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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 295

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 621/12, Beschluss v. 08.01.2013, HRRS 2013 Nr. 295


BGH 1 StR 621/12 - Beschluss vom 8. Januar 2013 (LG Regensburg)

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (Fristbeginn: Darlegung im Antrag).

§ 45 Abs. 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Entscheidend für den Beginn der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Fristversäumung durch den Angeklagten. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags auch, dass der Antragsteller mitteilt, wann dieses Hindernis entfallen ist (vgl. BGH, NStZ 2006, 54 f.). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre.

Entscheidungstenor

Die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 27. Juli 2012 und die Versäumung der Antragsfrist zur Wiedereinsetzung werden als unzulässig verworfen.

Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in acht Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen versuchter Nötigung sowie wegen Nötigung mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist dem neuen Verteidiger, der ihm durch Bestellung vom 13. August 2012 - und nicht, wie vorgetragen, am 16. Oktober 2012 - als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, am 19. September 2012 zugestellt worden.

Mit einem am 22. Oktober 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Pflichtverteidiger die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Mit am 30. Oktober 2012 eingegangenem Schriftsatz hat er Wiedereinsetzung für den Fall beantragt, dass die Revisionsbegründung unvollständig sei. Am 26. November 2012 hat sich ein Wahlverteidiger gemeldet und Akteneinsicht beantragt, die ihm gewährt worden ist. Mit einem am 28. Dezember 2012 eingegangenen Schriftsatz hat der Pflichtverteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision und Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Wiedereinsetzung beantragt.

2. Da die Revisionsbegründung nicht unvollständig, sondern verspätet ist, mithin die Bedingung, unter der Wiedereinsetzung beantragt worden ist, nicht eingetreten ist, ist schon aus diesem Grund über den am 30. Oktober 2012 eingegangenen Antrag nicht zu entscheiden.

3. Die am 28. Dezember 2012 eingegangenen Anträge sind unzulässig, da die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht eingehalten worden sind. Die jeweilige Antragsbegründung äußert sich nicht dazu, wann die Hindernisse, die einer rechtzeitigen Revisionsbegründung und einem rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrag entgegenstanden, weggefallen sind. Entscheidend für den Beginn der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Fristversäumung durch den Angeklagten. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag nicht offensichtlich ist - wie hier, da der Angeklagte z. B. durch den Wahlverteidiger oder den Antrag des Generalbundesanwalts von den versäumten Fristen hätte erfahren können - , gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags auch, dass der Antragsteller mitteilt, wann dieses Hindernis entfallen ist (vgl. BGH, NStZ 2006, 54 f.; NStZ-RR 2010, 378). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschluss vom 4. August 2010 - 2 StR 365/10; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 45 Rn. 5). Erforderlich war demnach die Mitteilung, wann der Angeklagte von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und der Frist des § 45 StPO Kenntnis erhalten hat. An einem entsprechenden Vortrag fehlt es aber.

4. Die Revision des Angeklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO), da die Revision nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO und damit verspätet begründet worden ist.

5. Im Übrigen wäre die Revision auch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 295

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel