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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 857

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 440/13, Beschluss v. 22.08.2013, HRRS 2013 Nr. 857


BGH 1 StR 440/13 - Beschluss vom 22. August 2013 (LG Hof)

Kronzeugenregelung (Voraussetzungen der Versagung der vertypten Strafmilderung bei einer lediglich anfänglichen Aussagebereitschaft im Ermittlungsverfahren; Ermessensausübung nach einer Gesamtwürdigung).

§ 46b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

Trägt ein Mitangeklagter durch eine Aussage im Ermittlungsverfahren zur Aufdeckung einer Katalogtat im Sinne von § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO bei und verweigert er als Zeuge in der gegen einen anderen Tatbeteiligten durchgeführten Hauptverhandlung die Aussage, kann das Tatgericht die Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB verweigern. Dies setzt jedoch eine Ermessensausübung auf der Grundlage einer notwendig umfassenden Gesamtwürdigung der in § 46b Abs. 2 StGB genannten und der möglicherweise weiteren relevanten Kriterien voraus.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 6. Mai 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch im Fall B II. 5. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges und wegen versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Einzelstrafe im Fall B II. 5. der Urteilsgründe hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte in diesem Fall bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren den anderweitig verurteilten T. als Mittäter und weiteres Bandenmitglied identifiziert und damit zur Aufdeckung einer Katalogtat im Sinne von § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO beigetragen. Eine Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB hat das Landgericht dem Angeklagten versagt, weil er als Zeuge in der gegen T. durchgeführten Hauptverhandlung die Aussage verweigert hatte.

Der Senat kann diesen Erwägungen nicht entnehmen, ob das Landgericht gemeint hat, in einem solchen Fall lägen die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor (vgl. dagegen Senat, Urteil vom 27. März 1990 - 1 StR 43/90, StV 1990, 455 f.; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 31 Rn. 57 ff. mwN), oder ob es - was an sich zulässig wäre (vgl. Maier in MükoStGB, 2. Aufl., § 46b Rn. 30) - im Rahmen seiner Ermessensausübung aus diesem Grund die Strafrahmenverschiebung versagen wollte. Im letztgenannten Fall fehlt es indes an der notwendigen umfassenden Gesamtwürdigung der in § 46b Abs. 2 StGB genannten und der möglicherweise weiteren relevanten Kriterien (hierzu näher Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46b Rn. 26 ff. mwN).

Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall B II. 5. (zugleich Einsatzstrafe) führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Die weiteren Einzelstrafen, die von diesem Begründungsmangel nicht beeinflusst sind, können bestehen bleiben.

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es gleichfalls nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisher getroffenen nicht entgegenstehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 857

Bearbeiter: Karsten Gaede