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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 603/99, Beschluss v. 12.01.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 603/99 - Beschluß v. 12. Januar 2000 (LG Ulm/Donau)

Gewerbsmäßige Bandenhehlerei; Begriff der Bande; Mittäterschaft; Beweis der Tat; Beweiswürdigung; Überzeugungsbildung

§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 260a Abs. 1 StGB; § 261 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Annahme einer Bande im Sinne von § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260a Abs. 1 StGB reicht es aus, wenn sich unter Einschluß des Hehlers zumindest zwei Personen zu fortgesetzter Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung verbunden haben. Weder ist eine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder zur Begehung von Delikten der in § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260a Abs. 1 StGB aufgeführten Art noch die Bildung einer festgefügten Organisation rechtlich erforderlich; es genügt vielmehr die allgemeine Verbrechensabrede zwischen den Beteiligten, in Zukunft selbständige, im einzelnen noch unbestimmte Diebstähle oder Hehlereihandlungen zu begehen. Bei der Bandenhehlerei kommt es auch - anders als beim Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) - nicht auf die Mitwirkung mehrerer Bandenmitglieder am Tatort an (BGH NStZ 1995, 85). Die Kenntnis mehrerer oder gar sämtlicher Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe von der Bandenabrede ist nicht erforderlich, wenn der Täter diese nur mit einem anderen getroffen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 85; BGH NStZ 1996, 495 = BGHR StGB § 260a Bande 1; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.; Ruß in LK 11. Aufl. 260 Rdn. 3).

2. Ob die Voraussetzungen bandenmäßigen Handelns erfüllt sind, ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt vor allem der Eigenart der jeweiligen Tätergruppe Indizwert zu. Je stärker die Gefährlichkeit einer Tätergruppe durch die Zahl ihrer Mitglieder, durch deren Präsenz bei der Tatausführung oder durch organisatorische Stabilität hervortritt, desto geringer sind die Beweisanforderungen hinsichtlich des Bandenzwecks und der Bandenabrede (BGH NJW 1998, 2913 f.; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.).

3. Zu den Anforderungen an den Beweis der Eingliederung in eine Bande.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm (Donau) vom 20. August 1999

a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe jeweils mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei sowie uneidlicher Falschaussage zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten beanstandet die Anwendung des sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, weil bandenmäßiges Handeln des Angeklagten in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe nicht hinreichend dargetan ist; das führt zur Aufhebung des Urteils in diesen Fällen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nebst den zugehörigen Feststellungen. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen kam der Angeklagte im Jahr 1996 mit einer polnischen Tätergruppierung in Kontakt, die gestohlene Mercedes Benz Fahrzeuge als Dubletten von preisgünstig aufgekauften Unfallfahrzeugen herrichtete und ins Ausland verbrachte. Die in Polen lebenden Anführer der Tätergruppierung, R. und L. erteilten innerhalb des hierarchischen Aufbaus der Gruppierung die Aufträge und übten dergestalt Druck auf die Mitglieder aus, daß sie ihnen für den Fall des Ausstiegs Gefahren für Leib und Leben androhten. Der Angeklagte hatte die Aufgabe, einzelne gestohlene Pkw's zu übernehmen und diese "eigenverantwortlich" im Ausland abzusetzen.

Das Landgericht meint, der Angeklagte habe sich in die Tätergruppierung eingegliedert. Es ist der Überzeugung und hat deshalb weiter festgestellt, zwischen der Tätergruppierung und dem Angeklagten sei eine längere Zusammenarbeit geplant gewesen. In Ausführung dieser Verabredung sei es mindestens zu zwei Taten gekommen. Die erste beging der Angeklagte zwischen Mai und Oktober 1995 (Fall 1), die zweite im Sommer 1996 (Fall 2). Mitglieder der Tätergruppierung übergaben jeweils das entwendete Fahrzeug dem Angeklagten zur Weiterveräußerung. Dieser leitete die Verschiffung in die Wege.

II.

Die Revision beanstandet mit Recht, daß den Urteilsgründen in den Fällen 1 und 2 die für den Tatbestand der Bandenhehlerei erforderliche Bandenabrede nicht hinreichend zu entnehmen ist.

1. Für die Annahme einer Bande im Sinne von § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260a Abs. 1 StGB reicht es aus, wenn sich unter Einschluß des Hehlers zumindest zwei Personen zu fortgesetzter Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung verbunden haben. Weder ist eine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder zur Begehung von Delikten der in § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260a Abs. 1 StGB aufgeführten Art noch die Bildung einer festgefügten Organisation rechtlich erforderlich; es genügt vielmehr die allgemeine Verbrechensabrede zwischen den Beteiligten, in Zukunft selbständige, im einzelnen noch unbestimmte Diebstähle oder Hehlereihandlungen zu begehen. Bei der Bandenhehlerei kommt es auch -anders als beim Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) - nicht auf die Mitwirkung mehrerer Bandenmitglieder am Tatort an (BGH NStZ 1995, 85). Die Kenntnis mehrerer oder gar sämtlicher Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe von der Bandenabrede ist nicht erforderlich, wenn der Täter diese nur mit einem anderen getroffen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 85; BGH NStZ 1996, 495 = BGHR StGB § 260a Bande 1; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.; Ruß in LK 11. Aufl. 260 Rdn. 3). Ob die Voraussetzungen bandenmäßigen Handelns erfüllt sind, ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt vor allem der Eigenart der jeweiligen Tätergruppe Indizwert zu. Je stärker die Gefährlichkeit einer Tätergruppe durch die Zahl ihrer Mitglieder, durch deren Präsenz bei der Tatausführung oder durch organisatorische Stabilität hervortritt, desto geringer sind die Beweisanforderungen hinsichtlich des Bandenzwecks und der Bandenabrede (BGH NJW 1998, 2913 f.; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.).

2. Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.

Das Landgericht hat zwar festgestellt, der Angeklagte habe sich "dergestalt" in die Tätergruppierung eingegliedert, daß er die Aufgabe übernahm, einzelne gestohlene Pkw "eigenverantwortlich" im Ausland abzusetzen. Zwischen der Gruppierung und ihm sei eine längere Zusammenarbeit geplant gewesen; in Ausführung dieser Vereinbarung sei es zumindest - im Abstand von etwa einem Jahr - zu den zwei dargestellten Hehlereitaten gekommen. Feststellungen zur näheren Ausgestaltung der Bandenabrede und zum Fluß der Erlöse sind indessen nicht getroffen. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, kamen als weitere Beweisanzeichen allenfalls noch die folgenden Umstände in Betracht: Ein Mitglied der Diebesbande war auf die Fahrzeugidentifizierungsnummer eines früher vom Angeklagten exportierten Fahrzeuges "aufmerksam" geworden; die Gruppierung hatte danach diese Nummer für eine sog. Fahrzeugdublettierung verwandt. Der Grund für diese Kenntniserlangung ist offen. Schließlich hatte der Zeuge S. Mitglied der Diebesbande, bekundet, man habe sich innerhalb der Gruppierung erzählt, der Organisation stehe auch ein "chinesischer Abnehmer" zur Verfügung; außer dem Angeklagten habe er indessen bei seiner Tätigkeit niemanden chinesischer Abstammung kennengelernt. An anderer Stelle hebt das Landgericht hervor, der Angeklagte habe in den Jahren 1994/95 elf Schließanlagen für Mercedes Benz-Pkw erworben. Die vom Angeklagten dafür gegebene Erklärung erachtet es für "wenig überzeugend"; zum Zweck dieses Erwerbs sind Feststellungen nicht getroffen.

Die lediglich zwei festgestellten Hehlereihandlungen im Verlaufe etwa eines Jahres und der Umstand, daß der Angeklagte die Fahrzeuge "eigenverantwortlich" absetzte, sprechen hier eher für eine bloße Zusammenarbeit zwischen der Diebesbande einerseits und dem Angeklagten andererseits von Fall zu Fall. Ein dauerhaftes, bandenmäßiges Zusammenwirken ist dadurch nicht hinreichend belegt. Ob die genannten weiteren Beweisanzeichen die Annahme einer Bandenabrede tragen konnten, hätte der ausdrücklichen Würdigung bedurft; von selbst verstand sich das nicht, zumal es an anderen, für eine Bandenabrede typischen Indizien fehlt. Solche können sich aus näheren, Umständen der Planung und Vorbereitung, aber auch aus der Ausübung einer weiteren Kontrolle über die Hehlereihandlungen und eine Rechenschaftslegung des Hehlers ergeben. Nach allem bleibt zu besorgen, daß das Landgericht an den Nachweis der Bandenabrede zu geringe Anforderungen gestellt hat.

III.

1. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe. Von einer Änderung des Schuldspruchs dahin, daß der Angeklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen insoweit der gewerbsmäßigen Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig sei, sieht der Senat ab. Er schließt nicht aus, daß ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen zur Frage der Bandenhehlerei. (§ 260a StGB) treffen kann; diesem obliegt es zudem, die vorhandenen Beweisanzeichen auch unter dem Gesichtspunkt einer Bandenabrede zu würdigen.

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe zieht den Wegfall der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

Die Einzelstrafen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe haben hingegen Bestand. Der Senat schließt aus, daß deren Höhe von dem Rechtsfehler beeinflußt sein kann.

Externe Fundstellen: StV 2000, 259

Bearbeiter: Karsten Gaede