Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 271/00, Beschluss v. 23.08.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 28. Februar 2000 -mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Verabredung eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Brandstiftung in zwei Fällen, Verabredung von Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen sowie wegen schweren Raubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Verfahrensrügen sind, soweit sie ordnungsgemäß erhoben sind, offensichtlich unbegründet. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Verabredung von Verbrechen sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte gemeinsam mit anderen italienischen Staatsangehörigen Ende 1992/Anfang 1993 verabredet, zukünftig Raubüberfälle auf Inhaber italienischer Lokale im nordhessischen Raum durchzuführen, um von diesen anschließend unter dem Eindruck des jeweiligen Tatgeschehens Schutzgeldzahlungen zu erpressen. Zwischen den Bandenmitgliedern wurden eine Gebietsaufteilung sowie eine gleichmäßige Verteilung der Taterlöse vereinbart. In Ausführung dieser Abrede schossen in den frühen Morgenstunden des 4. Juni 1993 mehrere Bandenmitglieder, unter ihnen der Angeklagte, mit einer Maschinenpistole von außen auf eine Pizzeria in Alsfeld. Das Opfer der geplanten Erpressung war zur Tatzeit nicht in dem Lokal anwesend. Zu einer Schutzgelderpressung kam es in der Folge nicht. Am 4. Januar 1994 gegen 2:00 Uhr schossen Mitglieder der Bande unter Beteiligung des Angeklagten mit einem Schrotgewehr "Pump Action" durch die Glasscheibe der Eingangstür einer anderen Pizzeria in Alsfeld. Das Landgericht ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß es in der Folgezeit zu einer Schutzgeldzahlung nicht gekommen sei.
2. Das Landgericht hat diese Handlungen jeweils als Verabredung zum Verbrechen einer schweren räuberischen Erpressung gemäß § 30 Abs. 2 StGB gewertet und insoweit auf Einzelstrafen von jeweils einem Jahr erkannt. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil der nach den bisherigen Feststellungen naheliegende Rücktritt von der Verbrechensverabredung nicht geprüft worden ist.
Dabei kann es dahinstehen, ob, was das Landgericht nicht erörtert, jedenfalls im zweiten Fall die Schwelle zum Versuch einer schweren räuberischen Erpressung schon überschritten war; hierauf könnte hindeuten, daß es hier nach der Formulierung der Urteilsfeststellungen zur Schutzgeldzahlung nicht kam, während im ersten Fall eine Schutzgelderpressung nicht erfolgte. Die Voraussetzungen für den Rücktritt von der Verbrechensverabredung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechen denjenigen des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB; in beiden Fällen wird der Täter straflos, wenn er die Tat verhindert. Die Verhinderung setzt zwar in der Regel ein aktives, auf Verhinderung der Tatvollendung abzielendes Verhalten des Täters voraus; bloßes Nicht Weiterhandeln reicht aber aus, wenn sämtliche Tatbeteiligte dahin übereinkommen, von der Tat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder von ihrer Vollendung (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) abzusehen (BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 1989, 317; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 24 Rdn. 25, § 31 Rdn. 5; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 16, jew. m.w.N.). Dies ist vorliegend jedenfalls nicht auszuschließen; zu den Gründen, aus welchen es nicht zur weiteren Umsetzung der Tatpläne gekommen ist, verhält sich das Urteil nicht. Der Schuldspruch war daher insoweit aufzuheben; damit unterliegt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe der Aufhebung.
3. Ein Freispruch durch den Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO kam nicht in Betracht, weil das Landgericht sich auf Grund des dargelegten Rechtsfehlers zu weiteren Feststellungen nicht veranlaßt gesehen hat und solche Feststellungen ohne weiteres möglich sind. Der neue Tatrichter wird sich insoweit auch mit dem Widerspruch zu beschäftigen haben, daß das Landgericht die Aussage des Zeugen G., des Inhaber der zweiten Pizzeria, er sei nie erpresst worden, als "eindeutig" unglaubhaft angesehen hat (UA S. 14), gleichwohl aber zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, eine Erpressung habe nicht stattgefunden. Auch im Fall des vollendeten schweren Raubes und der schweren räuberischen Erpressung zu Lasten des Eisdielenbesitzers M. hat dieser - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - unglaubhaft bestritten, jemals erpresst worden zu sein.
4. Den Umstand, daß die abgeurteilten Taten teilweise bereits mehr als sieben Jahre zurückliegen, wird der neue Tatrichter jedenfalls bei der Neuzumessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen haben.
Bearbeiter: Rocco Beck