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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 176

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 593/12, Beschluss v. 18.12.2012, HRRS 2013 Nr. 176


BGH 1 StR 593/12 - Beschluss vom 18. Dezember 2012 (LG Kaiserslautern)

Keine Nachholung oder Nachbesserung von unzulässigen Verfahrensrügen trotz vorheriger Mitwirkung von Justizpersonal (Urkundsbeamte).

Art. 6 EMRK; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 345 Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung oder Nachbesserung von Verfahrensrügen kommt auch dann nicht in Betracht, wenn bei der Formulierung der als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen zur Unterstützung des Angeklagten sachkundiges Justizpersonal mitgewirkt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Urkundsbeamtin die Verfahrensrügen erkennbar allein deshalb in die Niederschrift aufnimmt, weil der Angeklagte auf deren Niederschrift bestanden hatte.

2. Die Aufnahme der offensichtlich unzulässigen Verfahrensrügen ist zu verweigern. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat sich nicht nur deswegen an der Anfertigung der Revisionsbegründung gestaltend zu beteiligen und die Verantwortung für den Inhalt zu übernehmen, damit die Interessen des Angeklagten auf eine formgerechte und zulässige Revisionsbegründung gewahrt werden, vielmehr soll hierdurch auch gewährleistet werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung grundloser oder unverständlicher Anträge erspart wird (vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 2 Begründungsschrift 5).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. August 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Die Revision ist zulässig.

Der Senat entnimmt der zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 345 Abs. 2 StPO) des Landgerichts abgegebenen Revisionsbegründung, mit der der Angeklagte u.a. die Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung rügt, dass das angefochtene Urteil auch sachlichrechtlich beanstandet werden sollte. Das Vorbringen enthielt damit jedenfalls die Erhebung der allgemeinen Sachrüge.

2. Die Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

a) Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. November 2012 zutreffend dargelegten Gründen unzulässig.

b) Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung oder Nachbesserung von Verfahrensrügen kommt nicht in Betracht, da keine Umstände vorgetragen oder sonst erkennbar sind, die einen Anspruch auf Nachbesserung wegen Pflichtverletzung der Rechtspflegerin rechtfertigen könnten (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 6, 13). Der Umstand, dass bei der Formulierung der als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen zur Unterstützung des Angeklagten sachkundiges Justizpersonal mitgewirkt hat, offenbart hier keinen dem Gericht anzulastenden Fehler zum Nachteil des Angeklagten (vgl. BVerfG NJW 2005, 3629). Die Urkundsbeamtin hatte die Verfahrensrügen erkennbar allein deshalb in die Niederschrift aufgenommen, weil der Angeklagte - wie protokolliert - auf deren Niederschrift bestanden hatte. Richtigerweise hätte sie die Aufnahme der offensichtlich unzulässigen Verfahrensrügen nicht nur verweigern können, sondern auch verweigern müssen. Denn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat sich nicht nur deswegen an der Anfertigung der Revisionsbegründung gestaltend zu beteiligen und die Verantwortung für den Inhalt zu übernehmen, damit die Interessen des Angeklagten auf eine formgerechte und zulässige Revisionsbegründung gewahrt werden, vielmehr soll hierdurch auch gewährleistet werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung grundloser oder unverständlicher Anträge erspart wird (vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 2 Begründungsschrift 5). Eine Mitwirkung an der Anbringung von Verfahrensrügen, mit denen u.a. geltend gemacht werden sollte, das Landgericht sei ein nach Art. 101 Abs. 1 GG unzulässiges Ausnahmegericht, die Strafprozessordnung dürfe nicht mehr angewendet werden, die Abgabenordnung sei noch nie gültig gewesen und die zwangsweise Vertretung durch einen Anwalt vor dem Landgericht verletze die Postulationsfähigkeit des Angeklagten und fuße auf nationalsozialistischem Unrecht, hätte die Rechtspflegerin daher verweigern müssen.

c) Die umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO entscheiden, da die primär auf eine Revisionsverwerfung als unzulässig gemäß § 349 Abs. 1 StPO gerichtete Antragsschrift des Generalbundesanwalts für den Fall, dass der Senat die Revision für zulässig erachtet, auch einen Verwerfungsantrag nach § 349 Abs. 2 StPO enthält.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 176

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2013, 254

Bearbeiter: Karsten Gaede