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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1078

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 256/16, Beschluss v. 27.07.2016, HRRS 2016 Nr. 1078


BGH 1 StR 256/16 - Beschluss vom 27. Juli 2016 (LG Kassel)

Strafzumessung (Berücksichtigung berufsrechtlicher Folgen).

§ 46 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Steht die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen aus Anlass der Begehung einer Straftat im Raum, handelt es sich regelmäßig um einen zu berücksichtigenden Strafzumessungsgrund.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. September 2015 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten, einen selbständig tätigen Steuerberater, wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden.

Seine auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision führt lediglich zur Aufhebung des Strafausspruchs in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Rüge der Verletzung von § 261 StPO ist erfolglos. Die Revision hatte dazu ursprünglich beanstandet, es seien (insgesamt) neun im Urteil verwertete Urkunden nicht Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gewesen. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2016 hat sie an dieser Beanstandung bezüglich eines Teils der Urkunden bereits nicht mehr festgehalten.

Der Rüge insgesamt bleibt der Erfolg versagt. Denn die Revision hatte bei der Erhebung der Rüge vorgetragen, „keine dieser Urkunden“ sei „Gegenstand von Vorhalten im Rahmen der Vernehmungen von Zeugen und des Sachverständigen“ gewesen. Sie seien auch nicht auf andere Weise ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden (Seite 3 der Revisionsbegründung vom 15. Februar 2016). Dieser Vortrag der Revision hat ausweislich der dienstlichen Stellungnahmen der Berufsrichter der Strafkammer und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft so gerade keine Bestätigung gefunden.

Die übrigen Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen, die durch die Ausführungen im Schriftsatz der Revision vom 9. Juli 2016 nicht ausgeräumt worden sind, nicht durch.

2. Der Schuldspruch weist keine Rechtsfehler auf. Den ihn tragenden Feststellungen liegt eine außerordentlich sorgfältige Beweiswürdigung zugrunde. Die Strafkammer hat aus den erhobenen Beweisen durchgängig mögliche Schlüsse gezogen und eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen.

3. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat im Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen nicht erkennbar die dem Angeklagten als Steuerberater drohenden berufsrechtlichen Folgen in den Blick genommen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Die Begehung einer - hier versuchten - Steuerhinterziehung durch einen Steuerberater kann gemäß § 89 Abs. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 5 Steuerberatungsgesetz als Berufspflichtverletzung sogar zu einem Ausschluss aus dem Beruf führen (Kuhls in Kuhls u.a., Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 90 Rn. 47 mwN). Steht die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen aus Anlass der Begehung einer Straftat im Raum, handelt es sich regelmäßig um einen zu berücksichtigenden Strafzumessungsgrund (BGH aaO). Dem hat die Strafkammer nicht entsprochen, sondern lediglich außerhalb der Strafzumessung die Maßregel des § 70 StGB erörtert und die Anordnung des Berufsverbots im Ergebnis abgelehnt.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht zu einer geringeren Freiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es die aufgezeigten, möglichen berufsrechtlichen Folgen bei der Bemessung der Strafe bedacht hätte.

Da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt, bleiben die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1078

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 312; StV 2017, 83

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede