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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 666

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 251/10, Beschluss v. 13.07.2010, HRRS 2010 Nr. 666


BGH 1 StR 251/10 - Beschluss vom 13. Juli 2010 (LG Kempten)

Kein Beweisverwertungsverbot nach mangelnder Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand (Abwägungslehre; Verzicht und Beruhen; Wiener Konsularrechtsabkommen).

Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK; Art. 6 EMRK; § 337 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Der Umstand, dass der Angeklagte vor seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nicht über sein Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsabkommens (WÜK) belehrt worden ist, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Nicht jeder Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, die eine Belehrungspflicht vorsieht, zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Die Entscheidung für oder gegen ein solches Verbot ist vielmehr aufgrund einer Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen (BGHSt 52, 110, 116).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 30. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Entgegen der Auffassung der Revision führt der Umstand, dass der Angeklagte vor seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nicht über sein Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsabkommens (WÜK) belehrt worden ist, nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

Nicht jeder Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, die eine Belehrungspflicht vorsieht, zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Die Entscheidung für oder gegen ein solches Verbot ist vielmehr aufgrund einer Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen (BGHSt 52, 110, 116). Die danach vorzunehmende Abwägung ergibt unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verfahrensverstoßes (vgl. hierzu eingehend BGHSt 52, 110, 116), der wesentlichen Belange der Urteilsfindung im Strafverfahren und der Schwere der dem Angeklagten angelasteten Tat, eines Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, dass die vor der Beschuldigtenvernehmung unterbliebene Belehrung des Angeklagten nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK vorliegend kein Beweisverwertungsverbot auszulösen vermag.

Im Übrigen schließt der Senat auch deshalb aus, dass das Urteil auf dem Verstoß beruhen könnte (§ 337 Abs. 1 StPO), weil der Angeklagte nach entsprechender Belehrung durch den Ermittlungsrichter auf eine Benachrichtigung der konsularischen Vertretung seines Heimatlandes ausdrücklich verzichtet hat (vgl. BGHSt 52, 110, 117).

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 666

Bearbeiter: Karsten Gaede