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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 612

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 38/20, Beschluss v. 17.03.2020, HRRS 2020 Nr. 612


BGH 1 StR 38/20 - Beschluss vom 17. März 2020 (LG Regensburg)

Körperverletzung (Vorsatz des Täters hinsichtlich physischer Spätfolgen der Tat).

§ 223 Abs. 1 StGB; § 15 StGB; § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Dass die Drohung mit einer nicht ausschließbar ungeladenen Gaspistole im Rahmen eines Raubgeschehens beim Opfer zu psychisch vermittelten physischen Folgen führt, die als Gesundheitsbeschädigung im Sinne von § 223 Abs. 1, § 224 StGB einzuordnen sind, und der Täter mit dieser Möglichkeit gerechnet und sie billigend in Kauf genommen hat, versteht sich nicht von selbst. Es bedarf regelmäßig einer näheren Begründung, warum von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der psychisch vermittelten gesundheitlichen Auswirkungen der Tat insbesondere in Form von starken muskulären Verspannungen auszugehen war.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 19. September 2019 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren Raubes verurteilt ist; die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst Vorwegvollzug ausgesprochen und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel des Angeklagten in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe hinsichtlich der bei der Zeugin H. eingetretenen physischen Tatfolgen vorsätzlich gehandelt, ist nicht hinreichend beweiswürdigend belegt. Dass die Drohung mit einer nicht ausschließbar ungeladenen Gaspistole im Rahmen eines Raubgeschehens beim Opfer zu - psychisch vermittelten - physischen Folgen führt, die als Gesundheitsbeschädigung im Sinne von § 223 Abs. 1, § 224 StGB einzuordnen sind, und der Täter mit dieser Möglichkeit gerechnet und sie billigend in Kauf genommen hat, versteht sich nicht von selbst. Es hätte näherer Begründung bedurft, warum vorliegend von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der psychisch vermittelten gesundheitlichen Auswirkungen der Tat insbesondere in Form von starken muskulären Verspannungen bei der Zeugin H. auszugehen war (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 12. März 2019 - 4 StR 63/19 Rn. 4 und vom 16. April 2015 - 2 StR 48/15 Rn. 5 f. mwN). Eine ausreichende Darlegung, warum der Angeklagte von entsprechenden Schäden bei dem Tatopfer ausgehen musste, fehlt gänzlich. Mithin hat die Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe tateinheitlich zum schweren Raub den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) verwirklicht, keinen Bestand.

Mit Blick auf das Einlassungsverhalten des Angeklagten und die übrigen Feststellungen des Landgerichts kann der Senat ausschließen, dass weitere Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten getroffen werden können, die einen Körperverletzungsvorsatz belegen. Ob eine fahrlässige Körperverletzung zu Lasten der Zeugin H. tateinheitlich vom Angeklagten verwirklicht wurde, bedarf dagegen keiner Entscheidung, weil die hierfür erforderlichen Strafverfolgungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Der Senat ändert daher den Schuldspruch selbst entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

2. Nachdem die Strafkammer die tateinheitliche Verwirklichung einer gefährlichen Körperverletzung nicht straferschwerend zu Lasten des erheblich - auch einschlägig - strafrechtlich vorbelasteten Angeklagten in die Strafzumessung hat einfließen lassen, kann der Senat auch in Anbetracht der Höhe der ausgeurteilten Strafe ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.

3. Angesichts des lediglich geringfügigen Erfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 612

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 212; StV 2021, 118

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede