Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 410/02, Beschluss v. 04.12.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 16. April 2002 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und ihm im Wege des Adhäsionsverfahrens Schmerzensgeldzahlungen an zwei Nebenklägerinnen auferlegt. Seine hiergegen eingelegte, auf Verfahrens- und Sachrügen gestützte Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch, die Einzelstrafen sowie die Adhäsionsentscheidungen wendet.
Dagegen kann der Gesamtstrafenausspruch aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte im Jahr 1996 sowie im Januar und Februar 1999 jeweils rechtskräftig zu Geldstrafen, im Januar 2001 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die vom Landgericht abgeurteilten Taten beging der Angeklagte zwischen 1989 und März 1999. Der Tatrichter, der Feststellungen zur Erledigung der Vorstrafen nicht getroffen hat, hätte sich daher bei der Gesamtstrafenbildung mit den Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB, gegebenenfalls auch mit einer möglichen Zäsurwirkung früherer Verurteilungen auseinandersetzen müssen. Die Anwendung des § 55 ist zwingend und darf grundsätzlich nicht dem Beschlußverfahren nach § 460 StPO vorbehalten werden (BGHSt 12, 1, 5 f.; Senatsbeschl. v. 24. Januar 2001 - 2 StR 422/00; ständ. Rspr.; vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. Rdn. 34 f. m.w.N.).
Die vom Landgericht gemäß § 54 StGB vorgenommene Zusammenfassung der milden Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren auf die Gesamtstrafe von elf Jahren wäre grundsätzlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn sie im Ergebnis dem Gesamtschuldgehalt entspräche; aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen reicht zu ihrer Begründung der bloße Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift allerdings nicht aus. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der Gesamtstrafenbildung die hierbei zu berücksichtigenden Gründe und die Zumessungsmaßstäbe des § 54 Abs. 1 StGB zu erörtern und im Urteil genauer als bislang geschehen darzulegen.
Bearbeiter: Ulf Buermeyer