Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 143/03, Beschluss v. 21.05.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 28. November 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilung in den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe wegen jeweils tateinheitlich begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt,
b) in den Einzelstrafen 1 bis 12 und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in 12 Fällen sowie wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen erweist es sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe jeweils auch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen verurteilt worden ist, steht der Verfolgung unter diesem Gesichtspunkt das Hindernis der Verjährung (§ 78 StGB) entgegen. Die sexuellen Mißbrauchstaten fanden im Herbst 1996 in einer Wohnung statt, die die Familie bis zum 30. November 1996 bewohnt hatte. Die Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch einer Schutzbefohlenen beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Zum Zeitpunkt der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung gemäß § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten am 4. Dezember 2001, war diese Frist verstrichen. Der Verjährung steht nicht entgegen, daß das Vergehen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB tateinheitlich mit sexuellen Mißbrauch von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung. Dementsprechend war der Schuldspruch abzuändern.
Die insoweit ausgeworfenen Einzelstrafen müssen neu bemessen werden.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich der Fehler in der Strafzumessung ausgewirkt hat, auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die strafschärfende Berücksichtigung verjährter Taten in eingeschränktem Maße möglich ist (§ 46 Abs. 2 Vorleben 11, 19, 10).
Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei bemessenen Einzelstrafen in den Fällen 14 und 15 der Urteilsgründe (Mißhandlung von Schutzbefohlenen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) bedarf es nicht. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 12 zieht jedoch die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Die Feststellungen zu den von der Aufhebung betroffenen Einzelstrafen und zur Gesamtstrafe sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben.
Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, daß strafschärfende Erwägungen wie jene des angefochtenen Urteils, der Angeklagte habe die Geschädigte als Sexualobjekt behandelt und die Straftaten stellten sich als systematische Übergriffe auf deren sexuelle Selbstbestimmung dar, im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) nicht unbedenklich sind (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4).
Bearbeiter: Ulf Buermeyer