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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 268/99, Urteil v. 31.08.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 268/99 - Urteil v. 31. August 1999 (LG Stuttgart)

Heranwachsende; Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht; Schwergewicht der Taten;

§ 105 JGG; § 32 JGG; § 29 BtMG;

Leitsatz des Bearbeiters

Zur Anwendung von Jugendstrafrecht bei tatmehrheitlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Teilweise Begehung im Alter von 21 Jahren).

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. Januar 1999 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 75 Fällen - teils als Mitglied einer Bande, teils in nicht geringen Mengen - zur Jugendstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der zulässig auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision gegen die Anwendung von Jugendrecht. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

Der Angeklagte hat die ersten elf Taten im Alter von 20 1/2 Jahren begangen, bei Begehung der übrigen Betäubungsmitteldelikte war er 21 Jahre alt.

a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei Begehung der Taten im heranwachsenden Alter noch einem Jugendlichen gleichgestanden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat alle hierfür bedeutsamen Umstände herangezogen und sie eingehend erörtert. Die Revisionsführerin möchte lediglich aus den gleichen Umständen andere Schlüsse auf die Reife des Angeklagten ziehen als der Tatrichter das getan hat.

b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei nach eingehender Prüfung das Schwergewicht bei den Straftaten gesehen, die der Angeklagte vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, und insoweit auch die Voraussetzungen des § 105 JGG bejaht. Danach mußte es die Taten des Angeklagten einheitlich nach Jugendstrafrecht beurteilen (§ 32 JGG). Die Beurteilung der Frage, wo das Schwergewicht der Taten liegt, die teils vor, teils nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen worden sind, ist im wesentlichen Tatfrage und daher grundsätzlich der Beurteilung durch das Revisionsgericht entzogen (BGH NStZ 1986, 219). Bei der Abwägung darf nicht allein auf die Zahl der Tathandlungen und ihren Unrechtsgehalt abgestellt werden. Es kommt vor allem auf die Ermittlung der Tatwurzeln und die Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten an. Ist eine nach dem 21. Lebensjahr begangene Straftat nur die Folge und der Ausfluß der früheren Taten, so kann daraus geschlossen werden" daß das Schwergewicht bei diesen liegt. Von diesen Grundsätzen ist die Jugendkammer ausgegangen. Da es sich um eine einheitliche Serie von Straftaten handelte, konnte die Ursache für die nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen weiteren Betäubungsmittelgeschäfte in dem Beginn der Serie im Heranwachsendenalter gesehen werden. Die Bandenabrede nach Vollendung des 21. Lebensjahres stellt im Tatsächlichen keine Zäsur dar; auch war der Angeklagte hier eher Mitläufer.

Auch im übrigen enthält das Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler.

Bearbeiter: Karsten Gaede