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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 916

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 12/15, Beschluss v. 01.09.2015, HRRS 2015 Nr. 916


BGH 1 StR 12/15 - Beschluss vom 1. September 2015 (LG Augsburg)

Steuerhinterziehung (Berechnungsdarstellung); Dokumentation einer Verständigung (Anforderungen an die Darstellung im Urteil).

§ 370 Abs. 1 AO; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 257c StPO; § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiellrechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (vgl. BGH NJW 2009, 2546 mwN).

2. Weder aus den die Verständigung regelnden Vorschriften der StPO noch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14 (BVerfG NStZ 2015, 170) ergibt sich, dass grundsätzlich Einzelheiten zum Inhalt der erwähnten Verständigung im Urteil über die Mindestanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO hinaus mitzuteilen sind (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2013, 52 mwN).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 15. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit dieser Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen verurteilt worden ist sowie im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Wirtschaftsstrafkammer zuständige andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bankrotts in zwei Fällen sowie wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und einer Gesamtgeldstrafe von 700 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es das Verfahren eingestellt. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel, mit dem er die Verletzung von Verfahrensrecht geltend macht und die Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

II.

Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bedarf Folgendes der Erörterung:

1. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO in Verbindung mit § 24 StPO genügt schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO, weil das Revisionsvorbringen in einem maßgeblichen Punkt unzutreffend ist und daher keine ausreichende Grundlage für die Prüfung durch den Senat geboten hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 398/13 und vom 10. Mai 2011 - 4 StR 584/10, StraFo 2011, 318). So wird die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit darauf gestützt, dass die „abgelehnten Richter es in der Zeit vom 06.05.2014 bis 23.05.2014 nicht für erforderlich gehalten haben, wegen der von der Verteidigung angeforderten Dokumentation nachzufassen“, sondern erst am 23. Mai 2014 den Antrag an das Präsidium geleitet haben. Dies verschweigt, dass die Vorsitzende am 6. Mai 2014 den u.a. um Dokumentation ersuchenden Antrag der Verteidigung dem Präsidenten des Landgerichts mit der „Bitte um Kenntnisnahme und um ggf. weitere Veranlassung“ (SA Bd. VI Bl. 1369) zugeleitet hat. Daraufhin ist am 12. Mai 2014 der Präsidiumsbeschluss gefasst worden.

2. Soweit mit der Beanstandung der „unzureichenden Beweiswürdigung nach verfahrensbeendigender Verständigung gemäß § 257c StPO sowie Verwertung von Akteninhalt, der nicht Inbegriff der Hauptverhandlung wurde (§ 261 StPO)“, eine unzutreffende Dokumentation des Zustandekommens der Verständigung in den Urteilsgründen gerügt wird, zeigt dies keinen Rechtsfehler auf. Der Revisionsführer hat nach Kenntnisnahme der Stellungnahme des Generalbundesanwalts, nach der hierin ebenfalls keine Gesetzesverletzung gesehen wird, geltend gemacht, dass dieser Standpunkt zwar der Kommentarliteratur entspreche, aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14 nicht berücksichtige. Hieraus ergebe sich, dass das Gericht in den Urteilsgründen stets über den Inhalt der Verständigung unter Darlegung der Standpunkte aller beim Gespräch anwesenden Verfahrensbeteiligten zu informieren habe. Der Senat kann jedoch eine solche Deutung der die Verständigung regelnden Vorschriften der Strafprozessordnung weder der zitierten Entscheidung noch dem Gesetz entnehmen. Ein Fall, in dem es über die Mindestanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO hinaus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267 Rn. 23a mwN) der Mitteilung von Einzelheiten zum Inhalt der erwähnten Verständigung bedurft hätte, um die Beweiswürdigung der Strafkammer zum Einlassungsverhalten des Angeklagten ausreichend auf Rechtsfehler überprüfen zu können (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 170/12, NStZ-RR 2013, 52 mwN), liegt nicht vor.

Die im Rahmen dieses Rügevorbringens anklingenden Bedenken gegen die dem Angeklagten im Rahmen der Verständigung auferlegte „Bedingung“ lassen schon nicht den Willen erkennen, einen gesetzeswidrigen Verständigungsinhalt zu rügen (zum Erfordernis der Angriffsrichtung vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14 und vom 30. September 2014 - 3 StR 351/14, wistra 2014, 486; Urteil vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, NJW 2015, 265), zeigen aber auch keinen dahingehenden Gesetzesverstoß auf.

3. Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO ist unzulässig, denn sie erschöpft sich in der Behauptung, der frühere Mitangeklagte K., auf dessen Angaben sich das Urteil bezieht, sei ausweislich des Protokolls nicht als Zeuge vernommen worden und Vernehmungsprotokolle seien nicht verlesen worden. Dies lässt nicht nur offen, ob K. als Mitangeklagter, sondern auch, ob er als Zeuge vernommen worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass dem Vorbringen in der Revisionsbegründung, ein bestimmter Verfahrensvorgang sei nicht protokolliert worden, regelmäßig nicht die Behauptung zu entnehmen ist, dieser Verfahrensvorgang habe tatsächlich in der Hauptverhandlung auch nicht stattgefunden. Denn bei dem alleinigen Abstellen auf das Protokoll bleibt offen, ob der Vorgang gegebenenfalls stattgefunden hat und nur versehentlich nicht protokolliert worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254 mwN).

III.

1. Sowohl der Schuldspruch wegen Bankrotts in zwei Fällen als auch der Strafausspruch für diese beiden Taten hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

2. Jedoch kann der Schuldspruch wegen der Steuerhinterziehungstaten keinen Bestand haben.

Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiellrechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 mwN).

Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen. So ist zwar festgestellt, für welche Firma der Angeklagte für die jeweiligen Tatzeiträume Umsatzsteuer erklärt hat und auf welchen Betrag die Umsatzsteuer jeweils festgesetzt worden ist. Weiter ist ausgeführt, dass der Angeklagte die gemäß § 17 UStG erforderlichen Berichtigungen aufgrund Änderungen bei den Bemessungsgrundlagen nicht getätigt habe. Mitgeteilt wird noch die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer und die jeweilige Steuerverkürzung. Daraus ergibt sich aber nicht, welche Bemessungsgrundlagen der Steueranmeldung zugrunde lagen und was sich daran in welchem Umfang geändert, also die Berichtigungspflicht des Angeklagten nach § 17 UStG ausgelöst hat. Auf diese Weise kann der Senat die Berechnung des jeweiligen Verkürzungserfolgs nicht nachvollziehen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs, soweit der Angeklagte wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt worden ist, zieht die Aufhebung der diesbezüglichen Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 916

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2015, 340

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel