HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 595
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 605/13, Beschluss v. 12.03.2014, HRRS 2014 Nr. 595
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Februar 2013 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zu zwölf Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und zu zwölf Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Angeklagte wurde wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in jeweils zwölf Fällen - also wegen 24 rechtlich selbständiger Taten - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seine Revision ist auf eine Reihe von Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützt. Sie bleibt im Kern erfolglos. Allerdings hat die Strafkammer zu Unrecht 24 rechtlich selbständige Handlungen angenommen. Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass das ohne den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler festgestellte Geschehen sich als nur eine Tat im Rechtssinne darstellt. Die aus den verhängten 24 Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe bleibt als Einzelstrafe bestehen.
Folgendes ist festgestellt:
Die vier Mitangeklagten, über deren Revisionen der Senat gesondert befunden hat, erbrachten im Rahmen von Bauunternehmen, die sie gegründet hatten, gewerbliche Bauleistungen in Millionenhöhe. Zur Steigerung der "Wettbewerbsfähigkeit" wurden für die - tatsächlich in bar ausgezahlten, unter dem Mindestlohn für das Baugewerbe liegenden - Löhne der Bauarbeiter nur in einem geringen Umfang öffentliche Abgaben bezahlt. Die Baufirmen sollten jedoch den Anschein legalen Verhaltens wahren. Da die erbrachten und in Rechnung gestellten Bauleistungen einerseits und die den zuständigen öffentlichen Stellen gemeldeten Lohnzahlungen andererseits nicht vereinbar gewesen wären, wurden für die jeweiligen Einnahmen "Abdeckrechnungen" beschafft, durch die der Eindruck erweckt wurde, die Einnahmen der Firmen seien mit Hilfe von - von ihnen vergüteten - Fremdleistungen erbracht worden. Den genannten Mitangeklagten war klar, dass die jeweiligen Firmen nach längstens anderthalb bis zwei Jahren ihrer Tätigkeit mit behördlichen Kontrollen rechnen mussten. Daher sollte die jeweilige Firma regelmäßig nur für etwa einen Zeitraum von einem halben Jahr bis anderthalb Jahre "aktiv" am Markt bleiben und jedenfalls dann nicht mehr, wenn der Eindruck entstand, die Behörden könnten Verdacht geschöpft haben. Dann wurde eine neue Firma gegründet, die gegebenenfalls auch nicht abgeschlossene Aufträge zu Ende führte. Die Verantwortung für die genannten Firmen sollte verschleiert werden. Daher wurden Personen, die über falsche Pässe verfügten, dazu veranlasst, unter falschem Namen als Gesellschafter und Geschäftsführer aufzutreten. Dies war erforderlich bei Gründung der Gesellschaft, bei Eintragungen in öffentliche Register (z.B. Handelsregister, Gewerberegister, Handwerkerrolle) aber auch bei der Errichtung von Konten, bei denen die Banken die Identität des Berechtigten prüften oder dann, wenn Auftraggeber auf Kontakt mit dem jeweiligen Geschäftsführer bestanden oder dessen Ausweis verlangten, um sich eine Kopie hiervon zu ziehen.
Zu den Personen, die für die Mitangeklagten in diesem Sinne tätig wurden, zählt auch der Angeklagte. Er unterstützte sie in der dargelegten Weise durch vielfältige, teilweise näher beschriebene einzelne Handlungen, etwa im Zusammenhang mit der zeitnahen Abhebung von Eingängen für Bauleistungen von auf seinen Namen eingerichteten Konten, indem er im Rahmen der "Fa. R. Ltd." als "T. R." auftrat. Diese Firma erzielte in den Monaten November 2008 bis Oktober 2009 im Einzelnen festgestellte Umsätze, ohne dass sich die daraus ergebenden Lohnanteile ordnungsgemäß deklariert worden wären.
Demgemäß wurden die Haupttäter für jeden Monat wegen Hinterziehung von Lohnsteuer und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt. Der Angeklagte wurde dementsprechend wegen 24 Fällen der Beihilfe verurteilt.
Keine der Verfahrensrügen greift durch.
1. Verfahrensrüge I
Das Vorbringen, das Gericht habe keine Feststellungen zur Eröffnung des Hauptverfahrens getroffen und damit die gebotene Prüfung nach Prozesshindernissen unterlassen, geht im Ansatz fehl. Die dem Senat von Amts wegen obliegende Prüfung hat keine Prozesshindernisse ergeben. Anhaltspunkte für ein möglicherweise gegenteiliges Ergebnis sind auch dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen.
2. Verfahrensrüge II
a) Die Hauptverhandlung war am 31. Januar 2013 nach 59 Verhandlungstagen beendet. Ohne dass sie nochmals eröffnet worden wäre, wurde das Urteil am 14. Februar 2013 verkündet. Hierauf gestützt, macht die Revision zutreffend geltend, dass die Frist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO überschritten worden sei.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es vielfach nicht auszuschließen, dass ein Urteil auf einem solchen Mangel beruht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 30. Mai 2007 - 2 StR 22/07 mwN), maßgeblich sind aber - wie bei allen sog. relativen Revisionsgründen - unter Berücksichtigung von Sinn und Bedeutung der verletzten Bestimmung stets die Umstände des Einzelfalls. Die nur begrenzte zeitliche Frist zwischen dem Abschluss der Verhandlung und der Urteilsverkündung soll sicherstellen, "dass die Schlussvorträge und das letzte Wort bei der Beratung allen Richtern noch lebendig in Erinnerung sind" (BGH, aaO). Dementsprechend ist maßgeblich darauf abzustellen, ob über das Urteil innerhalb der Frist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO befunden wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - 5 StR 349/06 mwN) oder nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2007 - 1 StR 58/07 und vom 30. November 2008 - 4 StR 452/06; Urteil vom 30. Mai 2007 - 2 StR 22/07). Ob dies der Fall war, kann allein anhand der schriftlichen Urteilsgründe regelmäßig nicht zuverlässig überprüft werden (BGH, Urteil vom 30. Mai 2007 - 2 StR 22/07).
Dementsprechend zieht der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang regelmäßig dienstliche Äußerungen bei (vgl. sämtliche genannte Entscheidungen).
c) Hier hat der Vorsitzende folgende dienstliche Erklärung - an der zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht - abgegeben:
"Es war zunächst vorgesehen, das Urteil bereits am 31.01.2013 zu verkünden. Hiervon wurde abgesehen, da Rechtsanwalt L. für diesen Fall die Stellung eines Befangenheitsantrags in Aussicht stellte. Rechtsanwalt L. erklärte, er halte es nicht für angezeigt - unmittelbar im Anschluss an die Schlussvorträge der Verteidigung und nach einer relativ kurzen Beratungszeit - das Urteil zu verkünden.
Daraufhin wurde von mir der 07.02.2013 als nächster Verhandlungstermin benannt.
Verschiedene Verteidiger erklärten, an diesem Tag verhindert zu sein. Allerdings vermag ich aus der Erinnerung nicht mehr mitzuteilen, welche Verteidiger dies waren.
Es wurde dann von Seiten der Verteidiger (möglicherweise die Herren Rechtsanwälte C. und D.) vorgeschlagen, den 07.02.2013 als Verhandlungstag entfallen zu lassen und den 14.02.2013 als nächsten Verhandlungstag zu bestimmen.
Hierauf habe ich mich leider eingelassen und mir ist dann der Fehler unterlaufen am 14.02.2013 nicht nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten.
Das am 14.02.2013 verkündete Urteil wurde nach dem Ende der Sitzung vom 31.01.2013 beraten. Im Rahmen dieser Beratung wurde der Umfang der Verurteilungen bzw. Freisprüche beraten. Des weiteren wurden die Strafen beraten. Insoweit wurde ein vorläufiges Ergebnis gefunden. Hierbei ist anzumerken, dass während der gesamten Hauptverhandlung immer wieder der Stand des Verfahrens sowie die möglichen Rechtsfolgen erörtert und beraten wurden. Dies war u.a. aufgrund der zahlreichen Beweisanträge erforderlich. Im Rahmen der Beratung am 31.01.2013 konnte immer wieder auf die bereits gefundenen Zwischenergebnisse Bezug genommen werden.
Die abschließende Beratung erfolgte dann am 14.02.2013 in der Zeit ab ca. 11.15 Uhr bis ca. 13.00 Uhr. Im Rahmen dieser Beratung wurden die zuvor gefundenen Ergebnisse nochmals evaluiert. Bereits der Umfang des Verfahrens sowie der Umfang der getroffenen Feststellungen zeigen, dass in dieser kurzen Zeit eine umfassende Beratung nicht stattgefunden haben kann." d) Dem entnimmt der Senat:
Auf der Grundlage zahlreicher vorangegangener Zwischenberatungen hat die Strafkammer das Urteil unmittelbar im Anschluss an die Hauptverhandlung noch am 31. Januar 2013 beraten und zu allen für ein Urteil maßgeblichen Gesichtspunkten ("Umfang der Verurteilungen bzw. Freisprüche"; "die Strafen") Ergebnisse gefunden. Der Umstand, dass unmittelbar vor der Urteilsverkündung die "zuvor gefundenen Ergebnisse nochmals evaluiert" wurden, stellt nicht in Frage, dass hier die Entscheidung rechtzeitig und unter dem noch frischen Eindruck der soeben beendeten Hauptverhandlung getroffen wurde. Ist dies aber der Fall, so gefährdet allein die verspätete Verkündung des rechtzeitig beratenen Urteils den Bestand dieses Urteils nicht. Umstände des Einzelfalls, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.
3. Verfahrensrüge III
Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Frage, ob vorhandene Unterlagen als eine ausreichende Grundlage für die Einholung eines Sachverständigengutachtens geeignet sind, auch aufgrund eigener Sachkunde beantworten kann. Die Frage, ob aufgrund von Zahlen, die nur einen geringen Individualisierungsgrad aufweisen, beurteilt werden kann, ob diese von derselben Person geschrieben wurden, von der auch eine Unterschrift stammt, ist sehr einfach gelagert und von besonderen Umständen des Einzelfalles unabhängig. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Strafkammer diese Frage aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat, nachdem die Mitglieder der Strafkammer "in ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit bereits eine Vielzahl von graphologischen Gutachten eingeholt haben".
4. Verfahrensrüge IV
Die Revision rügt die abgelehnte "Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens".
Dem liegt Folgendes zugrunde:
Ein Auftraggeber der Firma R. hatte ein Foto vorgelegt, auf dem vermerkt war, es sei der "GF" (gemeint: Geschäftsführer) der Firma R. abgebildet, der an einem bestimmten Tag in den Räumlichkeiten des Auftraggebers gewesen sei.
Die Verteidigung hatte beantragt, ein Gutachten zu erheben, welches unter anderem beweisen solle, dass das Foto nicht in den Räumlichkeiten der Firma des Auftraggebers erstellt und nicht an dem angegebenen Tag gefertigt worden sei.
Die Strafkammer hat den Antrag unter anderem deshalb abgelehnt, weil ein Sachverständiger ohne weitere Unterlagen das exakte Datum der Herstellung des Fotos nicht feststellen könne. Die übrigen Themen des Beweisantrags könne es auch ohne sachverständigen Rat beurteilen.
Die Auffassung der Strafkammer, für das Gutachten fehlten hinsichtlich des Datums seiner Erstellung die erforderlichen Grundlagen, ist nicht zu beanstanden.
Die Auffassung der Revision, dies könne die Strafkammer ohne sachverständigen Rat nicht beurteilen, verdeutlicht keine Rechtsfehler. Insoweit gilt Vergleichbares wie hinsichtlich des graphologischen Gutachtens (s. unter II.3). Soweit die Revisionsbegründung darauf hinweist, der Sachverständige hätte anhand eines Abgleichs der Geschäftsräume einer Firma mit der Fotografie festgestellt, dass das Foto nicht in diesen Räumlichkeiten gefertigt worden ist, ist nicht ersichtlich, warum das Landgericht sich insoweit sachverständiger Hilfe hätte bedienen müssen. Darauf, dass das Revisionsvorbringen ergänzend auf eine Rüge "XY" verweist, ohne dass anhand der Revisionsbegründung erkennbar ist, was damit gemeint sein könnte, kommt es daher nicht einmal mehr an.
5. Verfahrensrüge V
Die Revision wendet sich gegen die Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Zusammenhang mit den Pässen des Angeklagten. In den Urteilsgründen hat die Strafkammer diesen Antrag im Ergebnis auch wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen. Zugrunde liegt, dass die Strafkammer im Laufe der sich über etwa anderthalb Jahre hinziehenden Hauptverhandlung eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gesetzt hatte. Dies ist grundsätzlich zulässig, auch kann gegebenenfalls ein Hilfsbeweisantrag in den Urteilsgründen wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08). Ist in der genannten Fristsetzung dargelegt, dass bei Antragstellung nach Fristablauf der Antragsteller die Gründe hierfür substantiiert zu erklären hat, kann das Gericht dann, wenn dies unterblieben ist und auch sonst ein nachvollziehbarer Anlass für die verfristete Antragstellung nicht erkennbar ist (und die Aufklärungspflicht nicht zur Beweiserhebung drängt), grundsätzlich davon ausgehen, dass ein solcher Antrag allein zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt ist (BGH, aaO). Da die Strafkammer zur Annahme von Verschleppungsabsicht ausdrücklich auf die genannte Fristsetzung Bezug nimmt, und in einer solchen Entscheidung die Annahme von Verschleppungsabsicht bei Antragstellung nach Fristablauf in ihren Grundzügen darzulegen ist, wäre die genannte Entscheidung von der Revision mitzuteilen gewesen. Dies ist nicht geschehen. Gründe die dafür sprächen, dass den in Rede stehenden Anträgen im Blick auf die Aufklärungspflicht nachzugehen gewesen wäre, sind auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
6. Verfahrensrüge VI
Der Umfang einer Wahrunterstellung kann nicht über das hinausgehen, was äußerstenfalls anhand des Beweismittels festgestellt werden kann. Ist ein Konto auf einen bestimmten Namen eingerichtet, können die dieses Konto betreffenden Auszüge nur die Geldflüsse belegen, die über dieses Konto gelaufen sind. Die Wahrunterstellung, "dass von den Konten der Firma R. keine Geldüberweisungen auf Konten, die auf den Namen des Angeklagten A. lauten, getätigt wurden", steht nicht im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen.
7. Verfahrensrüge VII
Gründe, wonach die Strafkammer sich - ausnahmsweise - zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen sachverständiger Hilfe hätte bedienen müssen, sind auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht zu erkennen.
8. Verfahrensrügen VIII und XIX
Eine weitere Rüge bezieht sich darauf, dass die Strafkammer nicht, wie von der Verteidigung im Rahmen eines Hilfsbeweisantrages beantragt, ein biometrisches Gutachten darüber eingeholt hat, dass der Angeklagte nicht mit der Person auf dem oben genannten Foto (Verfahrensrüge IV) identisch sei. Auch insoweit äußert sich die Revision nicht dazu, dass dieser Antrag auch wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen wurde. Es ist auch nicht erkennbar, warum die Strafkammer nicht in der Lage sein sollte, zu beurteilen, ob die auf einen von ihr als ergiebig bewerteten Foto abgebildete Person mit einer Person identisch ist, die sie über etwa 60 Verhandlungstage persönlich in der Hauptverhandlung gesehen hat. Der Umstand, dass, wie in einer weiteren Rüge (XIX) geltend gemacht wird, ein von der Strafkammer verlesenes Gutachten des Bundeskriminalamts zu dem Ergebnis kommt, die auf verschiedenen Fotos abgebildete Person, sei "wahrscheinlich" der Angeklagte oder die festgestellten Ähnlichkeiten würden auf ihn hindeuten, stellt dies nicht in Frage.
9. Verfahrensrüge IX
Unter Bezugnahme auf den in den Urteilsgründen festgestellten Inhalt einer beim Angeklagten sichergestellten SIM-Karte wird gerügt, die Strafkammer hätte über diese SIM-Karte näheren Beweis erheben müssen, da "nach dem Bericht über die Datensicherung im Amt vom 8. Februar 2011 lediglich die Mobilfunknummer des B. [nicht aber, wie es in den Urteilsgründen heißt, auch von zwei hier mitabgeurteilten Tätern] gespeichert war". Dies, so führt die Revision aus, ergebe sich aus einem beigefügten Bericht. Der beigefügte Bericht über die Auswertung einer SIM-Karte ergibt jedoch weder, dass es sich um eine SIM-Karte handelt, die am 6. Oktober 2010 sichergestellt wurde, noch ergibt sich aus ihm ein sonstiger Bezug zum Angeklagten A. Auf dieser Grundlage kann der Senat, ohne dass es auf Weiteres ankäme, nicht erkennen, dass sich die nach Auffassung der Revision für erforderlich gehaltene weitere Beweiserhebung dem Landgericht hätte aufdrängen müssen.
10. Verfahrensrüge X
Der Zeuge G. hatte gegenüber dem Zollbeamten H. erklärt, er erkenne den Angeklagten auf Lichtbildern als denjenigen wieder, der unter dem Namen R. in seiner Anwesenheit einen Mietvertrag abgeschlossen hatte.
In der Hauptverhandlung hatte der Zeuge dies abgeschwächt, jedoch angegeben, dass der Angeklagte ihm bekannt vorkomme. Die Strafkammer hatte keinen Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der ursprünglichen Angaben des Zeugen G. gegenüber dem Zeugen H. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich der Strafkammer unter diesen Umständen die Annahme aufdrängen sollte, die bei Vertragsunterzeichnung ebenfalls anwesende Ehefrau des Zeugen G. werde nunmehr in Abweichung ihrer ursprünglichen Aussage gegenüber dem Zeugen H. erklären, dass es sich bei dem Angeklagten nicht um denjenigen handele, der unter dem Namen R. den Mietvertrag abgeschlossen habe. Darauf, dass das Vorbringen der Revision, die Zeugin werde die Aussage ihres Mannes bestätigen, dass es sich bei dem Angeklagten nicht um die unter dem Namen R. auftretende Person gehandelt habe, die Angaben des Zeugen G. unzutreffend wiedergibt, kommt es daher nicht mehr an.
11. Verfahrensrüge XI
Die Revision macht geltend, die Strafkammer hätte einen näher bezeichneten Bankangestellten zum Beweis der Tatsache vernehmen müssen, dass der Angeklagte nicht derjenige war, der unter dem Namen T. R. ein Konto eröffnete und später dort Barabhebungen vorgenommen hat. Dies, so die Revision, hätte sich aufgedrängt, weil nach dem Akteninhalt der Bankangestellte mit dem angeblichen R. in diesen Angelegenheiten persönlichen Kontakt gehabt habe. Die Revision verkennt, dass die Aufklärungspflicht nicht schon dann verletzt ist, wenn zusätzliche Beweiserhebungen möglich gewesen wären, sondern erst dann, wenn sich dem Gericht die Annahme aufdrängen muss, dass die zusätzlichen Beweiserhebungen das bisherige Beweisergebnis in Frage stellen könnten. Allein die ohne weitere Begründung aufgestellte Behauptung, die Beweiserhebung hätte ein derartiges Ergebnis erbracht, kann den erforderlichen Vortrag dazu, warum sich die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, nicht ersetzen.
12. Verfahrensrüge XII
Die Revision meint, Feststellungen der Strafkammer zum Inhalt einer zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Telefonüberwachung (der Angeklagte habe auf überwiegend serbokroatisch mit anderen Angeklagten telefoniert) könnten nicht zutreffen, dementsprechend könnten sie nicht auf dem Ergebnis der Hauptverhandlung beruhen. Über das Ergebnis eines Augenscheins - hierunter fällt auch das Abhören eines Tonbands (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11 mwN) - hat jedoch allein der Tatrichter zu befinden. Es unterliegt auch bei entsprechender Verfahrensrüge nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78).
13. Verfahrensrüge XIII
Die Rüge bezüglich der entgegen § 250 StPO erfolgten Verlesung einer Urkunde anstelle der Vernehmung ihres Verfassers - sie betrifft eine Feststellung zu den Taten, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat - versagt, weil dieselbe Feststellung auch auf Zeugenaussagen gestützt ist. Unter diesen Umständen hätte die Revision vortragen müssen, aus welchem Grund eine Vernehmung des von der Revision sowohl als Herr M. als auch Herr Ma. bezeichneten Zeugen die bisherigen Erkenntnisse in Frage gestellt hätte.
14. Verfahrensrüge XIV
Die Revision rügt, dass in der Hauptverhandlung aufgrund eines Beschlusses der Strafkammer Blatt 53 der Anklageschrift verlesen worden sei, wobei es sich um einen Teil des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen handelt. Zum prozessualen Hintergrund dieses Beschlusses äußert sich die Revision nicht, ebensowenig die (im Übrigen weitgehend sachgerechte) Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft. Die Revision macht geltend, wegen der Verlesung sei nicht auszuschließen, dass die Schöffen ihre Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft haben.
a) Die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter dem genannten Gesichtspunkt ist im Blick auf die Kenntnisnahme des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen durch die ehrenamtlichen Richter vor allem im Zusammenhang mit der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt erörtert worden (vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Dezember 1986 - 1 StR 433/86; Kellnhofer in Radtke/Hohmann, StPO, § 243 Rn. 54). Ob die hierbei maßgeblichen Gesichtspunkte ohne Weiteres auf eine Fallgestaltung übertragbar sind, in der die Verlesung nicht im Zusammenhang mit der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt und damit noch vor der Beweisaufnahme, sondern - wie hier - als Teil der Beweisaufnahme erfolgt ist, versteht sich nicht von selbst. Die Gefahr einer subjektiven Vermischung von Beweisaufnahme mit sonstigem Verfahrensgeschehen bei den ehrenamtlichen Richtern besteht jedenfalls nicht, allenfalls die Gefahr einer unangemessenen Gewichtung eines Teils der Beweisaufnahme durch die ehrenamtlichen Richter.
b) Letztlich kann dies aber offen bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden "durch ein einmaliges Verlesen ... auch Laienrichter regelmäßig nicht so stark beeindruckt, dass sie das wirkliche Ergebnis der Hauptverhandlung nicht mehr unbefangen in sich aufnehmen können" (BGH, Urteil vom 27. August 1968 - 1 StR 381/68; ebenso BGH, Urteil vom 2. Dezember 1986 - 1 StR 433/86). Dementsprechend ist maßgebend, ob sich das Verlesene nach Umfang, Inhalt und Aufbau ohne Weiteres durch bloßes Zuhören erfassen oder gar einprägen lässt; die Möglichkeit seiner überzeugungsbildenden Wirkung hängt auch von der Dauer der der Verlesung nachfolgenden Hauptverhandlung ab (BGH, aaO).
c) Der in Rede stehende Auszug aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen umfasst eine von insgesamt über 50 Seiten. Er verweist auf dort nicht mitgeteilte Aktenvermerke und Dokumente. Diese Verweisungen sind zwar inhaltlich sachgerecht, da das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen den Akteninhalt zusammenfasst, sie führen aber dazu, dass der in Rede stehende Auszug aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen für sich genommen nur schwer verständlich ist. Der Angeklagte ist in diesem Auszug nicht erwähnt, ebenso wenig die ihm zur Last gelegten Tatbeiträge. Nach der Verlesung fanden noch in einem Zeitraum von mehr als 15 Monaten über 50 Hauptverhandlungstage statt.
Ohne dass es auf Weiteres ankäme, ist die genannte überzeugungsbildende Wirkung der Verlesung hinsichtlich der Feststellungen, die der Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegen, daher sicher auszuschließen.
15. Verfahrensrüge XV
Die Strafkammer hat einen Antrag auf Vernehmung von Arbeitnehmern der Firma R. dazu, ob der Angeklagte deren Geschäftsführer war, als Beweisermittlungsantrag bewertet. Diese Bewertung greift die Revision nicht an, sie meint aber, die Aufklärungspflicht hätte geboten, die Arbeitnehmer als Zeugen zu hören, da sie die auf das übrige Beweisergebnis gestützte Annahme, derjenige, der als R. aufgetreten sei, sei der Angeklagte gewesen, widerlegt hätten. Sie trägt jedoch nicht vor, warum sich der Strafkammer diese Annahme hätte aufdrängen müssen. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich.
16. Verfahrensrüge XVI
Diese Ordnungsziffer ist in der Revisionsbegründung nicht enthalten.
17. Verfahrensrüge XVII
Das Vorbringen, aus einer Urkunde, wonach der Angeklagte in einem bestimmten Monat 108 Stunden gearbeitet habe, ergebe sich in Verbindung mit Überlegungen zu Routenplanern und mit weiteren Aussagen von Zeugen, dass der Angeklagte zu einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort im näheren Umkreis seines Aufenthaltsbereichs denknotwenig nicht gewesen sein könne, geht offenbar von der Auffassung aus, das Revisionsgericht nehme eine eigene Beweiswürdigung vor. Dies geht fehl, ohne dass dies näherer Erläuterung bedürfte.
18. Verfahrensrüge XVIII
Die Strafkammer führt im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass "Unternehmer, die sich ... normtreu verhalten, nach Kenntnis der Mitglieder der Kammer eine Stundenvergütung zwischen € 30,- und € 50,-" berechnen. Die Revision macht geltend, es sei nicht ersichtlich, worauf diese Erkenntnisse beruhten, jedenfalls hätten sie eingeführt werden müssen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es ist fraglich, ob es sich bei den Feststellungen zu typischem Verhalten normtreuer Unternehmer um mehr als den Beleg besonderer Sachkunde - zu einer typischerweise bei einer Wirtschaftsstrafkammer anfallenden Frage - handelt. Derartiges Spezialwissen oder seine Quellen brauchen in der Hauptverhandlung nicht erörtert zu werden. Wenn das Gericht sein Spezialwissen für seine Urteilsfindung nutzt, so handelt es sich dabei nicht um eine Beweiserhebung, zu der es die Verfahrensbeteiligten im Einzelnen anhören müsste (vgl. näher Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 69).
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die genannten Erkenntnisse ein in der Hauptverhandlung zu erörternder Erfahrungssatz wären (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Februar 2012 - 1 StR 378/11 mwN), würde dies im Ergebnis den Bestand des Urteils nicht gefährden. Gegebenenfalls läge eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Bei der Überprüfung von dessen Folgen gelten nach Auffassung des Senats vergleichbare Grundsätze wie dann, wenn dem Urteil ohne vorangegangenen Hinweis ein rechtlicher Aspekt zugrunde gelegt ist, den der Angeklagte nicht erkennen konnte (Verstoß gegen § 265 StPO). Auch dann führt allein der Umstand, dass der Angeklagte keine Gelegenheit hatte, Anträge zu stellen oder Erklärungen abzugeben, nicht notwendig zur Aufhebung des Urteils. Dies ist vielmehr nur dann geboten, wenn für den Fall der Erteilung eines entsprechenden Hinweises ein Prozessverhalten des Angeklagten nicht auszuschließen ist, das den Bestand des Urteils hätte in Frage stellen können. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor, wie der Generalbundesanwalt - im Ergebnis auch zu den ebenfalls auf den Schadensumfang bezogenen Ausführungen im Schriftsatz vom 10. Juli 2013 - im Einzelnen zutreffend dargelegt hat.
Zur Sachrüge:
1. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs.
Die vom Angeklagten unterstützten Haupttäter wurden (bezogen auf die R. Ltd.) wegen jeweils zwölf Taten der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt, weil sie innerhalb des Jahres, in dem die R. Ltd. aktiv war, in jedem Monat ihre steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten verletzten. Die Unterstützungshandlungen des Angeklagten, insbesondere im Zusammenhang mit der Verschleierung der Verantwortlichkeit für die Gesellschaft, können nicht den auf den einzelnen Monat bezogenen Taten der Haupttäter zugeordnet werden. Auch bei den Geldabhebungen ist dies auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht klar möglich. Die fortlaufende Förderung der Taten stellt sich deshalb hier in einer Gesamtschau als nur eine - dauerhafte - Beihilfehandlung des Angeklagten zu den insgesamt 24 Haupttaten dar. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 1 StR 67 68 556/06); es ist ausgeschlossen, dass der Angeklagte, der jede Tatbeteiligung bestritten hat, sich im Falle eines Hinweises nach § 265 StPO erfolgversprechender als geschehen hätte verteidigen können.
2. Auch die vom Landgericht verhängte Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (ausgehend von 18 Einzelfreiheitsstrafen zwischen neun Monaten und zwei Monaten Freiheitsstrafe und sechs Einzelgeldstrafen von je 20 Tagessätzen) kann als Einzelstrafe bestehen bleiben. Der Senat vermag auszuschließen, dass die Strafkammer bei Annahme nur einer Beihilfehandlung eine noch mildere Strafe verhängt hätte, zumal sie auch beim Angeklagten ausdrücklich bedacht hat, dass "es einen grundlegenden Tatentschluss gab, der dem gesamten Tatgeschehen vorgelagert war". Denn die "Konkurrenzkorrektur" bedeutet in aller Regel keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts (vgl. BGH, aaO mwN).
Gründe, die hier eine andere Beurteilung veranlassten, oder sonstige Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Strafzumessung, ergeben sich weder aus dem Revisionsvorbringen, noch sind sie sonst ersichtlich. Ergänzend ist insoweit lediglich Folgendes zu bemerken:
Der Hinweis des Generalbundesanwalts auf die unterlassene Festsetzung der Tagessatzhöhe kann unter diesen Umständen ebenso auf sich beruhen wie die Ausführungen der Revision zu § 47 StGB.
Im Übrigen hat die Strafkammer die Dauer der Hauptverhandlung ausdrücklich zugunsten des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt und dabei bedacht, dass er nur wegen eines geringen Teils der insgesamt zu verhandelnden Taten angeklagt war. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Revision, das Gericht habe strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte "nur hinsichtlich der Taten betreffend die R. angeklagt war", nicht nachzuvollziehen.
Auch das weitere Vorbringen der Revision deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 595
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 251
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel