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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 616

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 69/14, Beschluss v. 04.06.2014, HRRS 2014 Nr. 616


BGH 1 StR 69/14 - Beschluss vom 4. Juni 2014 (LG München II)

Verfahrenseinstellung infolge laufenden Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH; Strafzumessung bei Mittätern (Gleichheitsgrundsatz).

§ 46 StGB; § 154 StPO; Art. 267 AEUV, § 19 Abs. 1, Abs. 3 GÜG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 19. August 2013 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, in drei Fällen verurteilt worden ist [Fälle III.1.b)(1), (2) und (4) der Urteilsgründe]; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es eine (bislang) die Einsatzstrafe bildende Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt.

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in drei Fällen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 GÜG wegen unerlaubten Handeltreibens mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, verurteilt worden ist. Die Taten hat der Angeklagte jeweils u.a. gemeinschaftlich mit der im Verfahren 1 StR 388/13 gesondert verfolgten T. N. begangen.

Die für diese Taten ausgesprochenen Einzelstrafen fallen neben der für die Straftat gemäß § 29a BtMG verhängten Einzelstrafe nicht beträchtlich ins Gewicht. Verfahrensökonomisch ist eine Verfolgung der Taten aus § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 GÜG nicht geboten. Der Senat hat in dem Verfahren 1 StR 388/13 mit Beschluss vom 5. Dezember 2013 gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Vorlagefrage zu der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe (ABl. EU Nr. L 47 vom 18. Februar 2004 S. 1 ff.) sowie der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern (ABl. EU Nr. L 22 vom 26. Januar 2005 S. 1 ff. sowie Nr. L 61 vom 2. März 2006 S. 23) unterbreitet. Von der Entscheidung über die Vorlage hängt auch ab, ob die Voraussetzungen der drei dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten des unerlaubten Handeltreibens mit einem Grundstoff, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, gegeben sein können.

2. Mit der Einstellung des Verfahrens insoweit entfallen die für die Taten gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 GÜG ausgesprochenen Einzelstrafen. Dies führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Es verbleibt allein bei der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

3. Im Übrigen hat die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Soweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung des Tatgerichts wendet, zeigt sie keine Rechtsfehler auf. Ihre Ausführungen - auch diejenigen in dem Schriftsatz vom 18. März 2014 - erschöpfen sich in dem im Revisionsrechtszug unbehelflichen Bemühen, eine eigene Beweiswürdigung an diejenige des Tatgerichts zu setzen.

Auch die Strafzumessung des Landgerichts hinsichtlich der Strafe für die Betäubungsmittelstraftat erweist sich als rechtfehlerfrei. Das Tatgericht hat eine hohe Strafe verhängt, die sich aber nicht als nicht mehr dem Schuldgehalt der Tat entsprechend erweist. Innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG, den das Gesetz auch für vermeintlich "weiche Drogen" zur Verfügung stellt, hat das Landgericht unter Berücksichtigung zahlreicher zu Gunsten des Angeklagten sprechender Strafzumessungsaspekte ohne Rechtsfehler für die Höhe der Strafe entscheidend auf die von dem Angeklagten gehandelte erhebliche Wirkstoffmenge abgestellt.

Das Landgericht hat die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs häufig erhobene Forderung bedacht, dass gegen Mittäter verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (siehe nur BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, JR 2012, 249 mwN), was bei identischer Besetzung des erkennenden Gerichts (einschließlich der Schöffen) auch bei Aburteilung in getrennten Verfahren - wie hier in Bezug auf das Verfahren gegen den gesondert Verfolgten V. N. (1 StR 99/14) - zu beachten sei (BGH, aaO). Wie sich aber bereits aus dem Revisionsvorbringen mit der Wiedergabe aus den jeweiligen Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts selbst ergibt, liegen u.a. Unterschiede im Einlassungsverhalten ("teilweise eingeräumt", "vollständig eingeräumt") der jeweiligen Mittäter vor.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 616

Bearbeiter: Karsten Gaede