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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1069

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 132/25, Beschluss v. 28.05.2025, HRRS 2025 Nr. 1069


BGH 1 StR 132/25 - Beschluss vom 28. Mai 2025 (LG Regensburg)

Einziehung (Grundsatz der Vermögenstrennung zwischen juristischer Person und Gesellschafter); Steuerhinterziehung (erforderliche Feststellung zur Höhe der verkürzten Steuer).

§ 73 StGB; § 370 Abs. 1 AO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 20. August 2024 unter Erstreckung auf die Mitangeklagte aufgehoben

a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte und die Mitangeklagte wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen verurteilt worden sind,

b) im Ausspruch über die jeweilige Gesamtfreiheitsstrafe,

c) im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner, soweit dieser 245.390 € übersteigt; die darüberhinausgehende Einziehung entfällt,

d) sowie, insoweit nur den Angeklagten betreffend, im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.250 € gegen den Angeklagten; dieser entfällt. Die bezüglich der Einziehung angefallene Gerichtsgebühr wird um die Hälfte ermäßigt. Von den entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten und Kosten, die die Einziehung betreffen, hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, vorsätzlichen Bankrotts in 22 Fällen und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 1. Juli 2019 ( ) und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie wegen Subventionsbetrugs zu einer gesonderten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 570.191 € als Gesamtschuldner mit der Mitangeklagten sowie in Höhe von weiteren 7.250 € als Alleinschuldner angeordnet.

Die Revision des Angeklagten hat mit der nicht ausgeführten Sachrüge - unter teilweiser Erstreckung auf die Mitangeklagte (§ 357 Satz 1 StPO) - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen Bankrotts in 22 Fällen, Insolvenzverschleppung in zwei Fällen und Subventionsbetrugs. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen hat demgegenüber keinen Bestand. Die Bestimmung des Umfangs der durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen 2014 bis 2018 verkürzten Umsatzsteuern (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1, § 168 Satz 1, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO; § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG; UA S. 16 f.) begegnet durchgreifenden Bedenken.

a) Das Landgericht hat bezüglich der Besteuerungszeiträume 2014 bis 2017 die in der Spalte „zu Unrecht belassene Vorsteuer“ angegebenen Beträge zu den verschwiegenen Umsatzsteuerbeträgen addiert und damit in den Verkürzungsumfang einbezogen, die es offensichtlich den für die F. GmbH abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen entnommen hat. Insoweit fehlt es aber bereits an festgestellten Tatsachen, die das Tatbestandsmerkmal „unrichtig“ (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ausfüllen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Aus den Urteilsgründen ergibt sich daher nicht, warum die mit den Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemachten Vorsteuerabzüge unberechtigt gewesen sein sollen. Auch der Inhalt der Voranmeldungen ist nicht mitgeteilt, sodass der Senat zudem nicht beurteilen kann, ob sich die betreffende Spalte auf etwaige Vorsteuerüberhänge nach Saldierung (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG) oder auf den jeweiligen Gesamtbetrag der erklärten Vorsteuer bezieht.

Im Übrigen fehlt es an der Erläuterung, warum sich ein etwaiger mit den Voranmeldungen verwirklichter Unrechtsgehalt im Unterlassen der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen fortsetzen soll. Insoweit gilt, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits steuerrechtlich selbständige Festsetzungsverfahren sind (siehe nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 - 1 StR 536/16, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25 Rn. 48, 54 f. mwN). Es besteht keine strafbewehrte Pflicht, in den Voranmeldungen zu Unrecht gezogene Vorsteuer gerade mit der Jahreserklärung zu berichtigen; vielmehr wäre insoweit auf die Umsatzsteuervoranmeldungen abzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2024 - 1 StR 33/24 Rn. 3 und vom 19. April 2023 - 1 StR 14/23 Rn. 9).

b) Darüber hinaus ist nicht nachzuvollziehen, warum das Landgericht in der Spalte „damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Vorsteuer“ von deutlich geringeren berechtigten Vorsteuerbeträgen ausgegangen ist. Die Angeklagten betrieben mit der F. GmbH ein Juweliergeschäft. Dann drängt es sich auf, dass die GmbH über ordnungsgemäße Eingangsrechnungen verfügte, die zum Vorsteuerabzug berechtigten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG; vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 13. September 2018 - 1 StR 642/17, BGHSt 63, 203 Rn. 21; Beschluss vom 22. März 2023 - 1 StR 361/22 Rn. 18). Zu „Schwarzeinkäufen“ oder zum Erwerb von Privatpersonen ist nichts festgestellt.

c) Diese Defizite, die vorliegend auch nicht durch das Geständnis der Angeklagten beseitigt werden können (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11 Rn. 4 und vom 24. Mai 2017 - 1 StR 176/17 Rn. 11), sind derart gewichtig, dass nicht einmal eine Verkürzung dem Grunde nach sicher angenommen werden kann. Die betroffenen fünf Fälle unterliegen daher mit den zugehörigen Feststellungen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO) der Aufhebung.

2. Die auch die nicht revidierende Mitangeklagte betreffenden Feststellungs- und Erörterungsmängel führen unter Erstreckung auf sie (§ 357 Satz 1 StPO) zur Aufhebung der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen. Infolgedessen entfallen auch die gegen die beiden Angeklagten insoweit verhängten Einzelstrafen, darunter die Einsatzstrafen, und die Gesamtfreiheitsstrafen. Die übrigen Einzelstrafen bleiben hingegen bestehen, zudem die gegen die Nichtrevidentin nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB festgesetzte Gesamtgeldstrafe.

3. Die die Bankrotthandlungen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) betreffende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 245.390 € als Gesamtschuldner ist rechtsfehlerfrei (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juni 2023 - 1 StR 327/22, BGHSt 67, 317 Rn. 56). Der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der Ersparnis der verkürzten Umsatzsteuern steht - ungeachtet der Aufhebung des Schuldspruchs - der Grundsatz der Vermögenstrennung entgegen. Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt:

„Die aus den Steuerhinterziehungstaten resultierenden abschöpfbaren Vermögensvorteile bestanden nur in ersparter Umsatzsteuer, die sich ausschließlich im Vermögen der F. GmbH niedergeschlagen hat (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. März 2021 - 1 StR 272/20 und Beschlüsse vom 1. Juni 2021 - 1 StR 133/21; vom 10. August 2021 - 1 StR 399/20; vom 17. November 2022 - 1 StR 323/22; vom 8. Februar 2023 - 1 StR 376/22; vom 8. März 2023 - 1 StR 22/23 und vom 22. Januar 2025 - 1 StR 512/24).“

Dem Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts verschließt sich der Senat auch nicht bezüglich des durch den Subventionsbetrug (§ 264 StGB) erlangten Betrages im Nennwert von 7.250 €, der auf ein Konto der F. GmbH überwiesen wurde. Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen sind für diesen Zeitraum (Mai 2020) nicht festgestellt, sondern nur bis Juni 2019. Da auszuschließen ist, dass weitere den Einziehungsausspruch tragende Feststellungen getroffen werden können, ist dieser insoweit aufzuheben, er entfällt. Hinsichtlich der Einziehung des aus den Steuerstraftaten Erlangten ist auch die nicht revidierende Mitangeklagte von dem Rechtsfehler betroffen, sodass die Entscheidung auch insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf sie zu erstrecken ist.

4. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird ferner bezüglich der Beendigung der beiden Insolvenzstraftaten (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Juli 2024 - 1 StR 66/24 Rn. 2 mwN) die Zäsurwirkung der Entscheidung vom 1. Juli 2019 neu zu beurteilen haben. Denn insoweit ist der Grundsatz zu beachten, dass das Ausscheiden von Teilen der Tat nach § 154a StPO nichts an der Beurteilung der Konkurrenzen ändert (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2024 - 1 StR 218/23 Rn. 14; Beschluss vom 18. Juli 2023 - 4 StR 42/23 Rn. 5 mwN). Dies wirkt sich auch auf die Frage der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB aus.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1069

Bearbeiter: Christoph Henckel