Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 347/99, Urteil v. 14.09.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 25. März 1999 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch diese Revision entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Nachdem der Senat mit Urteil vom 15. Dezember 1998 - 1 StR 576/98 einer früheren Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben hatte, verurteilte das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in einem Fall und mit Versuch dieses Vergehens in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Nach den bindend gewordenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 22. Mai 1998 war es der Angeklagte, der am 1. Juni 1997 gegen 23.15 Uhr einen Anschlag auf ein Anwesen in Memmingen verübte, in dem sich seine ehemalige Freundin, ihr neuer Freund, ihr Bruder und dessen Freundin aufhielten. Mit ihrer erneuten Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, macht die Staatsanwaltschaft geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts habe der Angeklagte die bei der Tat verwendeten Granaten, zwei aus dem Zweiten Weltkrieg stammende, nicht mehr funktionsfähige Nebelhandgranaten, für "scharfe" Stabhandgranaten gehalten. Ferner hätte erörtert werden müssen, daß - auch aus der Sicht des Angeklagten - das Einatmen von giftigem Rauch als Todesursache in Betracht kam. Er sei deshalb schuldig, tateinheitlich zusammentreffend mit dem Brandstiftungsdelikt des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, eines versuchten Verbrechens nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) und des versuchten Mordes in drei Fällen (damit, daß sich auch der neue Freund der Geschädigten im Tatanwesen aufhielt, rechnete er nach dem jetzt angefochtenen Urteil nicht). Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Hält das Gericht einen Anklagevorwurf nicht für erwiesen, so ist das grundsätzlich hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist namentlich der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (BGH NStZ 1983, 277, 278; StV 1994, 580). Einen Mangel in diesem Sinne weist das angefochtene Urteil nicht auf. Soweit die Strafkammer Zweifel an der Schuld des Angeklagten nicht hat überwinden können, beruht dies auf einer rechtsfehlerfreien Würdigung der von ihr erhobenen Beweise.
Zu den gegen die Entscheidung des Landgerichts erhobenen Einwänden ist zu bemerken:
Vergeblich rügt die Revision, das Gericht habe sich bei der Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte die in den Kellerraum geworfenen Nebelhandgranaten als solche erkannte oder sie irrtümlich für "scharf' hielt, nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß er die im Brandschutt aufgefundenen Granatenreste nicht nur bei seiner polizeilichen Vernehmung kurz zu Gesicht bekam (und sie spontan als Stabhandgranaten bezeichnete), sondern sie längere Zeit vor der Tat und bei deren Begehung in Besitz hatte. Zur weiteren Erörterung, er habe bei Tatbegehung die von ihm verwendeten Granaten für scharfe Granaten gehalten, zwang der längere Vorbesitz jedoch um so weniger, als das Landgericht feststellt, daß der Angeklagte, der sich intensiv mit der "Schatzsuche" nach Gegenständen aus dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte, sich im Laufe der Zeit Kenntnisse über die von ihm gefundenen Waffen angeeignet hatte. Soweit er angegeben hat, Nebelhandgranaten wegen ihrer charakteristischen Ausblasöffnungen zweifelsfrei von "scharfen" Stabhandgranaten unterscheiden zu können, wird dieses Unterscheidungsmerkmal von dem dazu gehörten Sachverständigen bestätigt. Es kommt hinzu, daß der Angeklagte seine Täterschaft bestritten hat, was zu erklären vermag, daß er bei der Polizei nicht bereit war, die Granaten "wiederzuerkennen".
Entgegen der Meinung der Revision war das Gericht auch nicht gehalten, die Frage zu erörtern, weshalb der Angeklagte zwei von ihm vermeintlich als nicht funktionsfähig erkannte Granaten in den Kellerraum warf, wo er doch einen wie auch immer gearteten Einfluß auf den Brand- oder Explosionsverlauf nicht erwarten konnte. Dieser Einwand läßt außer acht, daß er ebenfalls einen von ihm angezündeten Lappen in den Kellerraum warf, in den er Fahrbenzin gegossen hatte, wodurch er rasch ein starkes, selbständig weiterbrennendes Feuer verursachte, das auf das Gebäude übergriff. Im übrigen liegt nahe, daß sich das Verwenden von Handgranaten damit erklärte, das Tun des Angeklagten sei, wie die Strafkammer feststellt, darauf angelegt gewesen, durch ein seinem narzißtischen Wesen entsprechendes "Imponiergehabe" seine Freundin für sich zurückzugewinnen und auf sich aufmerksam zu machen.
Die Strafkammer stellt fest, der Angeklagte habe damit gerechnet, daß das von ihm gelegte Feuer - im Hinblick auf schwelende oder brennende Gummireifen - starken Rauch hervorrufen und dieser Rauch Hausbewohner verletzen könne. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht zu besorgen, das Gericht habe verkannt, daß in solchen Fällen Todesursache häufig nicht Verbrennen, sondern das Einatmen von giftigem Rauch ist. Die aufgeworfene Frage berührt nicht die Erwägungen, mit denen die Strafkammer darlegt, der bedingte Vorsatz des Angeklagten habe sich lediglich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen von Hausbewohnern erstreckt, nicht auch auf einen tödlichen Ausgang (vgl. auch BGHSt 36, 1, 15). Bei dieser Beurteilung stellt die Strafkammer rechtsfehlerfrei auf die Tatsache ab, daß zur Tatzeit in der Wohnung im ersten Stock des Anwesens, in der seine Freundin wohnte, noch Licht brannte. Aus diesem Grunde habe der Angeklagte damit rechnen können, daß der Brand, wie auch tatsächlich geschehen, sogleich entdeckt würde.
Die sachverständig beratene Strafkammer stellt fest, die Gasleitung, die in dem in Brand gesetzten Kellerraum verlief, sei "aus feuerfestem Stahlrohr" gefertigt gewesen, woraus sie den Schluß zieht, die Gasleitung habe durch die Brandstiftung nicht - mit der Folge einer Gasexplosion - eröffnet werden können. Dies steht nicht im Widerspruch zu der bindend gewordenen Feststellung des früheren Urteils des Landgerichts, durch das vom Angeklagten entfachte Feuer sei es zu "Beschädigungen der Gas- und Wasserleitungen" gekommen, die jedoch nicht zu einem Austritt von Gas geführt haben.
Auch sonst hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten oder, was gemäß § 301 StPO zu prüfen war, zu seinen Lasten aufgedeckt.
Bearbeiter: Karsten Gaede