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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 829

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 13/11, Urteil v. 09.06.2011, HRRS 2011 Nr. 829


BGH 1 StR 13/11 - Urteil vom 9. Juni 2011 (LG Würzburg)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Grenzen des Tatausschlusses bei der Betätigung als privater V-Mann).

§ 29 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

1. Eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln scheidet aus, wenn der Täter nicht auf den Umsatz des "Stoffes" abzielt, sondern die Ware der Polizei in die Hände spielen und damit erreichen wolle, dass sie aus dem Verkehr gezogen wird. Er kann dann nach ständiger Rechtsprechung weder Täter noch Teilnehmer des Handeltreibens sein (BGH StV 1988, 432; BGH NStZ 1996, 338 mwN).

2. Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass der Angeklagte die notwendigen Bemühungen entfaltet, um die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangen zu lassen. Der Angeklagte darf die Herrschaft über den Geschehensablauf nicht aus der Hand geben und - auch aus seiner Sicht - der Polizei den Zugriff auf den weiteren Verlauf verwehren. Nur geringfügige Risiken müssen beim Einsatz von Privatpersonen in Kauf genommen werden.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 11. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, versucht zu haben, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einzuführen, und in Tateinheit damit, unerlaubt Handel getrieben zu haben. Das Landgericht hat ihn von diesen Vorwürfen freigesprochen. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

1. Der Angeklagte ist nach den Feststellungen des Landgerichts erheblich vorbestraft. Er wurde 1998 wegen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts war seine Schuldfähigkeit im Tatzeitraum aufgrund einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischhistrionischen Anteilen, einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und einer paranoiden Schizophrenie erheblich vermindert.

2. Die Strafkammer hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte schuldete dem anderweitig verfolgten G. 10.000 Euro, die dieser ihm geliehen hatte. Im September oder Oktober 2009 verlangte G. das Darlehen zurück. Er drohte dem Angeklagten schließlich mit der Beauftragung eines "Killerkommandos". Der Angeklagte äußerte, dass er kein Geld habe, aber über Kontakte zur Rauschgiftszene in Spanien verfüge, weil er wusste, dass G. Haschischkonsument war. Dieser ging darauf ein und wollte Haschisch aus Spanien mit einem Kleinflugzeug nach Deutschland transportieren lassen. Der ihm bekannte und anderweitig verfolgte S. konnte als Fluglehrer über Kleinflugzeuge eines Sportvereins in R. verfügen. Für die Herstellung der Kontakte versprach G. dem Angeklagten, dessen Schulden zu erlassen und zusätzlich einen "Obolus" zu zahlen.

Der Angeklagte ging - so das Landgericht - nur zum Schein auf den Plan ein. Er informierte KHK Gö. darüber, den er seit vielen Jahren kannte. Wie auch schon in früheren Fällen wollte der Angeklagte für seine Tipps von der Polizei eine Belohnung erhalten. Eine solche kam nur im Falle der Sicherstellung von Rauschgift in Betracht. Der Angeklagte wollte nicht, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangten. KHK Gö. forderte den Angeklagten auf, ihn auf dem Laufenden zu halten. G. stellte den Kontakt zwischen dem Angeklagten und S. her. Der Angeklagte übergab G. die Telefonnummer des H. in Spanien und eines "Ali" in Marokko. Die Weitergabe dieser Kontaktdaten teilte er KHK Gö. nicht mit.

Erst Anfang Februar 2010 gelang es G., Geld für das geplante Rauschgiftgeschäft aufzutreiben. F., der selbst mit Haschisch handelte, stellte 15.000 Euro zur Verfügung und gab sie in Anwesenheit von G. an S. Am 7. Februar 2010 überbrachte S. das Geld an H. in Spanien, kam aber ohne Haschisch zurück. Nach Zusagen von Lieferungen flog S. am 3. März und am 12. April 2010 nach Spanien, wurde aber jeweils nur vertröstet. Nach dem letzten erfolglosen Versuch landete er am 25. April 2010 ohne Haschisch in Eutingen in der Nähe von Stuttgart, wo er festgenommen wurde.

Am 6. Februar 2010 hatte der Angeklagte von G. erfahren, dass nun Geld, nämlich 15.000 Euro, da sei und das Geschäft anlaufen solle. Der Angeklagte versuchte vergeblich KHK Gö. zu erreichen, da dieser an jenem Samstag nicht im Dienst war. Er rief deshalb die Notrufnummer 110 an und gab Hinweise auf das bevorstehende Rauschgiftgeschäft. Am darauf folgenden Montag, dem 8. Februar 2010 kam es zu einem Treffen des Angeklagten mit KHK Gö., KHK St. und KHK T. Der Angeklagte erklärte, er wolle konkrete Angaben erst nach einer Vertraulichkeitszusage und einer Belohnungszahlung machen. Er deutete auf einen Kurierflieger hin. Aus einer Telekommunikationsüberwachung bei F. wussten die Polizeibeamten, dass F. und G. sich mit einem solchen Rauschgifttransport beschäftigten. KHK St. und KHK Gö. machten dem Angeklagten deutlich, dass Voraussetzung für eine Belohnung die tatsächliche Sicherstellung von Rauschgift sei. KHK Gö. stellte ihm eine Belohnung von 600 Euro pro Kilogramm sichergestellten Rauschgifts in Aussicht. Der Angeklagte erhielt eine Vertraulichkeitszusage der Staatsanwaltschaft, da die genauen Umstände des bevorstehenden Rauschgifttransportes der Polizei nicht bekannt waren. Es kam zu einem weiteren Treffen zwischen dem Angeklagten und dem als V-Mann-Führer tätigen KHK St. Der Angeklagte teilte nun alle ihm bekannten Informationen über das geplante Rauschgiftgeschäft mit, insbesondere die Namen, Adressen und Telefonnummern der Beteiligten F., G. und S. sowie den Einsatz von 15.000 Euro. Die bisherigen Erkenntnisse der Polizei wurden dadurch voll umfänglich bestätigt. Der Angeklagte erhielt die Aufforderung, alle neuen Entwicklungen der Polizei mitzuteilen. Dies tat er freilich nur verspätet oder gar nicht, wie die Ermittlungsbehörden aus der Telefonüberwachung wussten. Insbesondere teilte er KHK St. den letzten Rückflug von S. aus Spanien nicht mit. Er übermittelte aber zu keinem Zeitpunkt falsche Informationen.

Als S. sich in Spanien aufhielt, nahm der Angeklagte über Sk. Kontakte zu H. auf und erfuhr, dass die Haschischlager leer seien, so dass S. ohne Haschisch zurückkommen werde. Er rief auch mehrfach unter dem Namen "Fischer" am Flugplatz R. an und fragte, ob S. schon gelandet sei, weil eventuell B., ein weiterer Rauschgifthändler in Spanien, zu dem er keinen Kontakt hatte, ohne sein Wissen im Spiel gewesen sein könnte. Weiterhin rief er mehrmals bei S. s Lebensgefährtin an und erkundigte sich nach dem Stand der Sache. Von ihr erfuhr er, dass die Maschine, mit der S. zurückkommen sollte, leer sei.

3. Aufgrund dieser Feststellungen gelangte die Strafkammer zum Freispruch.

Er basiert im Wesentlichen auf den Angaben des Angeklagten, insbesondere zu seinem Motiv. Die Angaben des Angeklagten hält die Kammer für glaubhaft, jedenfalls für nicht widerlegt, zumal sie u.a. von Zeugenaussagen bestätigt wurden. Danach konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass nach dem Willen des Angeklagten das in Spanien zu beschaffende Rauschgift tatsächlich in den Verkehr gelangen sollte. Vielmehr konnte sie nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass Ziel des Handelns des Angeklagten war, nach Sicherstellung der Betäubungsmittel eine Belohnung von der Polizei zu erlangen. Nach einer umfangreichen Beweiswürdigung gelangte sie unter Berufung auf den Zweifelssatz zu der Auffassung, die Tätigkeit des Angeklagten sei nicht auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet gewesen, sondern darauf, diese aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Der Angeklagte sei damit weder Täter noch Teilnehmer des Handeltreibens.

Eine Strafbarkeit wegen versuchter unerlaubter Einfuhr scheitere bereits an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tathandlung.

III.

Das Urteil war aus Rechtsgründen aufzuheben.

1. Zutreffend geht die Kammer davon aus, eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln scheide aus, wenn der Täter nicht auf den Umsatz des Stoffes abziele, sondern die Ware der Polizei in die Hände spielen und damit erreichen wolle, dass sie aus dem Verkehr gezogen wird. Er kann dann nach ständiger Rechtsprechung weder Täter noch Teilnehmer des Handeltreibens sein (BGH, Urteil vom 5. Juli 1988 - 1 StR 212/88, StV 1988, 432; BGH, Urteil vom 7. März 1996 - 4 StR 742/95, NStZ 1996, 338 mwN).

2. Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Annahme, der Angeklagte habe das Rauschgift der Polizei in die Hände spielen wollen. Aus seiner subjektiven Sicht hat der Angeklagte nicht die notwendigen Bemühungen entfaltet, um das im Ausland zu beschaffende Haschisch nicht in den Verkehr gelangen zu lassen. Durch die Weitergabe der Telefonnummern des H. in Spanien und eines "Ali" in Marokko an G., ohne die Polizei darüber zu informieren, gab er die Herrschaft über den Geschehensablauf aus der Hand und ermöglichte auch aus seiner Sicht der Polizei keinen Zugriff auf den weiteren Verlauf. Er hat auch später nicht die erforderliche Sorgfalt eingehalten, um zu erreichen, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt.

Geringfügige Risiken müssen zwar beim Einsatz von Privatpersonen in Kauf genommen werden (vgl. Schünemann in LK, 12. Aufl., § 26 Rn. 67), aber der Angeklagte hat hier polizeiliche Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gar nicht erst ermöglicht oder gar verhindert. Er teilte weder den erfolglosen Beschaffungsversuch vom 3. März 2010 noch den Abflug von S. am 12. April 2010 der Polizei mit. Insbesondere die unterlassene Mitteilung des Landedatums von S. am 25. April 2010 trägt den Schluss nicht, dass der Angeklagte auch aus seiner Sicht alles zur Aufdeckung des Rauschgiftgeschäftes Erforderliche getan hat. Tragfähig ist lediglich der Schluss, dass es ihm ausschließlich um die Belohnung ging, die er bei einem leeren Flugzeug nicht erhalten würde. Die Festnahme von S. bei der Landung am 25. April 2010 erfolgte ohne sein Zutun, wovon der Angeklagte nicht ausgehen konnte, da ihm die Telekommunikationsüberwachung unbekannt war. Für die Annahme, der Angeklagte habe erreichen wollen, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt und dass eine solche Gefahr nicht entstehen könnte, reichen die getroffenen Feststellungen daher nicht aus.

3. Eines weiteren Eingehens auf die Beweiswürdigung bedarf es daher nicht. Das Urteil war mit den Feststellungen aufzuheben, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Beurteilung zu ermöglichen.

IV.

Der Senat weist darauf hin, dass auch eine Strafbarkeit wegen versuchter Einfuhr oder einer versuchten Anstiftung zur Einfuhr nur dann entfallen kann, wenn der Informant auch tatsächlich erreichen will, dass die Betäubungsmittel von der Polizei sichergestellt werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 829

Bearbeiter: Karsten Gaede