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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1076

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 94/16, Urteil v. 13.07.2016, HRRS 2016 Nr. 1076


BGH 1 StR 94/16 - Urteil vom 13. Juli 2016 (LG Nürnberg-Fürth)

Tatrichterliche Beweiswürdigung (revisionsrechtliche Überprüfbarkeit); Mittäterschaft beim Diebstahl und Wegnahme (Voraussetzungen; Mitwirkung am Gewahrsamsübergang); Beihilfe (notwendige Feststellungen).

§ 261 StPO; § 25 Abs. 2 StGB; § 27 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.). Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.).

2. Einzelfall der Anwendung der Maßstäbe auf die Verwirklichung der Wegnahme des Diebstahls.

3. Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.).

4. Einzelfall der mangelnden Feststellung konkreter Förderungen bei einer von anderen ausgeführten Diebstahlstat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. März 2015

a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) der Urteilsgründe jeweils die tateinheitlichen Verurteilungen entfallen

b) und klarstellend dergestalt neu gefasst, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in vier Fällen verurteilt ist;

c) im Strafausspruch mit Ausnahme der in den Fällen A.II.2.a) und A.II.2.b) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels sowie über eine nach der Verkündung des angefochtenen Urteils eingetretene Verfahrensverzögerung, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen und in einem (weiteren) Fall in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der Angeklagte als Mitglied einer polnischen Tätergruppierung um den bereits verurteilten B. im Zeitraum zwischen Mai und September 2013 an vier Diebstählen von hochwertigen Fahrzeugen der Marke Audi. Bei den Tatobjekten handelte es sich jeweils um solche mit einem bestimmten Modell einer Wegfahrsperre, die B. zu überwinden in der Lage war. In sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen öffnete B. mit einer spezifischen Vorgehensweise eine Fahrzeugtür, verschaffte sich Zugang zum Steuergerät des Fahrzeugs und verhinderte durch Unterbindung der Stromzufuhr das Auslösen des Alarms. Anschließend setzte er ein mitgeführtes elektronisches Gerät ein, um das Steuergerät des jeweiligen Pkws so zu programmieren, dass ein von ihm mitgebrachter Schlüsselrohling zum (erneuten) Öffnen der Fahrzeugtüren sowie zum Starten des Fahrzeugs eingesetzt werden konnte. Die Schlüsselrohlinge nutzten anschließend Tatbeteiligte, um die von B. manipulierten Fahrzeuge zu starten und vom jeweiligen Tatort wegzufahren.

In den Fällen der A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe brach B. jeweils einen Pkw Audi auf die beschriebene Weise auf und versetzte diesen in einen fahrbereiten Zustand. Der Angeklagte übernahm das entsprechende Fahrzeug und entfernte sich damit jeweils in Koordination mit B. vom Tatort. Im Fall A.II.2.a) geriet er allerdings einige Zeit nach Aufbruch und Übernahme des Audi‘s in eine Polizeikontrolle. Der Angeklagte ließ das entwendete Fahrzeug stehen und floh zu Fuß.

Vor der Tat im Fall A.II.2.c) der Urteilsgründe reiste der Angeklagte gemeinsam mit B., dessen jüngeren Bruder sowie einem weiteren, lediglich unter dem Spitznamen „K.“ bekannten Tatbeteiligten nach U., um dort auf die beschriebene Weise Fahrzeuge zu entwenden. In der Tatnacht brach B. innerhalb eines Zeitraums von knapp einer Stunde drei Pkw verschiedener Modelle der Marke Audi auf und machte sie startbereit. Der Angeklagte sowie die beiden weiteren Tatbeteiligten übernahmen von B. jeweils einen Schlüsselrohling und traten als Fahrer je eines Fahrzeugs die Rückreise nach Polen an. Diese erfolgte in Koordination mit B., der vorausfuhr, um die Fahrer der gestohlenen Pkws vor etwaigen Polizeikontrollen zu warnen. Welches der drei entwendeten Fahrzeuge der Angeklagte geführt hatte, konnte das Landgericht nicht aufklären.

Zur Ausführung der Tat im Fall A.II.2.d) begaben sich B., der Angeklagte sowie ein unbekannt gebliebener weiterer Tatbeteiligter nach M. Nach dem Aufbruch der beiden Audi-Pkw und der Umprogrammierung des Steuergeräts übergab B. den beiden anderen Beteiligten wiederum jeweils einen Schlüsselrohling. Unter der beschriebenen absichernden Begleitung durch B. fuhren der Angeklagte und der weitere Tatbeteiligte die Fahrzeuge nach Polen. Welcher Wagen von welchem der beiden gefahren worden war, hat die Strafkammer wiederum nicht feststellen können.

2. Das Landgericht hat die Taten für den Angeklagten jeweils als gemeinschaftlich mit B. begangene Diebstähle im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nrn. 2 und 3 StGB) gewertet. Dabei ist es davon ausgegangen, dass es sich in den Fällen A.II.2.c) und d) der Urteilsgründe um drei bzw. zwei durch den Angeklagten tateinheitlich verwirklichte Diebstähle gehandelt hat. Ihm seien auch die Diebstähle derjenigen Fahrzeuge, die er nicht selbst gesteuert hatte, mittäterschaftlich zuzurechnen (UA S. 20).

II.

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils gemeinschaftlich mit B. begangenen Diebstahls in vier Fällen. Dagegen halten die in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) erfolgten Verurteilungen wegen tateinheitlich in drei bzw. zwei Fällen verwirklichter Diebstähle rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Den getroffenen Feststellungen liegt für alle verfahrensgegenständlichen Fälle eine jeweils rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde.

a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 - 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 - 5 StR 136/14 mwN und vom 15. Dezember 2015 - 1 StR 236/15, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 - 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Die Überzeugung des Tatgerichts muss in den Feststellungen und der diesen zugrunde liegenden Beweiswürdigung allerdings eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Urteil vom 19. April 2016 - 5 StR 594/15 Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Es ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. März 2002 - 5 StR 448/01 und vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).

Die schriftlichen Urteilsgründe müssen dabei so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 - 3 StR 224/14 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).

b) An diesen Maßstäben gemessen ist die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.

aa) In den Fällen A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe hat der Angeklagte eingeräumt, die betroffenen Fahrzeuge von mit B. erhaltenen Schlüsseln gestartet und jeweils vom Abstellort weggefahren zu haben. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seiner weiteren Einlassung, er habe lediglich ein von B. gestohlenes Fahrzeug erwerben wollen, nicht gefolgt ist. Die vom Tatrichter in diesem Zusammenhang gezogenen Schlüsse, die u.a. auf früheren vergleichbaren Straftaten des Angeklagten in Österreich und dem von ihm selbst angegebenen finanziellen Rahmen zum Erwerb eines Pkw von B. sowie der Lebensfremdheit einer erneuten Beteiligung als bloßer Käufer nach der Tatentdeckung im Fall A.II.2.a) fußen, sind jedenfalls möglich, wenn nicht sogar naheliegend. Das gilt in gleicher Weise für die Erwägungen des Landgerichts über die für eine Beteiligung des Angeklagten an diesen Taten sprechende telefonische Kommunikation zwischen diesem und B. im Fall A.II.2.b) während der Überführung des Fahrzeugs vom Tatort in I. nach Polen. Der Angeklagte war während des Betankens des gestohlenen Wagens von der Überwachungskamera der Tankstelle gefilmt worden. Zeitgleich telefonierte er mit einem Mobiltelefon, deren Nummer B. zugeordnet werden konnte.

bb) Die Überzeugung des Landgerichts von der festgestellten Tatbeteiligung im Fall A.II.2.c) der Urteilsgründe beruht ebenfalls auf einer umfassenden und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Insbesondere die vom Tatgericht aus dem mitgeteilten Inhalt eines überwachten Telefongesprächs zwischen B. und einer früheren Lebensgefährtin von diesem legen aus den im angefochtenen Urteil näher dargelegten Gründen die Beteiligung des Angeklagten durch Verbringen eines der bei dieser Tat gestohlenen Fahrzeuge nach Polen außerordentlich nahe.

cc) Die dem Schuldspruch im Fall A.II.2.d) zugrunde liegende Beweiswürdigung hält ebenfalls revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht ist zunächst der Einlassung des Angeklagten am Tattag nicht in M., dem Tatort, sondern zu einem Treffen mit einem Geschäftspartner in D. (Frankreich) gewesen zu sein, beanstandungsfrei nicht gefolgt. Dabei durfte es - wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird - aus dem Teilschweigen des Angeklagten über die Identität des Geschäftspartners eines angeblich legalen Geschäfts für den Angeklagten nachteilige Schlüsse ziehen.

Ebenso sind die Schlüsse, die das Tatgericht aus den Erkenntnissen des polizeilichen Hauptsachbearbeiters, KHK H., und des Zeugen S. über den Besuch von B., dem Angeklagten sowie einer dritten, unbekannt gebliebenen Person bei ihm gezogen hat, als (wenigstens) möglich revisionsrechtlich hinzunehmen. Der Zeuge S. hatte angeben, dass nach den Gesprächsinhalten während des Besuchs alle drei Besucher nach M. weiterfahren wollten. Da drei Personen an den Diebstählen der beiden Fahrzeuge beteiligt waren, zwei Personen während des Tatzeitraums Mobilfunkkontakt mit B. hatten und das Landgericht keinerlei Anhaltspunkte für ein Hinzutreten eines weiteren Täters, der nicht an dem Besuch bei S. beteiligt war, hat feststellen können, ist der im Rahmen der Gesamtwürdigung gezogene Schluss auf die Tatbeteiligung des Angeklagten als einer der Fahrer der entwendeten Audi-Fahrzeuge nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des festgestellten jeweils gleichartigen Vorgehens von B., Fahrer für die Überführung der Fahrzeuge nach Polen zu den Tatorten mitzunehmen, sowie des Umstandes, dass B., dessen Bruder und der Angeklagte bei mehreren Polizeikontrollen gemeinsam angetroffen wurden (UA S. 11). In der vom Landgericht vorgenommenen Gesamtwürdigung zu allen verfahrensgegenständlichen Taten finden damit auch die Beweiswürdigung und die darauf gestützten Feststellungen zu Fall A.II.2.d) eine ausreichende objektive Grundlage.

2. Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch für alle vier verfahrensgegenständlichen Taten lediglich die Verurteilung wegen jeweils eines mit B. gemeinschaftlich begangenen Diebstahls an je einem Fahrzeug, das der Angeklagte vom Tatort weggefahren hat, nachdem B. dieses zuvor auf die beschriebene Weise aufgebrochen und startbereit gemacht hatte. Die Annahme der Mittäterschaft des Angeklagten an den Diebstählen derjenigen Fahrzeuge in den Fällen A.II.2.c) und d), die durch andere Tatbeteiligte weggefahren und nach Polen überführt worden sind, haben dagegen keine tragfähige Grundlage.

a) Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44; vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 226 Rn. 43 und vom 7. Oktober 2014 - 1 StR 182/14, NStZ-RR 2015, 284, 285 jeweils mwN). Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 - 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f.; vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136 f. und vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Angeklagte die Diebstähle, an denen er als Fahrer der zuvor von B. aufgebrochenen und startbereit gemachten Fahrzeuge beteiligt war, mit diesem gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB begangen. Durch die Handlungen von B. war zwar jeweils der zuvor bestehende Gewahrsam des bisherigen Inhabers gebrochen worden. Die Neubegründung des Gewahrsams hat jedoch erst der Angeklagte durch das Wegfahren der Fahrzeuge vom Tatort begründet und damit die Vollendung der jeweiligen Taten bewirkt. Bereits dieses Ausmaß der Tatbeteiligung und das damit einhergehende Maß an Tatherrschaft genügen, um eine Mittäterschaft des Angeklagten an den Taten von B. rechtsfehlerfrei zu begründen.

c) Dagegen ist die Annahme einer Mittäterschaft an den Diebstählen derjenigen Fahrzeuge in den Fällen A.II.2.c) und d), die von anderen Tatbeteiligten geführt wurden, nicht tragfähig belegt.

Zu der Wegnahme dieser Fahrzeuge hat der Angeklagte keinen eigenen Tatbeitrag erbracht. Aufhebung des bisherigen Gewahrsams und dessen Neubegründung sowie die endgültige Sicherung der Tatbeute spätestens durch die Verbringung der Pkw Audi nach Polen erfolgten ausschließlich durch B. und jeweils einen anderen Tatbeteiligten. Die vor dem unmittelbaren Ansetzen zu den Diebstählen dieser Fahrzeuge erfolgende gemeinsame Anreise aller an der jeweiligen Tat Beteiligten vermag jedenfalls unter den hier vorliegenden konkreten Gegebenheiten keine Tatherrschaft des Angeklagten zu begründen. Die vom Landgericht festgestellte Koordination der Überführung der gestohlenen Pkw durch die jeweiligen Fahrer untereinander mittels eigens dafür beschaffter Mobiltelefone und das Vorausfahren durch B., um u.a. vor Polizeikontrollen zu warnen (UA S. 5), lässt ebenfalls nicht erkennen, wie auf diese Weise ein gewisses Maß an Tatbeteiligung und Tatherrschaft, als Anhaltspunkte für (Mit)Täterwillen, hinsichtlich der Vollendung und Beendigung der Diebstähle derjenigen Fahrzeuge begründet werden soll, die der Angeklagte nicht selbst geführt hat.

Soweit das Landgericht ein „nicht unerhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse am Gelingen der Tat in nicht genau feststellbarem Umfang“ (UA S. 20) als Mittäterschaft begründendes Kriterium heranzieht, ist bereits der berücksichtigte Umstand nicht beweiswürdigend belegt. Das Landgericht hat nämlich gerade nicht aufzuklären vermocht, was mit den entwendeten Fahrzeugen nach der Tat geschah bzw. geschehen sollte und welchen finanziellen Vorteil der Angeklagte für seine Tatbeteiligung erhielt (UA S. 19). Die Annahme der Strafkammer, „pro Täter und Tat“ fiele „ein Profit in Höhe von mindestens einigen hundert Euro“ ab (UA S. 19) findet wiederum keine ausreichende Stütze in den erhobenen Beweisen. Insbesondere sind keine Umstände tragfähig festgestellt, aus denen sich eine Teilhabe aller jeweils Tatbeteiligten am Erlös sämtlicher pro Fall entwendeter Fahrzeuge entnehmen ließe.

Angesichts des Vorstehenden findet auch die weitere Erwägung der Strafkammer, „selbst bei einem gegenüber den weiteren Beteiligten gering ausgeprägten Eigeninteresse (seien) die übrigen Faktoren so stark ausgeprägt, dass Mittäterschaft … zu bejahen ist“ (UA S. 20), keine Stütze in den Feststellungen. Tatherrschaft und ein gewisses Maß an Tatbeteiligung des Angeklagten besteht hinsichtlich der jeweils als in Tateinheit verwirklicht bewerteten Diebstählen in den Fällen A.II.2.c) und d) gerade nicht. Selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen dem Tatgericht eingeräumten, revisionsgerichtlicher Kontrolle nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraums (dazu nur BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15 Rn. 7 mwN) ist die Annahme von Mittäterschaft bezüglich der genannten Taten rechtsfehlerhaft.

d) Die Feststellungen tragen in diesen Fällen auch nicht eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu den durch B. und jeweils einem weiteren Tatbeteiligten gemeinschaftlich begangenen Diebstählen.

aa) Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings selbst bei deren Billigung nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 - 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN sowie BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15 Rn. 11 und vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137).

bb) Eine konkrete Erleichterung oder Förderung der Diebstähle der nicht vom Angeklagten geführten Fahrzeuge durch diesen ist aus den Feststellungen nicht ersichtlich. Weder finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die anderen Tatbeteiligten an die jeweiligen Tatorte verbracht hat, noch ist eine Verringerung des Risikos des Transports der anderen Fahrzeuge aufgrund der koordinierten Rückreise nach Polen erkennbar. Selbst wenn die Fahrer auch untereinander per Mobiltelefon in Verbindung gestanden haben (vgl. UA S. 5 oben), erfolgte die Absicherung der Transporte nach den Feststellungen durch B. und nicht durch die Fahrer der bestohlenen Fahrzeuge untereinander. Es ist auch nicht festgestellt, dass den jeweils anderen Fahrern ein höheres Maß an Sicherheit aufgrund der Mitwirkung des Angeklagten durch Überführen eines weiteren Fahrzeugs vermittelt worden ist. Ob dies zur Begründung einer Beihilfe genügen würde, bedarf daher keiner Entscheidung.

3. Der Senat lässt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in den Fällen A.II.2.c) und A.II.2.d) der Gründe des angefochtenen Urteils jeweils die tateinheitlichen Verurteilungen entfallen. Er vermag angesichts der bisherigen Feststellungen auszuschließen, dass noch weitere getroffen werden können, aus denen sich die Voraussetzungen der Mittäterschaft oder einer Form strafbarer Teilnahme ergeben könnten. Selbst wenn sich die Voraussetzungen einer Bande feststellen ließe, resultierte daraus unmittelbar nichts für die konkrete Form strafbarer Beteiligung eines einzelnen Bandenmitglieds an Bandentaten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2016 - 3 StR 538/15 Rn. 5 mwN [in NStZ-RR 2016, 139 nur redaktioneller Leitsatz]).

§ 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.

4. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Zwar enthalten die in den Fällen A.II.2.a) und b) der Urteilsgründe jeweils verhängten Einzelstrafen keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler.

b) Allerdings entfallen infolge der Schuldspruchänderung die Einzelstrafen in den Fällen A.II.2.c) und d). Das Landgericht hat die Zumessung der Einzelstrafen vor allem am Wert der jeweils entwendeten Fahrzeuge orientiert. Da es diesen in den genannten Fällen anhand der Summe des Wertes aller bei der jeweiligen Tat bestohlenen Fahrzeuge bemessen hat (UA S. 22), kann der Senat die Verhängung niedrigerer Strafen durch das Landgericht nicht ausschließen, wenn dieses nur vom Wert des vom Angeklagten überführten Audis ausgegangen wäre. Damit bedarf es auch der Aufhebung der Gesamtstrafe.

c) Das Tatgericht hat zudem entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB einen Anrechnungsmaßstab für die in Polen offenbar in der Zeit vom 17. September bis 1. Oktober 2014 in Polen erlittene Auslieferungshaft (Bl. 48, 51 und 54 der Sachakten) nicht - wie geboten (siehe nur BGH, Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 299/14, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 5 mwN) - bestimmt. Der neue Tatrichter wird dies nachzuholen haben. Angesichts der weitgehenden Aufhebung des Strafausspruchs sieht der Senat davon ab, den Anrechnungsmaßstab selbst festzulegen.

d) Der Aufhebung der dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, treffen.

III.

Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, ist es nach der Verkündung des angefochtenen Urteils zu einer Verfahrensverzögerung gekommen. Die Akten des hiesigen Verfahrens sind versehentlich als Beiakten eines zivilrechtlichen Rechtsmittelverfahrens an den Bundesgerichtshof gesandt worden (BGH XII ZR 71/15). Erst im Februar 2016 gelangten diese wieder an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Bei dem Generalbundesanwalt gingen die Akten am 25. Februar 2016 bzw. am 2. März 2016 ein.

Der neue Tatrichter wird die Verfahrensverzögerung näher festzustellen sowie über Art und Umfang einer dafür erforderlichen Kompensation zu entscheiden haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1076

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede