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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 302/02, Beschluss v. 15.11.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 302/02 - Beschluss vom 15. November 2002 (LG Frankfurt/Main)

Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe (Bestimmtheitsgrundsatz); Verschlechterungsverbot; kumulative Geldstrafe.

§ 43a StGB; § 41 StGB; § 358 Abs. 2 StGB; Art. 103 Abs. 2 GG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Wegen der Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95) entbehren Verurteilungen zu einer Vermögensstrafe nunmehr der rechtlichen Grundlage.

2. Die Vermögensstrafe ist gegenüber einer Freiheitsstrafe die mildere Sanktion. Wegen des revisionsrechtlichen Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) kann daher im Falle der allein zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision die vom Tatgericht ohne Berücksichtigung der Vermögensstrafe eigentlich für tat- und schuldangemessen erachtete Freiheitsstrafe nicht ohne weiteres an die Stelle der Vermögensstrafe treten. Vielmehr ist eine erneute tatrichterliche Strafzumessung erforderlich.

3. Bei der erneuten Strafzumessung ist namentlich die Möglichkeit einer Verurteilung zu einer kumulativen Geldstrafe gem. § 41 StGB zu prüfen, da sie ihrerseits gegenüber der Vermögensstrafe die mildere Sanktion darstellt, so dass das Verschlechterungsverbot nicht entgegensteht.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2001, soweit es ihn betrifft, jeweils im Einzelstrafausspruch im Fall IV 1 a und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben, soweit er zu einer Vermögensstrafe von 300.000 DM, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen "Führens" (gemeint ist Ausüben der tatsächlichen Gewalt) einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zu einer Vermögensstrafe von 300.000 DM, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zum Schuldspruch, zu den Aussprüchen über die Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Das Landgericht hatte den Angeklagten für schuldig befunden, mit ca. 350 kg Haschisch, die bei ihm sichergestellt wurden, Handel getrieben zu haben. Statt einer an sich für erforderlich und angemessen erachteten Einzelstrafe von sieben Jahren hat es eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Angeklagten eine Vermögensstrafe von 300.000 DM, ersatzweise für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bestimmt.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - (wistra 2002, 175) die Vorschrift des § 43a StGB als mit Artikel 103 Abs. 2 GG unvereinbar und deshalb gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG für nichtig erklärt. Die nach § 30c BtMG i. V. m. § 43a StGB angeordnete Vermögensstrafe muß danach entfallen, sie entbehrt nunmehr einer rechtlichen Grundlage. Einer Erhöhung der erkannten Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafe auf die vom Landgericht ohne die Anordnung der Vermögensstrafe für schuldangemessen erachteten Freiheitsstrafen steht das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO entgegen, denn gegenüber einer das Vermögen betreffenden Sanktion ist die Freiheitsstrafe die schwerere Rechtsfolge. Nach § 358 Abs. 2 StPO ist es nur zulässig, ein Ahndungsmittel durch ein anderes zu ersetzen, wenn dieses milder ist als jenes (BGHR StPO § 358 II Nachteil 8). Als eine solche mildere Sanktion kommt jedoch die Verhängung einer Geldstrafe nach § 41 StGB neben einer Freiheitsstrafe in Betracht (vgl. auch BGH NStZ-RR 2002, 206). Während die Vermögensstrafe, die sich als eine allein durch das Vermögen des Täters begrenzte Geldsummenstrafe darstellt, kommt einer kumulativen Geldstrafe nach § 41 StGB, die eine vorsätzliche Bereicherung durch die Tat, zumindest aber den Bereicherungsversuch voraussetzt und bis zu den Höchstgrenzen sowie nach den Zumessungsgrundsätzen des § 40 StGB als Teil der schuldangemessenen Strafe festzusetzen ist, ein solcher konfiskatorischer Charakter nicht zu (vgl. BGHSt 32, 60, 66 f.; BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 41 Rdn. 6 m.w.N.). Sie unterliegt engeren Voraussetzungen und ist von geringerer Eingriffsintensität als die Vermögensstrafe.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß in einer neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen für die Verhängung einer kumulativen Geldstrafe nach § 41 StGB festgestellt werden können, bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Prüfung.

Externe Fundstellen: NStZ 2003, 198

Bearbeiter: Ulf Buermeyer