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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1385

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 328/23, Beschluss v. 05.10.2023, HRRS 2023 Nr. 1385


BGH 1 StR 328/23 - Beschluss vom 5. Oktober 2023 (LG Kiel)

Steuerhinterziehung (Gewinnermittlung mittels Einnahmeüberschussrechnung: keine Berücksichtigung hinterzogener Umsatzsteuer).

§ 370 Abs. 1 AO; § 4 Abs. 3 EStG; § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 5. Juni 2023 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts ist auszuführen:

Der Angeklagte, ein Gebrauchtwagenhändler, ermittelte seinen Gewinn mittels Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG); er verschwieg bei Abgabe der Gewerbe- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2015 erhebliche Teile seines Betriebsgewinns bzw. seiner gewerblichen Einkünfte, bei Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen entsprechend einen erheblichen Teil seiner Ausgangsumsätze (neun Steuerhinterziehungsfälle). In dieser Konstellation hat das Landgericht bei Bestimmung des Umfangs der verkürzten Gewerbe- und nachfolgend der Einkommensteuer die zugleich hinterzogenen und nachzuzahlenden Umsatzsteuerbeträge rechtsfehlerfrei nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Die zum Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) entwickelten Grundsätze stehen nicht entgegen. Denn die Umsatzsteuer ist als Betriebsausgabe erst abziehbar, wenn sie geleistet worden ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG); bereits deswegen fehlt es an der in § 370 Abs. 4 Satz 3 AO normierten Eingangsvoraussetzung eines „anderen Ermäßigungsgrundes“ (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1995 - 5 StR 414/95 Rn. 13 und - indes nicht tragend - Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 112/11 unter 2.; zweifelnd BGH, Beschluss vom 1. Juni 2021 - 1 StR 127/21 Rn. 10). Anders als bei der Bilanzierung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), innerhalb derer sich die nachzuentrichtenden Umsatzsteuern „unmittelbar (ohne Weiteres)“ aus der Nacherklärung der verschwiegenen Betriebseinnahmen ergeben würden, erfordert das Zu- und Abflussprinzip der Einnahmeüberschussrechnung mit der Ausgabe eine weitere Abzugsvoraussetzung; eine solche kann nicht fingiert werden, erst recht nicht über die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO. Auf eine weitere Auslegung nach einem „engen wirtschaftlichen Zusammenhang“ kommt es damit nicht an. Das Abzugsgebot bezüglich der nachzuentrichtenden Umsatzsteuer gilt nach alledem nur bei der Gewinnermittlung auf der Grundlage einer - nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellenden - Bilanz, und zwar bereits auf Tatbestandsebene sowie im jeweiligen Jahr der Verkürzung der Ertrag- und Umsatzsteuern (BGH, Urteil vom 10. Juli 2019 - 1 StR 265/18 Rn. 45; Beschlüsse vom 29. Juli 2021 - 1 StR 30/21 Rn. 17; vom 17. September 2019 - 1 StR 379/19 Rn. 12; vom 13. Januar 1993 - 5 StR 466/92 Rn. 10 und vom 15. November 1989 - 3 StR 211/89 Rn. 5, BGHR KStG 1977 § 8 Ermittlung 1).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1385

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede