HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 786
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 314/20, Beschluss v. 07.06.2021, HRRS 2021 Nr. 786
1. Das Verfahren wird im Fall 210 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Urkundenfälschung beschränkt und im Fall 211 der Urteilsgründe eingestellt.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten D. und Br. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 2019, soweit es diese beiden Angeklagten und - unter Erstreckung gemäß § 357 Satz 1 StPO - den Mitangeklagten M. betrifft, aufgehoben
a) in den Fällen 39 bis 50 (Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie zur Hinterziehung von Lohnsteuer hinsichtlich der Monate April bis Dezember 2010 und Februar bis April 2011 zugunsten der K. GmbH) und in den Fällen 111 bis 128 der Urteilsgründe (Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie zur Hinterziehung von Lohnsteuer hinsichtlich der Monate November 2009 bis April 2011 zugunsten J.); insoweit wird das Verfahren eingestellt;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 26 bis 38, 51 bis 110 und 129 bis 209 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen.
3. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 30 bis 38, 69 bis 110, 149 bis 154 und 158 bis 209 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.
5. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die den Angeklagten D. und Br. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte D. wegen Steuerhinterziehung in 38 Fällen, wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 171 Fällen, davon in 116 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung und davon in 20 Fällen in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte Br. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 13 Fällen, wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 171 Fällen, davon in 116 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung und davon in 20 Fällen in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, und wegen mittelbarer Falschbeurkundung in zwei Fällen, davon in einem in Tateinheit mit Urkundenfälschung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verhängt. Den Angeklagten S. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in neun Fällen, wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 100 Fällen, davon in 99 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung und davon in 20 Fällen in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, und wegen Beihilfe zur versuchten Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts - die Angeklagten Br. und D. auch die Verletzung formellen Rechts - beanstanden, haben mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Folgendes festgestellt und gewertet:
Die Angeklagten D., M., ein ehemaliger Steuerberater, und Br. schlossen sich spätestens Anfang 2009 zusammen, um Bauunternehmen bei der Hinterziehung von Sozialversicherungsabgaben, Lohn- und Umsatzsteuern sowie beim Betrug im Sozial- und Urlaubskassenverfahren zu unterstützen. Ab Januar 2013 schloss sich der Angeklagte S. an, der in Teilzeit bei der B. beschäftigt war.
1. Die von den Angeklagten gegründeten acht Servicegesellschaften erstellten unter Vortäuschen von Subunternehmerverträgen bis Mai 2017 unter Ausweis von Umsatzsteuer Scheinrechnungen, aus denen die Baufirmen unberechtigt Vorsteuer geltend machten. Dennoch verschwieg die Angeklagte D. als Verantwortliche in den für die Servicegesellschaften abgegebenen Umsatzsteuererklärungen entgegen § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG diese Beträge aus den Abdeckrechnungen bzw. gab sie keine Erklärungen ab, sodass Umsatzsteuern in Höhe von rund 833.000 € nicht gegen die von ihr betriebenen Unternehmen festgesetzt wurden (Fälle 1 bis 25 der Urteilsgründe). Den vom jeweiligen Auftraggeber ermittelten Bargeldbedarf erhöhte die Angeklagte D. absprachegemäß um die vereinbarte Provision, die sie folglich in die Scheinrechnungssumme verdeckt einrechnete.
2. Die Angeklagte D. vereinnahmte für das Überlassen der Scheinrechnungen 5 % bis 14 % des jeweiligen Rechnungsbetrages an Provision, die sie von den abgehobenen und an die Bauunternehmer zurückzuzahlenden Geldern einbehielt. Zudem boten die Angeklagten ebenfalls entgeltlich als ?komplettes Servicepaket? insbesondere der K. GmbH sowie den Kolonnenführern J. und De. an, deren Arbeitnehmer zum Schein bei den Serviceunternehmen einzustellen. Anstelle dieser Arbeitgeber gaben die Angeklagten im Namen der Servicegesellschaften im Zeitraum von November 2009 bis Juni 2017 unvollständige Beitragsmeldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern und unvollständige Lohnsteueranmeldungen ab. Die Angeklagten Br., M. und S. hoben gemäß den Anweisungen der Angeklagten D. Bargelder ab (M. : insgesamt mehr als 18 Mio. €; Br. : insgesamt mehr als 1,8 Mio. €; S. : insgesamt mehr als 1,6 Mio. €); Br. und M. meldeten Arbeitnehmer an und ab. Der Mitangeklagte M. erledigte zudem nahezu täglich die steuerlichen Angelegenheiten der Serviceunternehmen, die Angeklagte Br. die Lohnbuchhaltung. Der Angeklagte S. unterstützte u.a. die Angeklagte Br. und stellte im Namen der B. Unbedenklichkeitsbescheinigungen aus (UA S. 22-24).
Insgesamt verdiente die Angeklagte D. in den Jahren 2009 bis Mai 2017 rund 5,6 Mio. € (netto) an Provisionen; dennoch gab sie keine Umsatzsteuerjahreserklärungen (2009 bis 2016) bzw. -voranmeldungen (Monate Januar 2017 bis Mai 2017) ab und verkürzte dadurch rund 1,07 Mio. € an Umsatzsteuer (Fälle 26 bis 38 der Urteilsgründe). Die K. GmbH ersparte sich in den Fällen 39 bis 110 der Urteilsgründe durch die Mitwirkung der Angeklagten insgesamt fast 2,2 Mio. € an Sozialversicherungsabgaben (April 2010 mit Unterbrechungen bis April 2017), Lohnsteuern (Juni 2012 mit Unterbrechungen bis April 2017) sowie Beiträgen im Sozial- und Urlaubskassenverfahren (April 2015 mit Unterbrechungen bis April 2017), J., De. bzw. eine von diesen zusammen betriebene Gesellschaft in den Fällen 111 bis 209 der Urteilsgründe über 2 Mio. € an Sozialversicherungsabgaben (November 2009 mit Unterbrechungen bis Juni 2017) und Lohnsteuern (Juni 2012 mit Unterbrechungen bis Mai 2017).
II. Revisionen der Angeklagten
1. Revision der Angeklagten D.
a) Die Revision der Angeklagten D. ist teilweise begründet.
aa) Das Verfahren ist in den Fällen 39 bis 50 sowie 111 bis 128 wegen Verfolgungsverjährung einzustellen (§ 206a Abs. 1 StPO; § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, § 78a Satz 1, 2, § 78c Abs. 1 StGB).
(a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 1. September 2020 - 1 StR 58/19), die nach Verkündung des angefochtenen Urteils ergangen ist, beginnt bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 StGB die Verjährungsfrist mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes für das Entrichten der Sozialversicherungsbeiträge. Danach sind die Beihilfefälle aus den Zeiträumen bis April 2011 verjährt. Denn der Ablauf der Verjährungsfrist von fünf Jahren ist erstmals durch den Durchsuchungsbeschluss vom 6. Mai 2016 (Band XIV Blatt 213 ff. der Hauptakten) unterbrochen worden (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV; § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StGB). Dieser Beschluss ist ausreichend konkret, auch wenn er nicht alle Serviceunternehmen nennt:
Insbesondere in Wirtschaftsstrafverfahren, die durch eine Tatserie geprägt sind, kann es zur durch einen Durchsuchungsbeschluss herbeigeführten Unterbrechungswirkung bezüglich mehrerer verfolgter prozessualer Taten ausreichen, wenn in einem frühen Ermittlungsstadium der Tatverdacht, dessen Einzelheiten die Ermittlungen noch klären müssen, weiter gefasst ist, die Einzeltaten aber unter zusammenfassenden kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind (BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 2 Rn. 25; Beschluss vom 29. Januar 2015 - 1 StR 587/14 Rn. 9). Für die Bestimmung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsorgane ist maßgeblich, was mit der jeweiligen richterlichen Handlung bezweckt wird (BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99 Rn. 26, BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 1).
So liegt es hier. Der Beschluss vom 6. Mai 2016 umschreibt die Vorgehensweise, um Steuern zu hinterziehen und Sozialversicherungsabgaben vorzuenthalten, namentlich das Veräußern von Scheinrechnungen und das Anmelden fremder Arbeitnehmer; zudem benennt er die vier Angeklagten und umfasst den Tatzeitraum ab August 2008.
(b) Der Durchsuchungsbeschluss vom 25. November 2014 (Band VI Blatt 48 ff. der Hauptakten) unterbricht den Ablauf der Verjährungsfristen hingegen nicht:
(aa) Grundsätzlich bezieht sich die Unterbrechungswirkung auf alle verfahrensgegenständlichen Taten (§ 264 Abs. 1 StPO), sofern nicht der Verfolgungswille der Strafverfolgungsorgane erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 - 1 StR 71/18 Rn. 7 und vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99 Rn. 26, BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 1; Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16 Rn. 20; je mwN).
(bb) Der Beschluss vom 25. November 2014 bezieht sich nach seiner eindeutigen und eng gefassten Formulierung allein auf den Zeitraum von Oktober 2011 bis April 2013. Auch unter Heranziehung des sonstigen Akteninhalts besteht kein Anhalt dafür, dass der - für die Reichweite der Unterbrechung maßgebliche - Wille der tätig gewordenen Ermittlungsbehörde sich auf alle Fälle des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen ab November 2009, für die die Gruppierung um die Angeklagte D. und sei es nur unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe verantwortlich war, erstreckte. Im Gegenteil waren die Taten vor Oktober 2011 im November 2014 weder aufgedeckt noch vermutet. Nach dem letzten Satz des Durchsuchungsbeschlusses sollten aufgefundene Unterlagen außerhalb des Tatzeitraums von Oktober 2011 bis April 2013 nur insoweit beschlagnahmt werden, als sie zur Erhellung der Taten aus diesen Monaten beitragen konnten (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. September 2020 - 4 StR 75/20 Rn. 8). Demgemäß unterbricht auch nicht die Bekanntgabe dieses Beschlusses gegenüber der Angeklagten D. am 9. Dezember 2014 den Ablauf der Verjährung gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 2 StGB.
(c) Der Senat entnimmt, soweit es auf das Nichtabführen der Arbeitgeberanteile ankommt, dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass die unvollständigen Meldungen (§ 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB) für die Beitragsmonate bis einschließlich April 2011 vor dem 6. Mai 2011 abgegeben wurden.
bb) Die Einzelstrafen in den nach Verfahrensteileinstellung verbliebenen Fällen nebst den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) unterliegen - mit Ausnahme der Fälle 1 bis 25 der Urteilsgründe - der Aufhebung.
(a) In den Fällen 26 bis 38 der Urteilsgründe (Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch die Angeklagte D. trotz verdienter Provisionen) begegnet die Strafzumessung durchgreifenden Bedenken, weil die Feststellungen zum Schuldumfang lückenhaft sind.
(aa) Dem Revisionsgericht ist mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen die Überprüfung verwehrt, ob das Landgericht den Schuldumfang rechtsfehlerfrei bestimmt hat. Zwar hat die Kammer sämtliche Kontobewegungen auf den Bankkonten der Servicegesellschaften ausgewertet (UA S. 223 f.). Der von 504 Auftraggebern geleistete Gesamteinzahlungsbetrag von rund 100 Mio. € und die Abhebungsbeträge von ca. 70 Mio. € lassen sich unschwer mit der Gesamtprovision von rund 5,6 Mio. € der Größenordnung nach vereinbaren. Zudem hat das Landgericht die verdienten Provisionen für jeden Besteuerungszeitraum gesondert festgestellt (UA S. 51). Indes fehlen Ausführungen dazu, anhand welchen Zahlenmaterials diese Besteuerungsgrundlagen ermittelt worden sind. Das Landgericht hat nur den - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Rechenweg für seine ?qualifizierte Schätzung? aufgezeigt, aber nicht mit konkreten Feststellungen ausgefüllt (UA S. 226-231). Trotz offensichtlicher weiterer konkreter Ermittlungen der Steuerfahndung zu Einzelumsätzen und Einbehalten sowie einer sichergestellten mehrseitigen detaillierten Kunden- und Provisionsliste bleibt damit offen, welche Provisionshöhe die Angeklagte D. auf welchen Eingangsumsatz berechnete. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:
?Dabei stellt es [das Landgericht] dar, dass durch die Angeklagte von ihren Kunden unterschiedliche Provisionssätze zwischen 5 und 14 Prozent verlangt worden und überdies für die Berechnung der Provision abhängig vom Umfang der erbrachten Dienstleistung (reine Erstellung von Scheinrechnungen einerseits und zusätzliche Anmeldung von Arbeitnehmern über die Scheinfirmen andererseits) unterschiedliche (Teil-)Summen der Scheinrechnungen maßgeblich gewesen seien. Ob jener Unterschiede seien die Provisionen im erstgenannten Fall mit 5 bis 6 Prozent von dem zur Rücküberweisung anstehenden Rechnungsbetrag und im zweitgenannten Fall mit einer Durchschnittprovision von 8 Prozent von dem um die bei der R. gemeldeten Bruttolöhne und einen Arbeitgeberanteil der Lohnnebenkosten von 20 Prozent reduzierten Rechnungsbetrag, aus welchem sodann noch anzumeldende Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent herausgerechnet worden sei, errechnet worden. Ein konkretes Zahlenwerk, bei welchen Kunden bezogen auf welche Rechnungen welche Berechnungsvariante zur Anwendung gelangt war, ist den Urteilsgründen ebenso wenig zu entnehmen wie eine nachvollziehbare Erläuterung, wie sich die Durchschnittsprovision von 8 Prozent im Konkreten berechnet und bei welchem reinen Scheinrechnungskäufer ein Provisionssatz von 5 oder 6 Prozent maßgeblich war.?
(bb) Eine solche Herleitung der Besteuerungsgrundlagen war hier bereits deswegen nicht entbehrlich, weil die Angeklagte D. zu den Tatvorwürfen geschwiegen hat.
(b) Bezüglich des Schuldumfangs in den Fällen 39 bis 209, nach Teileinstellung nunmehr für die Fälle 51 bis 110 sowie 129 bis 209 der Urteilsgründe relevant, folgt der Senat ebenfalls dem Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts.
cc) Die Aufhebung der genannten Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.
b) Im Übrigen bleibt die Revision der Angeklagten D. aus den Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos. Die in den Fällen 1 bis 25 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen einschließlich der Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sind aufrechtzuerhalten. Der Senat schließt aus, dass die Straffindung in den aufgehobenen Fällen die Strafzumessung in den ersten 25 Fällen beeinflusst hat. Die über die Servicegesellschaften in den Verkehr gebrachten Abdeckrechnungen enthalten in voller Höhe nur fingierte Leistungen (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG); dies folgt für die einberechneten Provisionsanteile bereits daraus, dass leistende Unternehmerin die Angeklagte D., nicht etwa die jeweilige Servicegesellschaft war.
2. Die Revision der Angeklagten Br. ist ebenfalls teilweise begründet.
a) Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat aus prozessökonomischen Gründen die Strafverfolgung im Fall 211 der Urteilsgründe eingestellt (§ 154 StPO) bzw. mit Zustimmung im Fall 210 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Urkundenfälschung beschränkt (§ 154a StPO). Dem Vorwurf der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) könnte entgegenstehen, dass weder die Beweiskraft des Handelsregisters (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 - 3 StR 128/16, BGHR StGB § 271 Abs. 1 Öffentlicher Glaube 5, 6 Rn. 5 f.) noch der notariellen Urkunde vom 25. April 2013 sich auf die Tatsache erstrecken könnte, dass die - tatsächlich nicht existente - H. nicht vor dem Notar erschienen war, sondern unter diesem Aliasnamen die Angeklagte Br. Der Umfang der Beweiskraft einer notariellen Urkunde ist im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2010 - XII ZR 41/09 Rn. 11, 18 sowie im Beschluss vom 6. August 2004 - 2 StR 241/04, BGHR StGB § 348 Abs. 1 Notar 6 offengeblieben; einer Erstreckung der Beweiskraft des § 415 Abs. 1 ZPO auf die Personenidentität könnte der Beschluss vom 21. August 2018 - 3 StR 205/18, BGHR StGB § 271 Abs. 1 Öffentlicher Glaube 8 Rn. 5, 15 entgegenstehen. Mit dieser Beschränkung und Einstellung erübrigt sich ein Eingehen auf die von der Angeklagten Br. in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen.
Die Verfahrensbeschränkung im Fall 210 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafe nach sich.
b) Der Ablauf der Verjährungsfristen in den Fällen 39 bis 209 der Urteilsgründe ist wiederum erst durch den Durchsuchungsbeschluss vom 6. Mai 2016 unterbrochen worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fälle 39 bis 50 sowie 111 bis 128 verjährt. Der Durchsuchungsbeschluss vom 25. November 2014 ist bereits deswegen unbeachtlich, weil er die Angeklagte Br. nicht als Beschuldigte führt.
c) Im Übrigen erweist sich die Strafzumessung in den verbliebenen Fällen 26 bis 38, 51 bis 110 sowie 129 bis 209 aus den genannten Gründen (II. 1. a) bb)) als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
d) Die Verfahrensteileinstellungen und die Aufhebung sämtlicher verbliebener Einzelstrafen ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
3. Die Urteilsaufhebung ist auf den Mitangeklagten M., der keine Revision eingelegt hat, nach § 357 Satz 1 StPO zu erstrecken (zur Verjährung vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2020 - 1 StR 328/19 Rn. 21 mwN).
4. Die Revision des Angeklagten S. hat aus den genannten Gründen (II. 1. a) bb)) zu den ihn in der Tatserie betreffenden Einzelstrafen in den Fällen 30 bis 38, 69 bis 110, 149 bis 154 und 158 bis 209 der Urteilsgründe und bezüglich der Gesamtstrafe Erfolg. Die für die Beihilfe zur versuchten Urkundenfälschung verhängte Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 € (Fall 212 der Urteilsgründe) bleibt von der Aufhebung der übrigen Einzelstrafen aus den anders gelagerten Taten unberührt. Es beschwert den Angeklagten S. nicht, dass er für diese am 29. April 2013 begangene Tat nicht als Mittäter einer vollendeten Urkundenfälschung bestraft wurde.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 786
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 312; StV 2021, 714
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede