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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 483/95, Urteil v. 14.11.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 483/95 - Urteil vom 14. November 1995 (LG Stuttgart)

BGHSt 41, 315; Bildung einer Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung eines früheren Urteils (Tenorierung; zwingende Anrechnung einer bereits verbüßten Jugendstrafe).

§ 31 Abs. 2 JGG

Leitsatz des BGH

Wird gemäß § 31 Abs. 2 JGG unter Einbeziehung eines früheren Urteils einheitlich auf Jugendstrafe erkannt und hat der Angeklagte auf Grund des einbezogenen Urteils Jugendstrafe verbüßt, so ist die verbüßte Strafe kraft Gesetzes anzurechnen; eines Ausspruchs über die Anrechnung in der Urteilsformel bedarf es nicht. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. März 1995 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zahlreicher Fälle des (vollendeten und versuchten) schweren Raubes, des schweren Bandendiebstahls, des schweren räuberischen Diebstahls, des (vollendeten und versuchten) Diebstahls, des Diebstahls mit Waffen sowie des Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung (insgesamt 25 Taten) unter Einbeziehung zweier früherer Urteile zu der Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision hat keinen Erfolg.

1. Der Erörterung bedarf die Frage, ob das Landgericht bei Einbeziehung der früheren Urteile rechtsfehlerfrei vorgegangen ist. Der Generalbundesanwalt bezweifelt das; er meint, das Landgericht habe nicht die früheren Urteile, sondern nur die früheren Strafen einbezogen und damit § 31 Abs. 2 JGG verletzt (vgl. BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 2, 3, 7).

Der Senat teilt die Bedenken des Generalbundesanwalts nicht. Die einbezogenen Urteile lauteten auf sieben Monate Jugendstrafe wegen räuberischen Diebstahls u.a. und auf ein Jahr zehn Monate Jugendstrafe (unter Einbeziehung der erstgenannten Verurteilung) wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Landgericht teilt den jeweils abgeurteilten Sachverhalt mit. Im Rahmen der Strafzumessung erwähnt es die Einbeziehung und stellt im unmittelbaren Zusammenhang damit fest, "insgesamt" gesehen habe der Angeklagte, wie "aus alledem ersichtlich", ganz erhebliche Schwierigkeiten, sich den geltenden Regeln anzupassen usw.. Auch an anderer Stelle - bei der Frage, ob Jugendstrafe geboten sei - wird von den jetzt abzuurteilenden Straftaten "in Verbindung mit den bestehenden Vorverurteilungen" gesprochen. Das zeigt, daß die Jugendkammer die früheren Urteile einbezogen und eine neue umfassende Strafzumessung vorgenommen hat. Die Frage der Einbeziehung eingehender zu erörtern als geschehen, war angesichts des Verhältnisses zwischen alten und neuen Taten nicht geboten.

2. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen vermerkt, daß der Angeklagte von der erwähnten Jugendstrafe aus der einbezogenen Verurteilung (ein Jahr zehn Monate) einen Teil verbüßt hat. In der Urteilsformel ist dieser Umstand nicht erwähnt. Der Generalbundesanwalt hält dies für fehlerhaft.

Ihm ist zuzugeben, daß seit der Entscheidung BGHSt 16, 335, 336 die Auffassung herrscht, der verbüßte Teil der einbezogenen Strafe müsse im Urteilsspruch auf die neu verhängte Strafe angerechnet werden (vgl. Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG 2. Aufl. § 54 Rdn. 15 m.w.Nachw.). Doch verlangt der geltende Rechtszustand das nicht. § 31 Abs. 2 JGG räumt dem (neu erkennenden) Richter die Möglichkeit ein, bereits verbüßten Jugendarrest nicht anzurechnen, wenn er Jugendstrafe verhängt. Hinsichtlich bereits verbüßter Jugendstrafe besteht kein richterliches Ermessen; sie ist ungekürzt anzurechnen. Hier gilt nichts anderes als im Erwachsenenstrafrecht, wo § 51 Abs. 2 StGB die Anrechnung verbüßter Strafe regelt; diese Bestimmung ist - mangels anders lautender Vorschriften - auch auf Jugendstrafe anwendbar (§ 2 JGG; vgl. Dreher/Tröndle, StGB 47. Aufl. § 51 Rdn. 13).

Die Anrechnung bereits verbüßter Strafe bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung ist Sache der Strafvollstreckung und gehört nicht in die Urteilsformel. Das ist seit der Entscheidung BGHSt 21, 186 allgemeine Meinung und wurde durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts (damals § 60 Abs. 2 StGB, jetzt § 51 Abs. 2 StGB) bestätigt. Für nachträglich gebildete Einheitsjugendstrafe (§ 31 Abs. 2 JGG) gilt nichts anderes (so auch BGH, Beschl. vom 24. September 1991 - 1 StR 489/91).

Die Jugendkammer hat daher zu Recht im Urteilsspruch die bereits verbüßte Jugendstrafe unerwähnt gelassen. Der Senat sieht sich durch BGHSt 16, 335, 336 in seiner Entscheidung nicht gehindert. Die allgemeine Anrechnungsvorschrift des § 51 StGB (zunächst § 60 StGB) hat seither die Rechtslage verändert. Zudem war die Erwägung, die Anrechnung der verbüßten Jugendstrafe sei in den Urteilsspruch aufzunehmen, nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die auf BGHSt 16, 335, 336 Bezug nehmen (etwa BGH, Beschl. vom 12. Mai 1992 - 4 StR 189/92). Sachliche Bedeutung käme der Frage, ob die Anrechnung im Urteilsspruch angeordnet werden muß, ohnehin nur dann zu, wenn das Unterbleiben solcher Anordnung im einbeziehenden Urteil zur Folge hätte, daß nach eingetretener Rechtskraft die schon verbüßte Jugendstrafe nicht angerechnet werden dürfte; das kommt nicht in Betracht.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, daß er die tragende Erwägung der Entscheidung BGHSt 16, 335 - im Rahmen von § 31 Abs. 2 JGG sei nicht die (noch nicht verbüßte) frühere Strafe einzubeziehen, sondern für alle Straftaten eine einheitliche (neue) Rechtsfolge zuzumessen - uneingeschränkt teilt (vgl. etwa BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7).

Auch im übrigen hat die Prüfung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Externe Fundstellen: BGHSt 41, 315; NJW 1996, 865; NStZ 1996, 279; StV 1996, 274

Bearbeiter: Rocco Beck