gesamtwürdigung dar. Eine umfassende Nachprüfung der Überzeugungsbildung ist so nicht möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 76

Bearbeiter: Ulf Buermeyer