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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1073

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 90/25, Beschluss v. 05.08.2025, HRRS 2025 Nr. 1073


BGH 1 StR 90/25 - Beschluss vom 5. August 2025 (LG Saarbrücken)

Verbot der Schlechterstellung.

§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Oktober 2024 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen in zehn Fällen verurteilt worden sind; insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen,

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte R. wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und die Angeklagte G. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen verurteilt sind,

bb) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,

c) die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte die Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen (Angeklagter R.) bzw. der Beihilfe hierzu in 16 Fällen (Angeklagte G.) zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und vier Monaten bzw. einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der zuletzt genannten Strafe hatte es zur Bewährung ausgesetzt.

Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hatte der Senat mit Urteil vom 6. März 2024 (1 StR 308/23) das Urteil des Landgerichts vom 8. März 2023 wegen einer fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung und eines Verstoßes gegen die Kognitionspflicht mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch die Feststellungen betreffend die Schuldsprüche wegen der Steuerdelikte sowie die Hinterziehungsbeträge und die subjektive Tatseite aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung hatte er die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Das Landgericht hat die Angeklagten im zweiten Rechtsgang wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und Fälschung technischer Aufzeichnungen in zehn Fällen (Angeklagter R.) bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen und Fälschung technischer Aufzeichnungen in zehn Fällen (Angeklagte G.) zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und vier Monaten bzw. zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagten wenden sich mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Die Rechtsmittel führen zur teilweisen Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO. Sie haben darüber hinaus den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren ein, soweit die Angeklagten jeweils wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen in zehn Fällen verurteilt worden sind (§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO). Die Teileinstellung des Verfahrens ist aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung einer erneuten Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht geboten. Der Schuldspruch ist insoweit von den rudimentären Feststellungen im zweiten Rechtsgang nicht gedeckt. Entgegen der Annahme des Landgerichts hatte der Senat mit Urteil vom 6. März 2024 (1 StR 308/23) lediglich die Feststellungen betreffend die Schuldsprüche wegen der Steuerdelikte und die Hinterziehungsbeträge sowie die subjektive Tatseite hierzu aufrechterhalten. Soweit das Landgericht im ersten Rechtsgang Feststellungen zu den Manipulationsvorgängen u.ä. getroffen hatte, hatte der Senat diese aufgehoben (vgl. Rn. 24 des Urteils vom 6. März 2024).

2. Die Teileinstellung führt zu einer Anpassung der Schuldsprüche und zum Wegfall der hinsichtlich der Urkundsdelikte jeweils festgesetzten zehn Einzelgeld- bzw. freiheitsstrafen. Dies bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die für die Fälschung technischer Aufzeichnungen verhängten Einzelgeld- bzw. freiheitsstrafen jeweils niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen festgesetzt hätte.

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Gesamtstrafenaussprüchen sind aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.

3. Hingegen erweisen sich die im zweiten Rechtsgang hinsichtlich der Steuerdelikte festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen - entgegen der Ansicht der Verteidigung - nicht als rechtsfehlerhaft. Mit Blick darauf, dass der Senat das landgerichtliche Urteil des ersten Rechtsgangs auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft auch zu Lasten der Angeklagten aufgehoben hatte, war das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) im zweiten Rechtsgang nicht zu beachten. Ein konkreter Vergleich der jeweils festgesetzten Einzelstrafen verbietet sich schon deshalb, weil das Landgericht nach Maßgabe des Urteils des Senats vom 6. März 2024 (1 StR 308/23 Rn. 10 ff.) eine gegenüber dem ersten Rechtsgang abweichende konkurrenzrechtliche Wertung vorgenommen hat. Die im zweiten Rechtsgang für die jeweils denselben Besteuerungszeitraum betreffenden, tateinheitlich verwirklichten drei Steuerdelikte verhängten Einzelstrafen erreichen die Summe der hierfür im ersten Rechtsgang festgesetzten drei Einzelstrafen bei Weitem nicht und bedurften daher im Wesentlichen keiner vergleichenden Begründung. Soweit das Landgericht gegen den Angeklagten R. dabei zwei - zugleich die Einsatzstrafen darstellende - Einzelfreiheitsstrafen verhängt hat, die um fünf Monate höher liegen als die im ersten Rechtsgang verhängte Gesamtfreiheitsstrafe, entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch, dass die Strafkammer den Unrechtsgehalt der Steuerdelikte insgesamt höher als das Tatgericht im ersten Rechtsgang bewertet hat. Dem steht auch die Formulierung in den Urteilsgründen nicht entgegen, wonach „in Anbetracht des im Vergleich zu der Verurteilung vom 8.3.2023 erhöhten Unrechtsgehalts durch die nunmehr abgeurteilten Fälschungen technischer Aufzeichnungen […] die Kammer angesichts der gewichtigen Strafschärfungsgründe und des Gesamtunrechtsgehalts der Taten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe nicht für (noch) tat- und schuldangemessen“ gehalten hat. Denn hieraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass die Strafkammer die im Vergleich zum ersten Rechtsgang höhere Gesamtstrafe ausschließlich mit dem Hinzutreten weiterer Straftaten begründen wollte; vielmehr kommt gerade hierdurch der auch den Steuerdelikten beigemessene höhere Unwertgehalt zum Ausdruck.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1073

Bearbeiter: Christoph Henckel