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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 358

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 595/19, Beschluss v. 28.01.2020, HRRS 2020 Nr. 358


BGH 1 StR 595/19 - Beschluss vom 28. Januar 2020 (LG Augsburg)

Einziehung von Tatmitteln (Ermessensentscheidung des Gerichts).

§ 74 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 17. Mai 2019, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch und hinsichtlich der Anordnung der Einziehung der sichergestellten Kraftfahrzeuge der Marken Audi und KIA (Ziffer X. des Tenors) aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit schwerem Bandendiebstahl in vier tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und neben weiteren Einziehungsentscheidungen auch die Einziehung zweier in seinem Eigentum stehender Kraftfahrzeuge als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB angeordnet.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Bei der Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 1 StR 159/18, Rn. 2). Ein Ermessen hat die Strafkammer nicht ausgeübt, sondern ihre Begründung lediglich auf die Verwendung der Fahrzeuge zur Vorbereitung und Ausführung der Taten und das Eigentum des Angeklagten gestützt (UA S. 86). Dies lässt besorgen, dass sie sich entweder nicht bewusst war, dass es sich bei der Einziehung als Tatmittel um eine Ermessensentscheidung handelt oder sie von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat. Beides ist rechtsfehlerhaft.

2. Die Anordnung einer Einziehung von Tatmitteln gemäß § 74 Abs. 1 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 1 StR 159/18, Rn. 3 mwN). Wird dem Täter auf diese Weise eine Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen.

Die Strafkammer hat zwar zugunsten des Angeklagten bei allen Taten gewertet, dass dieser mit der formlosen Einziehung „sämtlicher sichergestellter und in seinem Eigentum stehender Gegenstände, insbesondere seiner beiden bei den Taten verwendeten Fahrzeuge einverstanden war“ (UA S. 67, 71, 75). Allerdings hat sie den Wert der Kraftfahrzeuge nicht festgestellt.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung des Wertes der Fahrzeuge dem Einverständnis des Angeklagten mit deren Einziehung ein höheres Gewicht beigemessen und die verwirkten Einzelfreiheitsstrafen und damit auch die Gesamtstrafe deshalb milder bemessen hätte.

3. Im Rahmen der Strafzumessung zu Fall C V. wird die Strafkammer eine mögliche Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu erörtern haben; denn eine Aufklärungshilfe scheidet nicht etwa bereits deshalb aus, weil bei dieser Tat - neben dem Angeklagten und C. - M. mitgewirkt hat anstelle des Bandenmitglieds I., den der Angeklagte den sich darüber in Unkenntnis befindenden Ermittlungsbehörden als Mittäter der vorangegangenen vier Taten (Fälle C I. bis IV.) benannt hatte. Es genügt, dass die eigene und die offenbarte Tat Teil eines kriminellen Gesamtgeschehens sind, bei dem ein inhaltlicher Bezug zwischen beiden Taten besteht (zum Konnexitätserfordernis, BT-Drucks. 17/9695, S. 8 f.; BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - 1 StR 15/17, Rn. 4).

4. Die dem Strafausspruch und der betroffenen Einziehungsentscheidung zu Grunde liegenden Feststellungen werden von den Rechtsfehlern nicht berührt und können bestehen bleiben. Ergänzende - den bisherigen nicht widersprechende - Feststellungen können getroffen werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 358

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede