Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 21/94, Urteil v. 22.03.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 14. Oktober 1993 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und mit besonders schwerer Brandstiftung (§ 307 Nr. 2 StGB) zu fünf Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte seine frühere Lebensgefährtin durch zur Explosion gebrachtes Gas "mitsamt ihrem Hähnchenwagen 'in die Luft jagen' und nahm dabei sowohl ihren Tod als auch die Inbrandsetzung des Wagens ... billigend in Kauf". Er wollte sie "heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln ... töten", wobei er "zumindest billigend in Kauf nahm", daß sie "zu Tode kommen könnte".
In Ausführung seines Planes öffnete der Angeklagte unbemerkt eine Verschlußkappe an der Propangasleitung, die in dem Hähnchengrill- und -verkaufsfahrzeug verlegt war. Als die Geschädigte mit dem Feuerzeug eine Grillflamme anzünden wollte, entstand eine Stichflamme, die zu einer Verpuffung des Gas-Luft-Gemischs führte. Die Geschädigte erlitt schwere Verbrennungen, das Fahrzeug brannte völlig aus.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß § 307 Nr. 2 StGB auch dann eingreift, wenn der Brand selbst Tötungsmittel ist (BGHSt 20, 246).
Entgegen der Auffassung der Revision ist das in Frage stehende Fahrzeug eine "Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient" (§ 306 Nr. 3 StGB). In dem Fahrzeug befindet sich ein Verkaufsraum, in dem die Grillgeräte stehen und von dem aus die Ware verkauft wird. Menschen halten sich hier nur zeitweise auf, eben zu den Verkaufszeiten. Mit einem Pkw, den der BGH nicht als Räumlichkeit im Sinne der genannten Bestimmung eingestuft hat (BGHSt 10, 208), ist das hier interessierende Fahrzeug nicht zu vergleichen.
Zu erörtern bleibt, ob auch der Täter "in der Absicht handelt, die Tat zur Begehung eines Mordes (§ 211) ... auszunutzen" (§ 307 Nr. 2 StGB), der im Hinblick sowohl auf die Inbrandsetzung als auch auf die Tötung des Opfers mit bedingtem Vorsatz handelt. Der Senat bejaht beide Fragen.
1. § 307 StGB bestraft "die schwere Brandstiftung (§ 306)" besonders schwer, ohne zu differenzieren, mit welcher Art Vorsatz der Täter gehandelt hat; daß schwere Brandstiftung mit bedingtem Vorsatz begangen werden kann, steht außer Frage. Die in § 307 Nr. 2 StGB genannte "Absicht" bezieht sich nicht auf die Brandstiftung, sondern auf die Ausführung der dort genannten Delikte. Häufig wird freilich, wer die Brandstiftung zur Begehung eines dieser Delikte ausnutzen will, das Feuer absichtlich oder jedenfalls mit direktem Vorsatz legen, damit ein entsprechender Tatplan mit Gewißheit verwirklicht werden kann.
Doch sind auch andere Fallgestaltungen denkbar. So kann der Täter - etwa - Feuer legen in der Absicht, unter Ausnutzung der Rauchentwicklung oder sonstiger mit der Brandlegung verbundener Umstände eine der in § 307 Nr. 2 StGB genannten Taten zu begehen, ohne sicher zu sein - ein solches Ergebnis aber billigend in Kauf nehmend -, daß das Gebäude (oder die Räumlichkeit) selbständig weiter brennt (vgl. - zu § 307 Nr. 1 StGB - BGHSt 7, 37). Ähnlich war es im vorliegenden Fall. Der Angeklagte führte die Gasexplosion herbei, um seine frühere Freundin heimtückisch schwer zu verletzen oder zu töten. Ob das sich entzündende Gas-Luft-Gemisch das Fahrzeug in Brand setzen würde, wußte er nicht sicher, nahm das aber billigend in Kauf. Der Senat sieht keinen Grund, § 307 Nr. 2 StGB auf einen solchen Fall nicht anzuwenden.
2. Ob Mord mit bedingtem Tötungsvorsatz für § 307 Nr. 2 StGB ausreicht, könnte dann zweifelhaft sein, wenn man die in dieser Bestimmung genannte "Absicht" unmittelbar auf den Morderfolg - den Tod - bezöge, also forderte, der Wille des Täters müsse auf diesen Erfolg als Ziel gerichtet sein, es müsse dem Täter auf diesen Erfolg ankommen.
Doch hält der Senat eine solche einengende Auslegung nicht für geboten.
Bis 1974 war § 307 Nr. 2 StGB erfüllt, wenn "die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen". Die heutige Fassung, beruhend auf dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl I 469), sollte, was den Mord angeht, keine sachliche Änderung bringen (vgl. BT-Drucks. 7/550 S. 264, 245, 7/1232 S. 63, 7/1261 S. 20).
Nach alter wie nach neuer Fassung bezog und bezieht sich die "Absicht" sprachlich nicht auf den jeweiligen Deliktserfolg, sondern auf die Begehung eines bestimmten - jetzt durch Angabe der Gesetzesbestimmung genau festgelegten - Straftatbestands. Nichts spricht dafür, von dem Straftatbestand "eines Mordes (§ 211)" sollten nur die Taten absichtlicher Tötung erfaßt werden, alles vielmehr dafür, es sei hiermit der Mord uneingeschränkt so gemeint, wie er vorkomme, also in jeglicher Vorsatzform, auch in der des bedingten Vorsatzes. Das ist auch sachlich gerechtfertigt. Ist § 211 StGB mit seiner schweren Straffolge, für sich gesehen, auch dann anzuwenden, wenn der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt, so besteht kein Grund, hiervon Abstriche zu machen, wenn § 211 StGB als qualifizierende Voraussetzung in § 307 Nr. 2 StGB genannt wird. Schließlich zeigt auch eine Gesamtbetrachtung von § 307 StGB keinen Wertungswiderspruch. Das Vorhaben, bedingt vorsätzlich zu morden, ist nicht geringer einzustufen als das Vorhaben von Raub, räuberischem Diebstahl, räuberischer Erpressung (§ 307 Nr. 2 StGB), auch nicht geringer als (vollendete) fahrlässig herbeigeführte Tötung (§ 307 Nr. 1 i.V.m. § 18 StGB) oder als Unbrauchbarmachung von Löschgerätschaften (§ 307 Nr. 3 StGB, wobei der Wortlaut nicht voraussetzt, daß diese Geräte im konkreten Fall benötigt wurden).
Die Entscheidung BGHSt 20, 230 steht nicht entgegen; die Sachverhalte unterscheiden sich wesentlich.
Auch im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Externe Fundstellen: BGHSt 40, 106; NJW 1994, 2102; NStZ 1994, 486; NStZ 1994, 487; StV 1995, 134
Bearbeiter: Rocco Beck