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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 533

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 242/20, Beschluss v. 25.03.2021, HRRS 2021 Nr. 533


BGH 1 StR 242/20 - Beschluss vom 25. März 2021 (LG Verden)

Steuerhinterziehung (keine strafbare Hinterziehung von Kirchensteuer); Einziehung (keine gleichzeitige Einziehung von erlangten Bestechungsgeldern und darauf anfallender hinterzogener Steuer).

§ 370 Abs. 1 AO; § 1 Abs. 1 AO; § 73 StGB; § 299 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die durch Einreichung einer unvollständigen Einkommensteuererklärung neben der Verkürzung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zugleich bewirkte Verkürzung von Kirchensteuer stellt keine Steuerhinterziehung dar.

2. Ob mit Blick auf die verkürzte Kirchensteuer eine Strafbarkeit wegen tateinheitlich verwirklichten Betruges (§ 263 StGB) vorliegt, ist bisher nicht entschieden.

Entscheidungstenor

1. Das Verfahren wird, soweit es den Angeklagten W. betrifft, im Fall II.6. der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag beschränkt.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 18. November 2019 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass die Einziehung eines Betrages in Höhe von 58.000 Euro angeordnet wird; die weitergehende Einziehung entfällt.

Von den im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehung betreffen, hat die Staatskasse ein Viertel zu tragen; die insoweit angefallene Gerichtsgebühr wird um ein Viertel ermäßigt.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

4. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

5. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des vorbenannten Urteils wird kostenpflichtig verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in fünf Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung hat es zwei Monate der Strafe als vollstreckt erklärt. Darüber hinaus hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen (Bestechungsgelder und Steuerersparnis) in Höhe von 77.237,15 Euro angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.6. der Urteilsgründe reichte der Angeklagte im Dezember 2011 eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 beim Finanzamt D. ein, ohne die Bestechungsgelder in Höhe von 48.000 Euro, die er im Jahr 2010 erhalten hatte, anzugeben. Auf der Grundlage seiner Angaben erstattete das Finanzamt dem Angeklagten in der Folge vermeintlich zu viel entrichtete Steuern in Höhe von insgesamt 3.637,99 Euro. Nachdem das Finanzamt von im Jahr 2010 geflossenen Schmiergeldzahlungen in Höhe von 40.000 Euro Kenntnis erlangt hatte, änderte es seinen Bescheid entsprechend ab. Durch die Nichtangabe der Bestechungsgelder bewirkte der Angeklagte eine Verkürzung von Einkommensteuer in Höhe von 13.450 Euro, von Solidaritätszuschlag in Höhe von 763,52 Euro und von Kirchensteuer in Höhe von 1.385,64 Euro.

II.

1. Der Senat hat den Vorwurf der Hinterziehung von Kirchensteuer mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts stellt die durch die Einreichung einer unvollständigen Einkommensteuererklärung neben der Verkürzung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zugleich bewirkte Verkürzung von Kirchensteuer keine Steuerhinterziehung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07 Rn. 18; Jäger in Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 21; Schmitz/Wulf in MüKo StGB, 3. Aufl., § 370 AO Rn. 56).

Ob mit Blick auf die verkürzte Kirchensteuer eine Strafbarkeit wegen tateinheitlich verwirklichten Betruges (§ 263 StGB) vorliegt, ist bisher nicht entschieden (offen gelassen in BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07 Rn. 19 f. mwN; für eine Strafbarkeit: Meyberg in BeckOK OWiG, 29. Edition (Stand: 1. Januar 2021), Art. 4 EGStGB Rn. 2; Putzke in MüKo StPO, 1. Aufl., Art. 4 EGStGB Rn. 6; Rönnau, wistra 1995, 47 ff.; Schützeberg, wistra 2009, 31 ff.; Hellmann, wistra 2004, 201; gegen eine Strafbarkeit: Randt in Joecks/ Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 386 AO Rn. 31; Rolletschke in Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 88; Peters in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 386 AO Rn. 77 ff. (Stand: November 2016); ders. in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 370 AO Rn. 242 ff. (Stand: Juli 2019); Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 AO Rn. 78a (Stand: April 2019); Gaede, Der Steuerbetrug, S. 205 ff.). Da der verkürzte Kirchensteuerbetrag neben dem Betrag der verkürzten Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, ist die Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO zweckmäßig.

2. Der Schuldspruch hält in dem nach der Verfahrensbeschränkung verbleibenden Umfang rechtlicher Nachprüfung stand.

3. Der Strafausspruch hat Bestand. Da die Kirchensteuer neben der verkürzten Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag nicht beträchtlich ins Gewicht fällt und das Landgericht für die Steuerhinterziehung (Tat II.6. der Urteilsgründe) mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen ohnehin eine moderate Strafe festgesetzt hat, kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht auf eine noch niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.

Dass das Landgericht für die Bemessung des Schuldumfangs im Fall II.6. der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung) ausgehend von dem Steuerbescheid des Finanzamtes lediglich von im Jahr 2010 vereinnahmten Bestechungsgeldern in Höhe von 40.000 Euro - anstatt, wie festgestellt, von 48.000 Euro - ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten nicht.

4. Die Einziehungsentscheidung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft neben dem Wert der vereinnahmten Bestechungsgelder auch den Wert der hierauf entfallenden Steuerersparnisse nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB eingezogen hat.

Die Einziehung des Wertes der dem Angeklagten in den Jahren 2009 und 2010 zugeflossenen Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 58.000 Euro gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Soweit das Landgericht allerdings daneben den Wert der in Fall II.6. der Urteilsgründe erlangten Steuerersparnis als Taterlangtes eingezogen hat, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft. Denn durch die Einziehung sowohl des Wertes der Bestechungsgelder als auch des Wertes der hierauf angefallenen Steuern wird dem Angeklagten im Ergebnis ein höherer Betrag entzogen, als ihm durch die Tat zugeflossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - 1 StR 99/19 Rn. 8). Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO aufzuheben, soweit sie den Betrag von 58.000 Euro übersteigt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO, §§ 465 ff. StPO analog. Da der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel hinsichtlich der Einziehungsentscheidung teilweise Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, ihn lediglich mit drei Vierteln seiner hierfür entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten und die insoweit im Revisionsverfahren angefallene Gerichtsgebühr entsprechend zu ermäßigen.

6. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung ist als unbegründet zu verwerfen, weil sie - soweit über die Kosten nicht bereits auf die Revision zu entscheiden war - der gesetzlichen Regelung in § 465 StPO entspricht.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 533

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede