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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 15

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 346/22, Beschluss v. 18.10.2022, HRRS 2023 Nr. 15


BGH 1 StR 346/22 - Beschluss vom 18. Oktober 2022 (LG Traunstein)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Kurieren).

§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG; § 25 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23. Juni 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellungen des Landgerichts ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht belegen.

a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2022 - 5 StR 168/22 Rn. 5; vom 17. Juni 2020 - 1 StR 188/20 Rn. 3; vom 18. Dezember 2019 - 1 StR 570/19 Rn. 4 und vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 20 mwN). Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird; eine Entlohnung in Geld ist daher für die Annahme von Eigennützigkeit nicht zwingend (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2019 - 1 StR 570/19 Rn. 9; vom 16. Oktober 2019 - 2 StR 384/19 Rn. 8 f.; vom 10. Oktober 2018 - 4 StR 247/18 Rn. 4 und vom 16. März 2016 - 4 StR 42/16 Rn. 6).

Beim Betäubungsmittelhandel gelten für die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe die allgemeinen Grundsätze über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Beschränkt sich - wie regelmäßig bei einem Kurier - die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, ist regelmäßig von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen. Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn der Kurier erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2022 - 3 StR 136/22 Rn. 6 und vom 18. Mai 2021 - 1 StR 72/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 9 Rn. 4 mwN).

b) Diesen Anforderungen entsprechende Feststellungen zu einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) durch den Angeklagten hat das Landgericht bisher nicht getroffen. Solche ergeben sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.

aa) Das Landgericht hat nur festgestellt, dass sich bei einer polizeilichen Kontrolle am 16. Januar 2022 auf der Bundesautobahn A 8 im Fahrzeug des Angeklagten, dessen Halter er war, in einem professionellen Schmugglerversteck im Bereich des Armaturenbretts hinter der Mittelkonsole insgesamt 6.989,83 Gramm Kokain in sieben Paketen mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten befanden. Konkrete weitere Feststellungen zur Herkunft der Drogen, zu etwaigen Lieferanten oder Abnehmern und zur Stellung des Angeklagten hat es aber nicht getroffen.

bb) Im Übrigen wird die Stellung des Angeklagten als Händler auch nicht von der Beweiswürdigung getragen. Durchgreifenden Bedenken begegnet bereits, dass das Landgericht aus dem Schweigen des Angeklagten, der sich nicht zur Sache eingelassen hat, den diesem nachteiligen Schluss gezogen hat, er habe nicht geltend gemacht, im Auftrag Dritter tätig geworden zu sein (UA S. 8 f.).

Seine Fingerspuren an den Paketen lassen sich ohne Weiteres mit einer Kuriertätigkeit vereinbaren, ebenso der Umstand, dass das Fahrzeug in seinem Eigentum stand.

c) Zwar tragen die bisherigen Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB). Doch kann der Senat nicht ausschließen, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen zum täterschaftlichen Handeltreiben oder sogar zur - vom Landgericht bisher nicht angenommenen - Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getroffenen werden können. Die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen des Landgerichts hebt der Senat ebenfalls vorsorglich auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 15

Bearbeiter: Christoph Henckel