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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 528/99, Beschluss v. 19.10.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 528/99 - Beschluß v. 19. Oktober 1999 (LG Konstanz)

Schwerer Raub; Subjektiver Tatbestand; Tatbestandsirrtum

§ 250 StGB; § 249 StGB; § 16 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 8. Juli 1999, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil sich das Landgericht mit der Frage eines Tatbestandsirrtums des Angeklagten nicht auseinandergesetzt hat. Die getroffenen Feststellungen legen die Annahme nahe, daß der Angeklagte bei der gewaltsamen Wegnahme des Geldes die Vorstellung hatte, daß er und die weiteren Beteiligten, in deren Interesse er handelte, darauf insgesamt oder zumindest zu einem wesentlichen Teil einen Anspruch hätten.

Der Angeklagte, der anderweitig verurteilte M. und deren Bekannte hatten dem später Geschädigten G. Darlehen von zumindest 200.000 DM zur Verfügung gestellt. Daneben machte der Angeklagte H. für Arbeitsleistungen im Schmuckladen des Geschädigten den Betrag von 14.000 DM geltend; auch M. hatte erhebliche, nicht bezifferte Leistungen bei diesem Ausbau erbracht. In der Folge überwarfen sich die Beteiligten; G. ließ H. telefonisch wissen, er könne sein Geld abschreiben. M. und H. kamen auf die Idee, das Geld bei G. eintreiben zu lassen; dafür warben sie drei Kroaten an. In den Tagen zwischen dem 16. April und 19. April 1996 wurde H. und M. klar, daß sich G. mit dem Erlös aus einem Stoßbetrug durch den Ankauf von Schmuck nach Italien absetzen wollte. Darauf beschlossen sie, dem G. durch die Kroaten mit Gewalt jedenfalls so viel Geld abnehmen zu lassen, wie man ihm zur Verfügung gestellt hatte, zuzüglich 10 % dieses Betrages als Entlohnung für die Kroaten, was einen Betrag von mindestens 270.000 DM ausmachen sollte. Wenige Stunden vor dem geplanten Überfall übergab jedoch G. dem M. zu dessen Überraschung den Betrag von 343.000 DM. Mit diesem Geld wollte er den persönlichen Einsatz von H. und M. beim Ausbau des Ladens abgelten und die Geldbeträge zurückerstatten, die ihm als Darlehen zur Verfügung gestellt worden waren. M. ließ sich durch diese Zahlung von der geplanten Tat nicht abbringen; zu Gunsten des Angeklagten ist das Landgericht davon ausgegangen, daß er von dieser Zahlung nichts erfahren hatte. Die Kroaten überfielen G. und nahmen ihm 200.000 DM sowie Schmuck im Wert zwischen 30.000 und 40.000 DM ab; der Angeklagte erhielt aus der Beute 54.000 DM, genau den Betrag, der ihm zugestanden hatte.

Bei dieser Sachlage spricht zwar einiges dafür, daß nach dem. Plan G. mehr weggenommen werden sollte, als an Forderungen gegen ihn bestand; so hatten H. und M. keinen Anspruch auf das an die Kroaten zu zahlende Geld. Sicher läßt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen, weiche Forderungen M. , H. und die weiteren Beteiligten gegen G. hatten; so ist die Forderung M. aus seinen Arbeitsleistungen nicht beziffert. Dafür, daß die geschuldete Summe mehr als 270.000 DM betrug, könnte sprechen, daß G. freiwillig und ohne jede Drohung zur Abgeltung aller Ansprüche 343.000 DM bezahlt hat. Nahm aber H. noch bis zur Ausführung der Tat an, daß G. , jedenfalls nicht mehr weggenommen werden sollte als er schuldete, kommt ein Tatbestandsirrtum für ihn in Frage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs befindet sich der Täter, der irrtümlich annimmt, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum (BGHSt 17, 87, 91; BGH wistra 1987, 98; BGH NJW 1990, 2832).

Darin, daß das Landgericht darauf nicht eingegangen ist, liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils zwingt. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, daß dem Angeklagten selbst nur ein Betrag von 54.000 DM zustand. Der Plan der als Mittäter handelnden H. und M. ging dahin, gemeinsam für verschiedene Gläubiger jedenfalls im wesentlichen, möglicherweise auch insgesamt berechtigte Forderungen einzutreiben. Auch bei dieser Fallgestaltung kommt ein Tatbestandsirrtum in Frage.

Sollten die Täter ihre Forderungen nur zu einem wesentlichen Teil für berechtigt angesehen haben, bliebe zwar der Schuldspruch unberührt, doch würde sich der Schuldumfang verringern, was Auswirkungen auf den Strafausspruch haben könnte.

Externe Fundstellen: StV 2000, 78

Bearbeiter: Karsten Gaede