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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 252

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 48/24, Beschluss v. 27.11.2024, HRRS 2025 Nr. 252


BGH 1 StR 48/24 - Beschluss vom 27. November 2024 (LG Darmstadt)

Revision des Einziehungsbeteiligten (Form).

§ 345 Abs. 2 StPO; § 427 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Eine vom Einziehungsbeteiligten selbst verfasste und unterzeichnete Revisionsbegründung ist unzulässig. Die Revisionsbegründung des Einziehungsbeteiligten muss wie beim Angeklagten entsprechend § 345 Abs. 2 StPO entweder von einem Rechtsanwalt unterzeichnet oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden.

Entscheidungstenor

Die Revision der Einziehungsbeteiligten K. gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 4. September 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat gegen die Einziehungsbeteiligte K. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 298.512,37 € angeordnet. Gegen das ihr am 1. März 2024 zugestellte landgerichtliche Urteil, bei dessen Verkündung am 4. September 2023 sie nicht zugegen und auch nicht vertreten war, hat die Einziehungsbeteiligte mit Schreiben vom 5. September 2023, eingegangen beim Landgericht am 6. September 2023, Revision eingelegt. Mit von der Einziehungsbeteiligten persönlich unterzeichnetem Schreiben vom 14. Februar 2024, eingegangen beim Landgericht am 5. März 2024, hat sie ihre Revision mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Der Generalbundesanwalt hat mit Zuschrift vom 2. September 2024 beantragt, die Revision der Einziehungsbeteiligten mangels Begründung in der gesetzlichen Form gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Mit persönlich unterzeichnetem Schreiben der Einziehungsbeteiligten vom 24. September 2024, eingegangen bei Gericht am 25. September 2024, hat sie zu dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 2. September 2024 Stellung genommen und ausgeführt, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass sie die Revision auch ohne einen Rechtsanwalt mittels Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts habe erklären können. Hätte sie dies gewusst, hätte sie diesen Weg gewählt.

2. Die Revision der Einziehungsbeteiligten ist entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden ist. Die Revisionsbegründung ist entgegen § 427 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 345 Abs. 2 StPO weder durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet noch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erklärt worden.

Gemäß § 427 Abs. 1 Satz 1 StPO hat der Einziehungsbeteiligte von der Eröffnung des Hauptverfahrens an, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Befugnisse, die einem Angeklagten zustehen. Damit soll gewährleistet werden, dass ihm als Verfahrenssubjekt die prozessualen Rechte zustehen, die zur Abwehr der gegen ihn gerichteten Einziehungsanordnung erforderlich sind (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 89). Er kann daher - mit den Beschränkungen des § 431 StPO - auch Rechtsmittel gegen eine ihn beschwerende Einziehungsentscheidung einlegen. Die Revisionsbegründung des Einziehungsbeteiligten muss dann aber wie beim Angeklagten entsprechend § 345 Abs. 2 StPO entweder von einem Rechtsanwalt unterzeichnet oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Eine vom Einziehungsbeteiligten selbst verfasste und unterzeichnete Revisionsbegründung ist unzulässig (vgl. BeckOK-StPO/Wiedner, 53. Ed., § 345 Rn. 24.2; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 19; Knauer/Kudlich in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 345 Rn. 30; SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 345 Rn. 19; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 345 Rn. 15 [zu § 433 StPO aF]; einschränkend Koch in HKGS, 5. Aufl. 2022, § 431 Rn. 3 [Formerfordernis nur bei Schuldspruchrügen]).

Durch das in § 345 Abs. 2 StPO statuierte Formerfordernis soll vermieden werden, dass Rechtsmittel rechtsunkundiger Angeklagter schon von vornherein an Formfehlern oder sonstigen Mängeln scheitern und das Revisionsgericht mit unzulässigen oder dem Ablauf des Revisionsverfahrens nicht dienlichen Ausführungen belastet wird (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 10 mwN). Dies trifft auch auf den - im Regelfall rechtsunkundigen - Einziehungsbeteiligten zu. Insbesondere enthält § 431 StPO Einschränkungen für die Revision des Einziehungsbeteiligten hinsichtlich Einwendungen gegen den Schuldspruch. Der Einziehungsbeteiligte muss - abweichend von den sonstigen im Revisionsverfahren hinsichtlich der Sachrüge geltenden Grundsätzen - seine Beanstandungen ausdrücklich erheben und benennen, und zwar gemäß § 431 Abs. 3 StPO innerhalb der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO; eine nicht weiter oder nicht fristgerecht ausgeführte Sachrüge ist defizitär und führt zur Unbegründetheit des Rechtsmittels (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 39). Das Formerfordernis entsprechend § 345 Abs. 2 StPO erfüllt also auch den Zweck, den im Regelfall rechtsunkundigen Einziehungsbeteiligten vor der Einlegung nicht formgerechter Rechtsmittel zu bewahren.

Der Rechtsschutz des Einziehungsbeteiligten gegen ihn beschwerende Einziehungsentscheidungen wird hierdurch nicht unangemessen eingeschränkt; insbesondere verbleibt diesem die Möglichkeit, die Revisionsbegründung gemäß § 345 Abs. 2 Alternative 2 StPO zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts zu erklären.

3. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 44 StPO kommt nicht in Betracht. Selbst wenn man das Schreiben der Einziehungsbeteiligten vom 24. September 2024 als Wiedereinsetzungsantrag auslegte, so wäre dieser bereits deshalb unzulässig, weil die versäumte Rechtshandlung innerhalb der einwöchigen Wiedereinsetzungsfrist, die hier mit der Bekanntgabe des Antrags des Generalbundesanwalts begann, nicht durch eine formgerechte Revisionsbegründung nachgeholt worden ist (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Aus diesem Grund scheidet auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen aus (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 252

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede