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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 287/03, Urteil v. 05.11.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 287/03 - Urteil vom 5. November 2003 (LG Ellwangen)

Betrug (Versuch; Vollendung; Vermögensschaden: schadensgleiche Vermögensgefährdung); Urkundenfälschung; Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall; Testierfreiheit.

§ 263 StGB; § 22 StGB; § 23 StGB; § 267 StGB; § 328 BGB; § 331 BGB; Art. 14 Abs. 1 GG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei einem fingierten, auf den Todesfall bezogenen Vertrag zu Gunsten Dritter ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung noch nicht eingetreten, solange derjenige, mit dessen Tod die Begünstigung eintreten soll, noch lebt. Die Möglichkeit eines Menschen, über sein Vermögen zu seinen Lebzeiten frei zu verfügen, kann in diesem Zusammenhang nicht als rechtlich bedeutungslos angesehen werden. Dabei kommt es weder darauf an, ob etwa im Hinblick auf das hohe Alter des Vermögensinhabers noch mit nennenswerten Vermögensverfügungen zu rechnen ist, noch darauf, ob dem Vermögensinhaber Manipulationen, die sich nach seinem Tod auswirken sollen, unbekannt sind.

2. Betrug ist vollendet, wenn die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils zum Zeitpunkt der Verfügung so groß ist, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 27. Februar 2003 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte im Fall II 3 der Urteilsgründe (E.) des versuchten Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Angeklagte wurde wegen Betrugs in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Seine Revision ist auf die Sachrüge und hinsichtlich des Strafausspruchs auch auf eine Verfahrensrüge gestützt. Sie führt in einem Fall zur Änderung des Schuldspruchs, bleibt aber im übrigen erfolglos.

I.

Die Strafkammer hat festgestellt:

Der Angeklagte war Auszubildender der G. Volksbank. Um sich zu bereichern, ging er unter Mißbrauch seiner beruflichen Möglichkeiten wie folgt vor: Er suchte sich die Daten wohlhabender Bankkunden heraus, deren baldiges Ableben er wegen ihres hohen Alters erwartete. Er fälschte sogenannte auf den Todesfall bezogene Verträge zu Gunsten Dritter, in denen die Kunden, die in Wahrheit von alledem nichts wußten, für den Fall ihres Todes Tatgenossen des Angeklagten scheinbar ihr Bankguthaben übertrugen.

Zugleich fälschte er das Handzeichen von Bankbediensteten auf dem jeweiligen Formular und erweckte dadurch den Anschein, diese hätten eine Legitimationsprüfung vorgenommen. Dadurch veranlaßte er, daß die letztlich zuständigen Bankangehörigen diese von ihm in den Geschäftsgang gegebenen Verträge für echt hielten und gegenzeichneten. In einem Fall hatte der Angeklagte letztlich (teilweise) Erfolg, in einem Fall nicht. Sein Bestreben, bei einer anderen Bank in ähnlicher Weise einen von ihm zu seinen Gunsten gefälschten Vertrag zu plazieren, kam noch vor Ableben des Kunden ans Licht.

1. Auf Grund eines 1998 gefälschten Vertrages hielt die G. Volksbank den bereits rechtskräftig abgeurteilten N. für berechtigt, nach dem Tod des 1908 geborenen S. über dessen Guthaben zu verfügen. Als S. im Januar 2001 verstarb, hatte er ein Guthaben über 470.000 DM. N. konnte 170.000 DM abheben, 50.000 DM konnte er behalten, den Rest bekam der Angeklagte. Weitere Abhebungsversuche scheiterten, weil wegen zwischenzeitlicher Proteste der Erben S.s Zweifel an N.s Legitimation aufgetaucht waren. Die Bank wurde durch die Zahlungen an N. nicht von ihrer Verpflichtung gegenüber den Erben befreit. Die Versicherung der Bank hat den Schaden ersetzt.

2. In gleicher Weise fälschte der Angeklagte ebenfalls 1998 einen Vertrag, wonach scheinbar die 1913 geborene H., die damals über ein Guthaben von 320.000 DM verfügte, dieses mit ihrem Tod auf den inzwischen rechtskräftig abgeurteilten T. übertrug. Nachdem Frau H. im November 2000 verstorben war, erfuhr der Rechtsanwalt, dem Frau H. eine Vorsorgevollmacht erteilt hatte, von diesem Vertrag und widerrief ihn sofort. Daher kam es weder zu einer Umschreibung des Kontos noch zu einer Auszahlung.

3. Ebenfalls 1998 erhielt der Angeklagte von Ho., der damals von der Sparkasse He. zum Bankkaufmann ausgebildet wurde, sowohl entsprechende Formulare der Sparkasse als auch die Daten des 1908 geborenen E.; dieser verfügte damals über ein Guthaben von mehr als 650.000 DM. Der Angeklagte fälschte einen Vertrag, in dem er sich selbst als nach dem Tode E.s Berechtigten eintrug. Ho. - ob er gut- oder bösgläubig war, läßt die Strafkammer offen - "übernahm .... die Legitimationsprüfung" und gab den Vertrag dann in den Geschäftsgang. Der Zweigstellenleiter der Sparkasse fragte jedoch bei E. nach, ob mit dem Vertrag alles in Ordnung sei. Dadurch wurde die Fälschung aufgedeckt.

II.

Die Strafkammer nimmt in allen Fällen vollendeten Betrug an. Auch soweit es nicht zu Abhebungen kam, liege eine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor. Die Revision meint dagegen, vollendeter Betrug liege nur insoweit vor, als Geld abgehoben worden sei. Dementsprechend liege im Fall S. Vollendung nur hinsichtlich der 170.000 DM vor. Insoweit sei die Strafkammer von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen. In den Fällen H. und E. liege nur Versuch vor.

Der Senat kann dem für die Fälle S. und H. nicht folgen. Im Fall E. liegt dagegen nur versuchter Betrug vor.

1. Betrug ist - soweit hier erörterungsbedürftig - vollendet, wenn die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils zum Zeitpunkt der Verfügung so groß ist, daß sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; zusammenfassend Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 263 Rdn. 94 f. m. zahlr. Nachw.).

Jedenfalls mit dem Tod der Kunden lag ein für die Annahme eines Betrugs ausreichender, vielfach als schadensgleiche Vermögensgefährdung bezeichneter Gefährdungsschaden (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 94) vor. Ab diesem Zeitpunkt hielt sich die Bank auf der Grundlage der von ihr für echt gehaltenen Verträge für verpflichtet, den scheinbar Berechtigten die Guthaben auszuzahlen.

Ein Grund, die Erfüllung dieser Ansprüche auch nur kurzfristig noch herauszögern zu können, bestand aus der Sicht der Bank nicht. Deshalb kommt es auf bankinterne, technische Fragen, etwa ob schon eine Umschreibung der Konten erfolgt war, in diesem Zusammenhang nicht an.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß ein vollendeter Betrug auch dann vorliegt, wenn es dem Täter gelingt, seine Bank durch Täuschung zu einer Überweisung auf ein tätereigenes Konto zu veranlassen, dieses bei Eingang der Gutschrift wegen Aufdeckung der Manipulationen aber bereits gesperrt ist (NStZ 1996, 203). Hier, wo ein endgültiger Verlust noch näher lag und nur durch das eher zufällige Eingreifen Außenstehender (der Erben und des Rechtsanwalts) gerade noch verhindert wurde, kann nichts anderes gelten. Im übrigen nimmt der Senat auf die eingehenden Ausführungen des Generalbundesanwalts vom 22. Juli 2003 Bezug.

2. Im Fall E. liegt dagegen kein vollendeter Betrug vor. Nach Auffassung des Senats ist bei einem fingierten, auf den Todesfall bezogenen Vertrag zu Gunsten Dritter, so wie er hier vorliegt, eine schadensgleiche Vermögensgefährdung (zum Nachteil der Bank) noch nicht eingetreten, solange derjenige, mit dessen Tod die Begünstigung eintreten soll, noch lebt. Die Möglichkeit eines Menschen, über sein Vermögen zu seinen Lebzeiten frei zu verfügen, kann in diesem Zusammenhang nicht als rechtlich bedeutungslos angesehen werden. Dabei kommt es weder darauf an, ob etwa im Hinblick auf das hohe Alter des Vermögensinhabers noch mit nennenswerten Vermögensverfügungen zu rechnen ist, noch darauf, ob dem Vermögensinhaber Manipulationen, die sich nach seinem Tod auswirken sollen, unbekannt sind. Versuchter Betrug liegt demgegenüber vor, ohne daß dies näherer Darlegung bedürfte; es kommt insbesondere nicht darauf an, ob Ho. (bei Bösgläubigkeit) Tatbeteiligter oder (bei Gutgläubigkeit) Werkzeug des Angeklagten war.

Daher ändert der Senat den Schuldspruch selbst; § 265 StPO steht nicht im Wege, der Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

3. Im übrigen ist der Schuldspruch ohne den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.

III.

Die Schuldspruchänderung im Fall E. gefährdet die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nicht. Auch im übrigen hat der Strafausspruch Bestand.

1. Vergeblich macht die Revision eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zwischen dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft und dem Urteil des Landgerichts geltend. Sie legt z.B. dar, die Staatsanwaltschaft habe erst nach drei Monaten Anklage erhoben, obwohl nach ihrer allerdings auch nicht konkret begründeten Annahme "ein Zeitraum von allenfalls eineinhalb Monaten bei hinreichender Verfahrensbeschleunigung ausreichend gewesen wäre". Mit dieser und damit vergleichbaren weiteren Berechnungen belegt sie eine nach ihrer Auffassung eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von elf Monaten.

Bei einem Eingang der Akten im Oktober 2001 bei der Staatsanwaltschaft und einem Urteil des Landgerichts Anfang 2003 kann vorliegend von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung offensichtlich nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Dies hat auch der Generalbundesanwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt.

2. Die Urteilsgründe ergeben zwar die Höhe des Guthabens von Frau H. zum Zeitpunkt der Fälschung, nicht aber die Höhe zum Zeitpunkt ihres Todes. Die Revision meint, demnach bleibe offen, ob das Guthaben zum Todeszeitpunkt nicht wesentlich geringer gewesen sei; daher sei in diesem Fall zumindest der Strafausspruch aufzuheben. Der Senat kann dem schon deshalb nicht folgen, weil ein Rückschluß auf die Höhe des Guthabens zum Todeszeitpunkt möglich ist. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß sich die Vermögensverhältnisse der 1913 geborenen Frau H., die nach den Urteilsfeststellungen "keine Erben" hatte, zwischen 1998 und ihrem Tode Ende 2000 nachhaltig verändert haben, nahe liegt dies aber nicht. Eine sachlich-rechtliche Pflicht, eine zwar theoretisch mögliche, jedoch fernliegende Fallgestaltung zu erörtern, besteht nicht. Eine auf eine Veränderung der Vermögensverhältnisse bezogene Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.

3. Der Generalbundesanwalt meint, im Fall E. sei im Hinblick auf die auch von ihm beantragte Schuldspruchänderung in versuchten Betrug eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23, 49 StGB nicht auszuschließen. Dies trifft nicht zu. Neben (versuchtem) Betrug liegt (vollendete) Urkundenfälschung vor. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Strafe ausdrücklich dem Strafrahmen des § 267 StGB entnommen. Der Umstand, daß neben der vollendeten Urkundenfälschung nicht vollendeter, sondern nur versuchter Betrug vorliegt, kann daher nicht dazu führen, daß die Strafe hier nicht dem Strafrahmen des § 267 StGB zu entnehmen wäre.

Im übrigen hat die Strafkammer ausdrücklich erwogen, daß es im Fall E. "nicht zu einer Auszahlung von Geldern gekommen ist". Diese Erwägung hat sie in gleicher Weise auch im Fall H. angestellt. Im Fall S. geht sie bei der Strafzumessung von einem Schaden von (nur) 170.000 DM aus. Dies belegt, daß sie den jeweiligen Gefährdungsschaden bei der Strafzumessung außer acht gelassen hat, auch soweit er eingetreten war. Unter diesen Umständen kann der Senat ausschließen, daß die Einzelstrafe im Fall E. zum Nachteil des Angeklagten davon beeinflußt ist, daß die Strafkammer geglaubt hat, Betrug sei im Hinblick auf einen Gefährdungsschaden schon vollendet.

4. Auch im übrigen ist der Strafausspruch ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Daß im Fall S. im Hinblick auf den Verlust der Bank von 170.000 DM ein besonders schwerer Fall (§ 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB und § 267 Abs. 3 Nr. 2 StGB) nicht geprüft ist, beschwert den Angeklagten nicht.

Externe Fundstellen: NStZ 2004, 264

Bearbeiter: Ulf Buermeyer