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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 362

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 632/18, Beschluss v. 10.10.2019, HRRS 2020 Nr. 362


BGH 1 StR 632/18 - Beschluss vom 10. Oktober 2019 (LG Nürnberg-Fürth)

Strafzumessung (erforderliche eingehendere Darstellung der strafschärfenden Umstände bei Verhängung einer hohen Strafe).

§ 46 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Februar 2018, soweit dieser Angeklagte verurteilt wurde, im Strafausspruch und im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten seines Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.800 Euro angeordnet und eine Entscheidung über die Anrechnung der Auslieferungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner mit der Sachrüge begründeten Revision.

Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte und weitere Tatbeteiligte im Sommer 2016 zu einer Bande zusammen, um im Raum N. Heroin zu verkaufen. Der Mitangeklagte P. beschaffte das Heroin, sorgte für dessen Lagerung in verschiedenen Bunkern der Gruppierung und rekrutierte die Verkäufer (sog. „Läufer“). Bandenmitglieder, darunter auch der Angeklagte, übernahmen das Heroin zu einem von dem Angeklagten festgesetzten Kaufpreis, streckten und portionierten es in Plomben zu je fünf Gramm und versorgten sodann die Läufer. Die Läufer verkauften die Plomben zu vorgegebenen Preisen an festgelegten Orten an die ihnen genannten Abnehmer.

Der Angeklagte führte Heroin aus zwei getrennten Vorratsmengen durch Übergabe an die „Läufer“, und zwar 189,15 Gramm (Wirkstoffgehalt 10 % Heroinhydrochlorid) von Anfang bis Mitte Juli 2016 und 194 Gramm (Wirkstoffgehalt 10 % Heroinhydrochlorid) vom 21. Oktober 2016 bis 20. November 2016, dem Verkauf zu.

II.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch, zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), der Einziehung und der Anrechnung der Auslieferungshaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Indes hat der Strafausspruch keinen Bestand.

1. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann jedoch eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, namentlich die tatrichterlichen Zumessungserwägungen defizitär oder in sich fehlerhaft sind.

Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor. Angesichts der beträchtlichen Höhe der verhängten Einzelstrafen hätte es einer eingehenderen Begründung bedurft (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 317/15 Rn. 4; vom 29. November 2012 - 5 StR 522/12 Rn. 4; vom 19. Juni 2012 - 5 StR 264/12 Rn. 3 und vom 20. September 2010 - 4 StR 278/10 Rn. 5; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. September 1993 - 2 StR 308/93, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 26). Die Strafkammer beschränkt sich hierbei lediglich auf die Mitteilung, um wieviel die nicht geringe Menge überschritten ist, dass es sich bei Heroin um eine gefährliche Droge handelt und der Angeklagte wegen nicht einschlägiger und mehrere Jahre zurückliegender Straftaten vorbestraft ist. Vor allem die nur rudimentär dargestellten Strafschärfungsgründe lassen die verhängten Strafen nicht ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen.

2. Da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 362

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 371

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede