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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1168

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 154/19, Beschluss v. 11.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1168


BGH 1 StR 154/19 - Beschluss vom 11. Juli 2019 (LG Leipzig)

Umsatzsteuerhinterziehung (Zeitpunkt der Tatbeendigung bei Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung).

§ 370 Abs. 1 AO; § 19 Abs. 3 AO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Hinterziehung der Umsatzsteuer ist bei Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung beendet, wenn die Erklärung beim Finanzamt eingeht, in Erstattungsfällen jedoch erst dann, wenn von Seiten des Finanzamts die entsprechende Zustimmung erteilt wurde.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. Oktober 2018 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in zehn Fällen schuldig ist,

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 8 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat zum Strafausspruch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe jeweils wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil hinsichtlich dieser Taten das Verfahrenshindernis der Verjährung eingetreten ist. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Die Fälle 1 bis 6 betreffend die Hinterziehung von Gewerbe-, Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2006 und 2007 sind verjährt.

1. Die Taten betreffend die Hinterziehung von Gewerbe- und Einkommensteuer (1, 2, 4 und 5) sind als Veranlagungssteuern jeweils beendet mit der Bekanntgabe des auf die unrichtige Erklärung hin ergehenden Steuerbescheids. Werden im Feststellungsverfahren unrichtige Angaben gemacht, beginnt die Verjährung nicht schon bei Erlass des unrichtigen Feststellungsbescheids, der bereits einen Steuervorteil darstellt, sondern erst mit Bekanntgabe des Folgebescheids (Jäger in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 376 Rn. 25). Unter Anwendung von § 122 Abs. 2 AO waren die Fälle 1, 2, 4 und 5 wie folgt beendet:

a) Fall 1 am 30. November 2007. Ein Steuerbescheid betreffend die zu entrichtende Gewerbesteuer ist nicht mehr ergangen, da bereits der im Bescheid vom 27. November 2007 festgesetzte Steuermessbetrag auf 0 Euro lautete.

b) Fall 2 am 31. Januar 2008.

c) Fall 4 am 25. Mai 2009.

d) Fall 5 am 11. Juli 2009.

2. Die Hinterziehung der Umsatzsteuer ist bei Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung beendet, wenn die Erklärung beim Finanzamt eingeht, in Erstattungsfällen jedoch erst dann, wenn von Seiten des Finanzamts die entsprechende Zustimmung erteilt wurde, § 168 Satz 2 AO (Joecks in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 376 AO Rn. 38).

Danach waren die Fälle 3 und 6 am 2. November 2007 (Fall 3) und am 9. März 2009 (Fall 6) beendet.

3. Die Verjährungsfrist beträgt in allen Fällen fünf Jahre, § 370 Abs. 1 AO, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Weder der Erlass des Durchsuchungsbeschlusses am 16. Dezember 2010 (Bd. I, Bl. 34; Bd. II, Bl. 240, 242) noch die Beschlagnahmebeschlüsse vom 6. Mai 2011 (Bd. III, Bl. 450) und vom 14. Juni 2011 (Bd. III, Bl. 456, 458) noch die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens am 3. August 2011 (Bd. III, Bl. 462) noch der Beschluss zur Aufrechterhaltung der Durchsuchungsanordnung vom 20. Oktober 2011 (Bd. III, Bl. 465) konnten den Eintritt der Verjährung verhindern. Denn bis zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich das Ermittlungsverfahren auf den Vorwurf der Steuerhinterziehung in den Jahren 2008 bis 2010. Erst mit Vermerk der Steuerfahndung vom 13. Oktober 2014 wurde das Ermittlungsverfahren auch auf den Zeitraum 2006 und 2007 erweitert (Bd. III, Bl. 596). Daher war der - insoweit maßgebliche - Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden auf den Tatzeitraum 2008 bis 2010 beschränkt. Dies ergibt sich aus den vorbezeichneten Beschlüssen, die explizit auf diesen Zeitraum abstellen. Auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich nichts anderes (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 StR 579/14, Rn. 3 mwN).

Eine Bekanntgabe der Erweiterung an den Angeklagten erfolgte vor Erhebung der öffentlichen Klage am 8. August 2016 (Bd. IV, Bl. 667) nicht. Damit waren die Fälle 1 bis 6 spätestens mit Ablauf des 11. Juli 2014 (letzte Verjährung, Fall 5) verjährt.“

Dem schließt sich der Senat an.

2. Der auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhende Schuldspruch hält im Übrigen rechtlicher Nachprüfung stand. Auch die Strafzumessung in den Fällen 7 sowie 9 bis 16 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler auf. Die Revision des Angeklagten ist insoweit unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3. Demgegenüber hat der Strafausspruch im Fall 8 der Urteilsgründe keinen Bestand, weil das Landgericht für diesen Fall einen zu hohen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Die Strafkammer hat gleich zu Beginn der im Übrigen konsequenten und zutreffenden Berechnung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 217.148,25 Euro zugrunde gelegt (UA S. 74). Tatsächlich belaufen sich die auf den Angeklagten entfallenden 95 % der GbR-Einkünfte (insgesamt 221.481,53 Euro) auf 210.407,45 Euro.

Die von der Strafkammer angestellte Rechnung würde einen Anteil von 98 % darstellen, der keinen Anhalt in den Urteilsgründen findet (UA S. 75). Dies gilt auch, soweit die Strafkammer aus den tatsächlich erklärten Einnahmen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 72.002 Euro sowie 95 % der zugeschätzten Umsatzdifferenz, 145.146,25 Euro, tatsächliche Einkünfte der GbR aus Gewerbebetrieb in Höhe von den o.g. 217.148,25 Euro errechnet (UA S. 55 f.). Dies stellt bezogen auf den nachvollziehbar ermittelten tatsächlichen Gewerbeertrag in Höhe von 221.481,53 Euro (UA S. 53) und den hiervon auf den Angeklagten entfallenden 95 % eine diesen benachteiligende Berechnung dar.“

4. Die Aufhebung der für Fall 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Diese könnte zudem bereits wegen des Wegfalls der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe keinen Bestand haben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei entsprechender Teileinstellung auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1168

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede