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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 538/02, Urteil v. 19.02.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 538/02 - Urteil vom 19. Februar 2003 (LG Koblenz)

Strafzumessung (Milderung beim Versuch; Wertungsfehler des ausgebliebenen Rücktritts; Doppelverwertungsverbots).

§ 46 StGB; § 23 Abs. 2 StGB; § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 29. Juli 2002 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und das Tatmesser eingezogen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Revision ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Einer Erörterung bedarf auf die Sachrüge hin allein die Strafzumessung, die aber im Ergebnis ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist.

II. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung unter anderem ausgeführt: "Die Kammer hat dabei von der Milderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB Gebrauch gemacht, vor allem deshalb, weil das Tatopfer letztendlich durch die Tat keine erheblichen Verletzungen davongetragen hat."

Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer strafschärfend gewertet, daß der Angeklagte sein Tatopfer über einen längeren Zeitraum massiv gewürgt und dadurch in erhebliche Todesangst versetzt hat. Der Angeklagte hat sich auch nicht dadurch von der weiteren Tatausführung abbringen lassen, daß er das Opfer durch die Stichverletzung nicht tödlich getroffen oder zumindest kampfunfähig gemacht hat. Er hat vielmehr, und dies ist ein Indiz für seine erhebliche kriminelle Energie, über einen Zeitraum von mehr als zehn Minuten massiv sein Opfer gewürgt, um den Tatplan zu vollenden. Durch die Tatbegehung hat er darüber hinaus tateinheitlich eine gefährliche Körperverletzung verübt und zwar in den Tatbestandsalternativen 'mittels eines gefährlichen Werkzeugs' und 'mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung'." 1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß strafschärfend gewertet wurde, daß der Angeklagte sein Tatopfer über einen längeren Zeitraum massiv gewürgt und dadurch in erhebliche Todesangst versetzt hat. Diese Überlegung läßt einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht besorgen. Denn beide Umstände sind nicht tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes.

Daß der Tatrichter sie nicht schon als wesentliche versuchsbezogene Gesichtspunkte (Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie; vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12 m.w.N.) bei der Prüfung der von ihm nur unter Hinweis darauf, daß beim Opfer keine erheblichen Verletzungen eingetreten sind, bejahten Milderungsmöglichkeit gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB herangezogen hat, beschwert den Angeklagten nicht. Jedenfalls war ihre Berücksichtigung innerhalb des gewählten Strafrahmens zulässig.

2. Bei den weiteren Erwägungen des Tatrichters kommt es entscheidend darauf an, ob sie besorgen lassen, daß das Landgericht bei der Strafzumessung nicht nur die in der Tatausführung zum Ausdruck kommende Energie, insbesondere die Hartnäckigkeit bei der Durchführung des Tatplans berücksichtigt hat, sondern fehlerhaft dem Angeklagten zur Last legt, daß er die Straftat überhaupt begangen hat, anstatt davon Abstand zu nehmen (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14). Aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung der Strafzumessungserwägungen ist der Senat davon überzeugt, daß dem Angeklagten nicht rechtsfehlerhaft angelastet worden ist, daß er von seinem Tötungsvorhaben nicht zurückgetreten ist (vgl. auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 13). Denn der Tatrichter hat selbst ausdrücklich die Indizwirkung der Tatausführung für die erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten hervorgehoben. Von dem in Tateinheit verwirklichten vollendeten Delikt der gefährlichen Körperverletzung konnte der Angeklagte ohnehin nicht zurücktreten. Bei diesem vom Tatrichter sowohl in der Alternative "mittels eines gefährlichen Werkzeugs" (hinsichtlich des dem Würgen vorausgehenden Stichs mit einem Messer) als auch in der Alternative "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) bejahten Delikts durfte das nachhaltige Würgen ohnehin ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB als Modalität der Tatausführung berücksichtigt werden (vgl. u.a. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 1).

Die Revision des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Bearbeiter: Karsten Gaede