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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 938

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 277/17, Beschluss v. 14.07.2020, HRRS 2020 Nr. 938


BGH 1 StR 277/17 (1 StR 596/18) - Beschluss vom 14. Juli 2020

Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr.

§ 51 RVG

Entscheidungstenor

Der Antrag des für die Angeklagte R. gerichtlich bestellten Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. A., auf Festsetzung einer Pauschgebühr für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der bereits vom Landgericht als Pflichtverteidiger der Angeklagten R. beigeordnete Antragsteller wurde mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27. Juli 2017 neben einem weiteren Pflichtverteidiger als Verteidiger der Angeklagten für die Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof bestellt.

Am 7. November 2017 fand im ersten Rechtsgang eine Hauptverhandlung mit einer Dauer von einer Stunde und zehn Minuten vor dem Bundesgerichtshof statt, an der unter anderem neben dem weiteren Pflichtverteidiger auch der Antragsteller als Verteidiger der Angeklagten R. teilnahm. Im zweiten Rechtsgang wurden die von beiden Angeklagten eingelegten Revisionen im Beschlusswege verworfen.

Im nachfolgenden Vergütungsfestsetzungsverfahren hat das Landgericht auf Antrag des Antragstellers durch Beschluss vom 4. Juni 2018 dessen gesetzliche Gebühren und Auslagen für das erste Revisionsverfahren einschließlich einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4131, 4130 RVGVV in Höhe von 603 € und einer Terminsgebühr gemäß Nr. 4133, 4132 RVGVV in Höhe von 328 € auf insgesamt 1.849,41 € festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2020 hat der Antragsteller die Bewilligung einer Pauschvergütung gemäß § 51 RVG für beide Revisionsverfahren (einschließlich der Hauptverhandlung) beantragt und zur Begründung ausgeführt, das Revisionsverfahren sei - insbesondere im ersten Rechtsgang - mit einem außergewöhnlich großen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden gewesen. Es sei um eine komplexe und schwierige Rechtsfrage und auch schwierige tatsächliche Fragen gegangen; zudem habe es sich um eine sehr schwierige Mandantschaft gehandelt, die einen hohen Erläuterungsbedarf gehabt habe.

Durch Beschluss vom 30. April 2019 hat das Oberlandesgericht München eine Pauschvergütung für das gesamte Verfahren (erster und zweiter Rechtsgang) ausschließlich des Verfahrensabschnitts der Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof in Höhe von 10.000 € festgesetzt.

Die Bundeskasse hat zu dem danach noch unbeschiedenen, die Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof betreffenden Vergütungsantrag dahin Stellung genommen, dass für einen gerade mit der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren in Zusammenhang stehenden besonderen Aufwand des Antragstellers, der eine Pauschgebühr rechtfertigen könnte, nichts ersichtlich sei. Sie hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für die Entscheidung über die Bewilligung der vom Antragsteller geltend gemachten Pauschgebühr ist, weil der Bundesgerichtshof den Antragsteller für die Hauptverhandlung bestellt hat, gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 RVG eröffnet, soweit die Gebühr für die Hauptverhandlung im Revisionsverfahren des ersten Rechtsgangs (1 StR 277/17) geltend gemacht wird.

2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem in einer Strafsache gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das Verfahren oder einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine über die gesetzlichen Gebühren hinausgehende Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Dies ist nur der Fall, wenn sich die anwaltliche Mühewaltung von sonstigen - auch überdurchschnittlichen - Verfahren so deutlich abhebt, dass dem Anwalt die gesetzlichen Gebühren als Vergütung seiner Tätigkeit auch in Anbetracht des geltenden Prinzips der Mischkalkulation nicht zumutbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 1 StR 492/15 Rn. 5 mwN; BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2008 - 2 BvR 1173/08 Rn. 9 mwN; zum Prinzip der Mischkalkulation vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05 und 1 BvR 1389/05 Rn. 72 mwN). Die Bewilligung einer Pauschgebühr ist nach dem gesetzlichen Vergütungssystem auf Ausnahmefälle beschränkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 - 1 StR 492/15 Rn. 5 mwN; vom 19. Januar 2017 - 2 StR 549/15 Rn. 1 und vom 1. Juni 2015 - 4 StR 267/11 Rn. 5).

Entscheidend ist für die Bewilligung einer Pauschgebühr, ob die konkrete Strafsache umfangreich oder rechtlich schwierig war und sie deshalb eine zeitaufwendige, gegenüber anderen Verfahren deutlich erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich gemacht hat. Zu berücksichtigen ist insoweit nur der Zeitaufwand, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 - 1 StR 492/15 Rn. 5 mwN und vom 1. Juni 2015 - 4 StR 267/11 Rn. 5 mwN); etwa angefallene Fahrt- und Reisezeiten sind ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 1 StR 492/15 Rn. 5 mwN).

b) Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren liegen hier nicht vor.

Der Antragsteller hat sich schon nicht dazu erklärt, wie hoch der ihm gerade im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren entstandene Aufwand im Einzelnen tatsächlich war. Er hat damit auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm ein Aufwand entstanden ist, der den üblicherweise für eine Hauptverhandlung im Revisionsverfahren anfallenden Aufwand in einem Maße übersteigt, dass dieser auch unter Berücksichtigung des dem Gesetz zugrundeliegenden Gedankens der gebührenrechtlichen Mischkalkulation nicht mehr mit den gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten ist. Dass es sich vorliegend um ein Revisionsverfahren gehandelt hat, in dem sich eine schwierige Rechtsfrage gestellt hat, und es sich zudem um eine schwierige Mandantin mit hohem Erläuterungsbedarf gehandelt haben mag, reicht zur Begründung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht ohne Weiteres aus, zumal vorliegend unklar bleibt, welchen Aufwand dies dem Antragsteller gerade im Zusammenhang mit der Revisionshauptverhandlung tatsächlich verursacht hat. Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass die Hauptverhandlung im vorliegenden Fall mit einer Dauer von kaum mehr als einer Stunde nicht erheblich länger als eine durchschnittliche Hauptverhandlung gedauert hat, dass die rechtliche Aufarbeitung des Falles und der sich dabei stellenden revisionsrechtlichen Fragen auch und gerade durch die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren abgegolten ist, wobei insoweit bereits eine Pauschgebühr bewilligt wurde, und dass der Vorbereitungsaufwand für die Hauptverhandlung zwischen dem Antragsteller und dem weiteren für die Angeklagte bestellten Verteidiger aufgeteilt werden konnte.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 938

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 296

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede