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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 579/96, Beschluss v. 25.03.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 579/96 - Beschluss vom 25. März 1997

BGHSt 43, 31; Kombination zwischen Teilaufhebung und Teilverwerfung durch Beschluss im Revisionsverfahren.

§ 349 Abs. 2, 4 StPO

Leitsatz

Die Kombination von (Teil-)Entscheidungen im Beschlussverfahren nach StPO § 349 Abs. 2 und 4 ist zulässig. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Gegenvorstellung des Angeklagten gegen den Senatsbeschluß vom 15. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zahlreicher Vergehen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zu der hiergegen angebrachten Revision des Angeklagten hat der Generalbundesanwalt beantragt, das Rechtsmittel durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Durch Beschluß vom 15. Oktober 1996 hat der Senat auf die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 4 StPO das Urteil im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen; im übrigen hat er die Revision - insoweit dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Mit seiner Gegenvorstellung beanstandet der Angeklagte das Beschlußverfahren unter gleichzeitiger Anwendung der Absätze 2 und 4 des § 349 StPO. Er hält dies für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 103 Abs. 1 GG; der Senat habe aufgrund Hauptverhandlung durch Urteil über die Revision entscheiden müssen.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

1. Die seit dem 1. April 1965 geltende Fassung des § 349 StPO beruht auf dem Strafprozeßänderungsgesetz vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I 1067), durch das die Beschlußverwerfung von Revisionen in § 349 Abs. 2 und 3 neu geregelt und das Beschlußverfahren zur Erledigung begründeter Revisionen in § 349 Abs. 4 eingeführt worden ist; die in § 349 Abs. 2 und 4 StPO geregelten Beschlußverfahren sollen gleichermaßen der Verfahrensvereinfachung und der Entlastung der Revisionsgerichte dienen (zur Entstehungsgeschichte vgl. Vogel, Probleme der Begründungspflicht von Revisionen in Strafsachen, die gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen werden, 1994 S. 23 ff. m.w.Nachw.). Von Anfang an haben die Revisionsgerichte im Beschlußverfahren § 349 Abs. 2 und 4 StPO kombiniert angewendet (vgl. OLG Hamburg NJW 1965, 2417 f.). Auch in der neueren Literatur wird die Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise nicht in Zweifel gezogen (vgl. Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß 5. Aufl. Rdn. 548, 559; Hanack in LR 24. Aufl. StPO § 349 Rdn. 38; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 42. Aufl. § 349 Rdn. 32; Meyer in LR 23. Aufl. StPO § 349 Rdn. 18, 31; Pikart in KK 3. Aufl. StPO § 349 Rdn. 38). Früher, insbesondere kurz nach Inkrafttreten der Neuregelung war dies - ohne nähere Erläuterung - zum Teil noch anders gesehen worden (vgl. Sax in KMR 6. Aufl. § 349 Anm. 3 e; Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG Nachtragsband I 1967 § 349 Rdn. 10). Das Bundesverfassungsgericht hält eine Beschlußentscheidung nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO für zulässig (BVerfGE 59, 98, 102). Das Beschlußverfahren mit kombinierter Anwendung von § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO entspricht der ständigen Praxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs.

2. Die Kombination von (Teil-)Entscheidungen nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO ist zulässig.

a) Zwar finden Teilentscheidungen in der Strafprozeßordnung nur selten Erwähnung; das Gesetz sieht sie jedoch vor.

aa) Dies gilt zunächst dort, wo Verfahren wegen mehrerer Taten im Interesse der Verfahrenswirtschaftlichkeit miteinander verbunden sind (§§ 2 bis 4 StPO). Eine Teilentscheidung kann hier zur Trennung der verbundenen Verfahren führen.

bb) Ebenfalls aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit ist dem Rechtsmittelführer gestattet, ein Urteil nur hinsichtlich eines Teils anzufechten, der einer gesonderten Beurteilung zugänglich ist. § 318 Satz 1 StPO erlaubt aus diesem Grund die Berufungsbeschränkung, § 344 Abs. 1 StPO die Beschränkung der Revision; diese Vorschriften sollen insbesondere die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch ermöglichen. Eine solche Beschränkung liegt zugleich im Interesse des Beschwerdeführers. Von ihm akzeptierte Teile des Urteils werden nicht erneut einer ihn möglicherweise belastenden Prüfung und Erörterung unterzogen.

Entsprechend gestattet es das Gesetz dem Revisionsgericht, ein insgesamt angefochtenes Urteil auf "die Revision" nur teilweise - etwa nur im Strafausspruch - aufzuheben (§ 353 Abs. 1 StPO). Hierdurch wird eine neue Prüfung eines rechtsfehlerfreien Teils des Urteils durch eine weitere Tatsacheninstanz vermieden.

b) Einer Teilverwerfung der Revision steht der Wortlaut des § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen. Auch durch eine derartige, auf Teile des angefochtenen Urteils, die einer gesonderten Beurteilung zugänglich sind, beschränkte Verwerfungsentscheidung wird begrifflich "die Revision" (teilweise) verworfen, nicht eine einzelne Rüge. Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, insbesondere den Gesetzesmaterialien ist ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drucks. IV/178 S. 43 f. und IV/1020 S. 6, 30, sowie Vogel aaO).

c) Rechtlich ohne Bedeutung ist es, daß das Gesetz eine Verbindung von Teilaufhebung eines Urteils und Verwerfung der Revision im übrigen im Beschlußwege nicht ausdrücklich vorsieht. Wortlaut und Sinn der in § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO getroffenen Regelung stehen einer derartigen Kombination nicht entgegen. Gibt das Gesetz dem Revisionsgericht die Befugnis, durch Beschluß "das angefochtene Urteil" aufzuheben oder "die Revision" zu verwerfen, so deckt dies auch die in beiden Richtungen weniger weitgehende Teilaufhebung und Teilverwerfung; die Kombination beider Teilentscheidungen dient der Verfahrenswirtschaftlichkeit, die ratio legis der Vorschriften ist. Die schutzwürdigen Interessen der Verfahrensbeteiligten werden durch die Verbindung von Teilaufhebung und Teilverwerfung im Beschlußwege in der gleichen Weise gewahrt, wie es einerseits für die Verwerfung vollen Umfangs, andererseits für die Aufhebung vollen Umfangs vorgeschrieben ist (OLG Hamburg aaO S. 2418).

Als Folge der kombinierten Anwendung von § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO ergibt sich aus der in § 349 Abs. 5 StPO getroffenen Regelung, daß auch das kombinierte Beschlußverfahren einer Entscheidung durch Urteil aufgrund einer Hauptverhandlung vorgeht.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 31; NJW 1997, 2061; NStZ 1999, 95

Bearbeiter: Rocco Beck