hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 286/01, Beschluss v. 24.07.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 286/01 - Beschluß v. 24. Juli 2001 (LG München II)

Versuchter Mord; Besondere Schuldschwere; Schwere Körperverletzung; Hinweispflicht; Fürsorgepflicht; Verfolgungsbeschränkung aus Gründen des Opferschutzes (Einstellung)

§ 211 StGB; § 56a StGB; § 22 StGB; § 226 StGB; § 265 StPO; § 154a Abs. 1 Nr. 1 3 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

I. 1. Auf die Revision des Angeklagten C. gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 8. März 2001 werden

a) die Strafverfolgung gegen den Angeklagten C. mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und schwerer Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 StGB beschränkt (§ 154a Abs. 1 Nr. 1 3 Abs. 2 StPO),

b) das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten C. betrifft, im Ausspruch über die besondere Schuldschwere aufgehoben; dieser Ausspruch entfällt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

II. 1. Die Revision des Angeklagten R. gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision und die dem Nebenkläger durch dieses Rechtsmittel im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Liste der angewendeten Strafvorschriften lautet bezüglich des Angeklagten C. §§ 211, 226 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2, 52 StGB.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes an der 79jährigen A. S., in Tateinheit mit versuchtem Mord an deren 75jährigem Ehemann Al. S., den Angeklagten C. in weiterer Tateinheit mit absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 226 Abs. 2 StGB) und den Angeklagten R. in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hinsichtlich des Angeklagten C. hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt und hierfür als ausschlaggebend angesehen, daß der Angeklagte - in der Form eines Mittäterexzesses - dadurch eine absichtliche schwere Körperverletzung begangen habe, daß er den Al. S. "in besonders gefühlloser Weise geradezu durch das Zerdrücken des linken Augenkörpers geblendet" habe. Der Angeklagte C. wendet sich allein gegen die der Feststellung der besonderen Schuldschwere zugrunde liegende Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung; an einer entsprechenden Beschränkung der Revision sah er sich lediglich durch die Tateinheitlichkeit des Schuldspruchs gehindert. Er macht insbesondere geltend, das Landgericht habe gegen § 265 Abs. 1 StPO verstoßen, indem es ihn wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 2 StGB verurteilt habe, ohne ihn auf die gegenüber der Anklage und dem Eröffnungsbeschluß - die von schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 1 StGB ausgegangen waren veränderten rechtlichen Gesichtspunkte hinzuweisen. Der Angeklagte R rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel des Angeklagten C. hat insoweit Erfolg, als der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 2 StGB von der Strafverfolgung ausnimmt und in der Folge den Ausspruch über die besondere Schuldschwere aufhebt. Die Revision des Angeklagten R. ist unbegründet.

I. Die Revision des Angeklagten C.

1. Dem Angeklagten ist wie die Revision zutreffend geltend macht vom Landgericht kein Hinweis auf den im angefochtenen Urteil vollzogenen Übergang von der mit bedingtem Vorsatz begangenen schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf die absichtliche schwere Körperverletzung nach § 226 Abs. 2 StGB erteilt worden. Da § 226 Abs. 2 StGB nicht Strafzumessungsvorschrift, sondern Qualifikationstatbestand ist (BGH NJW 2001, 980), hat das Landgericht damit gegen § 265 Abs. 1 StPO verstoßen. Um gleichwohl Rechtskraft herbeizuführen, hat der Senat hinsichtlich des Vorwurfs der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 154a Abs. 2 StPO eine Verfahrensbeschränkung dahingehend vorgenommen, daß nur noch vollendeter und versuchter Mord sowie schwere Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 StGB erfaßt wird. Aufgrund der wegen Verstoßes gegen § 265 Abs. 1 StPO rechtsfehlerhaften Verurteilung des Angeklagten auch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung müßte wegen der Tateinheitlichkeit der gesamte Schuldspruch aufgehoben werden. Insbesondere mit Rücksicht auf das in Fällen der vorliegenden Art bedeutsame Interesse des Opferschutzes (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 7; BGH NStZ 2001, 161) erscheint unter diesen Umständen angesichts der hohen Belastung des überlebenden, inzwischen 77 Jahre alten, psychisch und physisch mit Dauerfolgen schwer geschädigten Tatopfers durch Zeugenaussagen eine neue tatrichterliche Hauptverhandlung nicht mehr verantwortbar.

2. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils besteht kein Zweifel daran, daß das Landgericht, das bei dem Mittäter R. von der Annahme besonderer Schuldschwere abgesehen hat, bei dem Angeklagten C. die besondere Schuldschwere nur deshalb bejaht hat, weil es von einer in der Form des Mittäterexzesses zusätzlich begangenen absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 2 StGB ausgegangen ist. Dieser Vorwurf ist mit der Beschränkung der Strafverfolgung nunmehr entfallen. Da nach der Wertung des Landgerichts - wie der Vergleich - mit dem Mitangeklagten R. zeigt - aufgrund der im übrigen getroffenen Feststellungen eine besondere, das heißt über die allgemeine Schuldschwere des Mordes hinausgehende Schuld nicht - bejaht werden kann, kann die Feststellung der besonderen Schuldschwere keinen Bestand haben. Insoweit hat der Senat in der Sache entschieden (§ 354 Abs. 1 StPO).

3. Da das Rechtsmittel in der Sache erfolgreich ist, sind dessen Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Daran ändert nichts, daß der Angeklagte die Revision unbeschränkt eingelegt hat, da er von vornherein erklärt hat, daß er mit der Revision nur das beschränkte Ziel verfolgt, das er im Ergebnis erreicht hat, und eine Rechtsmittelbeschränkung aus Rechtsgründen insoweit nicht möglich war (vgl. BGHSt 19, 226, 229).

II. Die Revision des Angeklagten R.

Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen wie auch die Sachrüge sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Bearbeiter: Karsten Gaede