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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 696

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 273/04, Beschluss v. 08.07.2004, HRRS 2004 Nr. 696


BGH 1 StR 273/04 - Beschluss vom 8. Juli 2004 (LG Mannheim)

Gebotene Videoaufzeichnung der Vernehmung einer schutzbedürftigen Zeugin im Ermittlungsverfahren (Dokumentationspflicht; Opferschutz bei schwerwiegenden Sexualstraftaten).

Art. 3 EMRK; § 58a Abs. 1 Satz 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Wird wegen des Verdachts ermittelt, ein Kind sei Opfer schwerwiegender Sexualstraftaten geworden, so begründet die "Sollvorschrift" des § 58a Abs. 1 Satz 2 StPO eine grundsätzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, die Aussagen des Kindes aufzuzeichnen.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 4. Februar 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Senat sieht Anlaß zu folgendem Hinweis: Die Jugendschutzkammer hat festgestellt, daß der Angeklagte die 1990 geborene Geschädigte jahrelang sexuell mißbraucht hat. Die Geschädigte ist suizidgefährdet, autoaggressiv und auch sonst erheblich psychisch belastet; sie ist seit Monaten stationär in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Bei der Würdigung der Aussage, die die Geschädigte in der Hauptverhandlung gemacht hat, führt die Jugendschutzkammer aus, daß diese im Lauf des Verfahrens bereits von der Kriminalpolizei und nochmals von der Ermittlungsrichterin vernommen und darüber hinaus von einer Sachverständigen begutachtet und dabei zum Tatgeschehen befragt worden war.

Es wäre nach Auffassung des Senats angezeigt gewesen, von der Möglichkeit einer Videoaufzeichnung Gebrauch zu machen. Wird, wie hier, wegen des Verdachts ermittelt, ein Kind sei Opfer schwerwiegender Sexualstraftaten geworden, so begründet die "Sollvorschrift" des § 58a Abs. 1 Satz 2 StPO eine grundsätzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, die Aussagen des Kindes aufzuzeichnen (Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl., Nachtrag, § 58a Rdn. 17 m.w.N.; vgl. auch Trück, NStZ 2004, 129).

Durch das Festhalten der Aussage in Bild und Ton wird es vielfach ermöglicht, Mehrfachvernehmungen zu immer demselben psychisch belastenden Thema zu vermeiden. Damit soll den Belangen besonders schutzbedürftiger Zeugen bereits im Ermittlungsverfahren Rechnung getragen werden (Senge in KK 5. Aufl. § 58a Rdn. 1; Trück aaO; vgl. auch Nrn. 19, 19a RiStBV).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 696

Bearbeiter: Karsten Gaede