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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 847

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 191/11, Beschluss v. 29.06.2011, HRRS 2011 Nr. 847


BGH 1 StR 191/11 - Beschluss vom 29. Juni 2011 (LG Bamberg)

Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (Ansetzen zum Versuch); rechtsfehlerhafte Gesamtstrafenbildung (Verbot der Doppelbestrafung).

§ 263 Abs. 1, Abs. 5 StGB; § 22 StGB; § 54 StGB; Art. 103 Abs. 3 GG; § 354 Abs. 1b StPO; § 460 StPO; § 462 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es ist nicht zulässig, Einzelstrafen (auch für sich genommen rechtskräftige), die schon zur Bildung einer Gesamtstrafe in einem nicht rechtskräftigen Urteil gedient hatten, in eine Gesamtstrafe einzubeziehen, da dies die Gefahr einer verbotenen Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) begründen würde (BGHSt 50, 188 mwN).

2. Für die Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1b StPO, den Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen, ist kein entsprechender Antrag des Generalbundesanwalts erforderlich. Der Antrag auf Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs und Zurückverweisung insoweit ist jedenfalls der Sache nach auf das gleiche Ziel gerichtet.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 26. November 2010 im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier Fälle des gewerbsmäßigen Bandenbetruges (§§ 263 Abs. 1, Abs. 5 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit mit Verabredung zu einem weiteren gewerbsmäßigen Bandenbetrug (§ 30 Abs. 2 StGB) zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. In diese hat es eine gegen den Angeklagten durch Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 13. Juli 2010 verhängte Strafe einbezogen, die bereits in ein anderes, allerdings nicht rechtskräftiges Urteil einbezogen worden war. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs, im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Gesamtstrafausspruch ist rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben. Es ist nicht zulässig, Einzelstrafen (auch für sich genommen rechtskräftige), die schon zur Bildung einer Gesamtstrafe in einem nicht rechtskräftigen Urteil gedient hatten, in eine Gesamtstrafe einzubeziehen, da dies die Gefahr einer verbotenen Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) begründen würde (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2005 - 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Gesamtfreiheitsstrafe ohne die fehlerhaft einbezogene Strafe - wenn vielleicht auch nur geringfügig - milder ausgefallen wäre.

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden, der bei Rechtsfehlern, die ausschließlich die Bildung einer Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, den Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen. Er ist hieran nicht dadurch gehindert, dass der - für eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1b StPO ohnehin nicht erforderliche - Antrag des Generalbundesanwalts darauf nicht ausdrücklich abstellt. Der Antrag auf Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs und Zurückverweisung insoweit ist jedenfalls - der Sache nach - auf das gleiche Ziel gerichtet (vgl. Senge, FS Dahs 2005, S. 475, 492). "Echte Zumessungsfehler" (hierzu vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2005 - 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374) liegen nicht vor. Die Entscheidung über die neu zu bildende Gesamtstrafe obliegt nunmehr dem nach § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 430/04, NJW 2004, 3788).

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils über den Gesamtstrafausspruch hinaus keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nimmt der Senat Bezug. Die wenig nahe liegende Annahme der Strafkammer, die Schwelle von strafloser Vorbereitungshandlung zu strafbarem Versuch sei hier nicht schon mit den tatplangemäßen Telefonanrufen, die zu einer Täuschung geführt haben, sondern erst mit unmittelbarem Beginn der von den Bandenmitgliedern jeweils intendierten Geldübergabe der Angerufenen überschritten, kann den Angeklagten jedenfalls nicht beschweren.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kostenentscheidung muss nicht - was möglich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2004 - 4 StR 426/04, wistra 2005, 187) - dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorbehalten bleiben, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung insgesamt angegriffen hat, nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann, so dass der Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2011 - 4 StR 144/11; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 430/04).

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 847

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2011, 306

Bearbeiter: Karsten Gaede