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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 256

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 348/21, Urteil v. 25.01.2022, HRRS 2022 Nr. 256


BGH 1 StR 348/21 - Urteil vom 25. Januar 2022 (LG Ravensburg)

Anordnung der Jugendstrafe neben der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

§ 5 Abs. 3 JGG

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 12. Mai 2021 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von vier Urteilen des Amtsgerichts B. zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Urteilsfeststellungen überfiel der Angeklagte am 22. September 2020 zusammen mit drei Mittätern aufgrund eines zuvor gefassten gemeinschaftlichen Tatplanes den Geschädigten A. in dessen Zimmer in einer Asylbewerberunterkunft, um Forderungen des Mitangeklagten O. aus einem Betäubungsmittelgeschäft einzutreiben. Dem Geschädigten wurden 180 Euro Bargeld sowie ein Mobiltelefon im Wert von 50 Euro weggenommen; er wurde bei der Tatausführung erheblich verletzt.

2. Gegen den zur Tatzeit 19 Jahre und vier Monate alten Angeklagten hatte das Amtsgericht B. zuletzt mit Urteil vom 12. März 2021 - unter Einbeziehung weiterer jugendrechtlicher Verurteilungen - eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und acht Monaten verhängt. Eine Maßregel nach § 64 StGB wurde nicht angeordnet.

II.

Der Schuldspruch erweist sich als rechtsfehlerfrei. Auch der Rechtsfolgenausspruch begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zwar ist dem Urteil weder ausdrücklich noch im Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass das Landgericht die gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG gebotene Prüfung vorgenommen hat, ob von der Jugendstrafe wegen der rechtsfehlerfrei angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen werden kann. Aus den Urteilsgründen ergibt sich aufgrund der Schwere der Taten (u.a. besonders schwere Vergewaltigung) und des erheblichen, vom Suchtmittelmissbrauch unabhängigen Erziehungsbedarfs aber ohne Weiteres, dass eine Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG ausscheidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 2021 - 4 StR 450/20; vom 23. Juni 2015 - 1 StR 243/15 Rn. 4; vom 21. Juli 2015 - 1 StR 105/15 Rn. 2 und vom 17. September 2013 - 1 StR 372/13 Rn. 3 ff.). Die Verhängung einer Jugendstrafe neben einer Maßregel nach § 64 StGB ist dann entbehrlich, wenn die spezialpräventiven Einwirkungsmöglichkeiten und die hinzukommenden Ahndungszwecke durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in ausreichender Weise verfolgt und realisiert werden können. Dies ist beim Angeklagten ersichtlich nicht der Fall. Bei ihm stehen die durch seine Verhaltensweisen und die begangenen Straftaten gezeigten Erziehungsrückstände im Vordergrund. Die massiven Erziehungsmängel bestehen unabhängig von seinem Suchtverhalten, so dass allein der Maßregelvollzug eine weitere Delinquenz des Angeklagten nicht zu beheben vermag.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 256

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede